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Kathi und die Suche nach dem verlorenen Wunsch

Von Christina Badelt

Es waren nur mehr zwei Wochen bis Weihnachten. Überall funkelte und glitzerte es in den Straßen und auch die ersten Schneeflocken fielen vom Himmel. Eigentlich liebte Kathi diese Zeit. Doch irgendetwas war anders dieses Jahr. Sie war traurig und hatte ihren Wunsch verloren. Nirgendwo konnte sie ihn finden, überall hatte sie schon danach gesucht. In der Schule waren alle ganz aufgeregt und diskutierten, was sie auf ihren Wunschzettel geschrieben hatten. Kathi aber war ganz still. Das fiel auch ihrem Freund Alex auf. „Kathi, was wünschst du dir denn dieses Jahr?“, fragte er. Sie sah ihn nachdenklich an: „Ich weiß es nicht …“ Alex bekam ganz große Augen, er verstand seine Freundin nicht.
Also beschloss Kathi, sich auf die Suche zu machen und einige Leute zu fragen, woher deren Wünsche eigentlich so kamen. Vielleicht würde ihr das helfen, ihren eigenen wiederzufinden. „Opa, was wünschst du dir dieses Jahr zu Weihnachten?“, fragte sie beim gemeinsamen Spielen am Nachmittag. „Mein Schatz, ich wünsche mir eigentlich nur, dass meine Kreuzschmerzen wieder besser werden, damit ich mit deiner Oma wieder wandern gehen kann. Die gemeinsame Zeit ist das Beste, was wir haben, daher ist dieser Wunsch am größten.“ Das verstand Kathi gut. Als ihre Mutter am Abend nach Hause kam, lief sie ihr mit wild fuchtelnden Armen entgegen: „Mama, Mama, du hast doch sicher auch einen Wunsch zu Weihnachten, was ist es denn?“ Ihre Mutter umarmte sie lachend: „Kathi, ich bin so stolz und glücklich, dass ich dich habe, mein Wunsch ist, dass wir gesund und munter bleiben.“ Kurze Zeit später läutete es an der Tür. „Kathi, kannst du bitte aufmachen, ich bin in der Küche beschäftigt!“, rief ihre Mutter vom anderen Ende der Wohnung. Vor der Türe stand Frau Hammerl aus dem vierten Stock. Kathi mochte die alte Dame sehr und war auch immer wieder zu Besuch dort. Dann gab es tollen Schokokuchen und manchmal auch einen Schluck Kaffee. Ein kleines Geheimnis zwischen den beiden. „Hallo, Kathi, schön, dich zu sehen! Ist deine Mutter zu Hause? Ich bräuchte ein paar Kartoffeln fürs Abendessen, ich hab doch glatt vergessen, heute welche einzukaufen“, zwinkerte sie. „Frau Hammerl, gerne, ich bringe Sie Ihnen gleich!“, rief Kathis Mutter aus der Küche. Sie hatte schon immer Ohren wie ein Luchs.

„Darf ich fragen, was Sie sich dieses Jahr zu Weihnachten am meisten wünschen?“, fragte Kathi die Nachbarin in der Zwischenzeit schüchtern. Frau Hammerl bekam einen traurigen Gesichtsausdruck: „Weißt du, das ist gar nicht so einfach, Kathi. Am meisten Freude hätte ich, wenn meine Tochter und ihr kleiner Sohn mich besuchen kommen würden. Nur die wohnen in Australien, der Flug ist weit und teuer und wir können uns daher nur jedes zweite Jahr sehen.“ Kathi schwieg betreten. Sie wollte die alte Dame nicht traurig machen. Dann kam ihr eine Idee: „Sie feiern einfach mit Mama, Papa und mir, das wäre doch schön!“, rief sie laut. „Das klingt sehr gut“, bestätigte ihre Mutter, die gerade mit einer Schüssel Kartoffeln zur Tür kam. „Frau ­Hammerl, Sie sind herzlich eingeladen und wir freuen uns, den Weihnachts­abend gemeinsam mit Ihnen zu verbringen.“ Kathi hatte die alte Dame noch nie so strahlen gesehen.
Nachdenklich lief sie in ihr Zimmer und legte sich aufs Bett. Ihr Blick fiel auf eine Zeichnung, die an der Wand hing. Und plötzlich wusste sie wieder, was sie so vermisste: ihre beste Freundin Isabella, die mit ihren Eltern vor einem knappen Jahr nach Italien gezogen war. Es war kurz vor Weihnachten gewesen und die beiden Mädchen hatten sich geschworen, in Kontakt zu bleiben und einander nie zu vergessen. Das war für Kathi nicht schwer. Was ihr jedoch nicht leichtfiel, war, ihre Freundin nicht mehr bei sich zu haben, gemeinsam zu spielen, zu reden und zu lachen.
Am nächsten Morgen konnte sie es kaum erwarten, in die Schule zu kommen: „Alex, ich weiß jetzt wieder, was mein Wunsch war und auch, dass leider nicht jeder in Erfüllung gehen kann. Aber eine ganz wichtige Sache habe ich außerdem entdeckt!“ „Aha … und was ist das?!“ Alex blickte sie neugierig an. „Na ganz einfach wie schön es ist, dass wir einander haben!“, rief sie und umarmte ihren Freund so stürmisch, dass dieser vor lauter Lachen in den großen Schneehaufen im Schulhof plumpste.
Als Kathi ein paar Stunden später vom Nachmittagsunterricht nach Hause kam, wartete eine Überraschung auf sie. Auf dem Küchentisch lag ein kleines Packerl. „Das ist heute für dich mit der Post gekommen. Ein Geschenk aus Italien …“, erzählte ihre Mutter und musste ­lächeln, als sie das glückliche Gesicht ihrer Tochter sah.

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