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Letzte Chance für Erfolgsmodell Mutter-Kind-Pass

Nachdem einige Landesärztekammern Beschlüsse gefasst haben, aus dem Mutter-Kind-Pass auszusteigen, signalisierte die Politik ein Einlenken. Die Österreichische Ärztekammer reagiert vorsichtig optimistisch.

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Der Mutter-Kind-Pass ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte im Bereich der Vorsorgemedizin. Seit seiner Einführung 1974 hat er unschätzbare Dienste geleistet – zuerst bei der Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit, heute bei der allgemeinen Gesundheitsversorgung der Kleinkinder in Österreich. Diese Erfolgsgeschichte steht nun vor einem entscheidenden Kapitel – auch ein Ende steht im Raum. „Nach jahrzehntelanger stiefmütterlicher Behandlung des Mutter-Kind-Passes durch die Politik und Jahren ungehörter Hilfeschreie seitens der Ärzteschaft haben einige Landesärztekammern Beschlüsse gefasst, aus diesem hervorragenden Projekt auszusteigen“, warnt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Das hätte zur Folge, dass es in den betreffenden Bundesländern den Mutter-Kind-Pass nicht mehr gäbe. Dass die Politik nun ein Einlenken signalisiert und zeitnahe Ergebnisse angekündigt hat, nehme man mit vorsichtigem Optimismus auf. „Es freut uns, dass die Politik nun endlich das Problem erkannt hat, das sich nach 28 Jahren ohne Honoraranpassung und zehn Jahren ohne Leistungserweiterung so dramatisch verschärft hat, dass sogar schon ein Ende der Erfolgsgeschichte im Raum steht“, sagt Steinhart: „Jetzt gilt es, den Ankündigungen auch zeitnah Taten folgen zu lassen.“

Endlich Anpassung an die Realität

„Gerade jetzt sollte die Gesundheit unserer Kinder mehr denn je im Fokus stehen“, unterstreicht auch Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Unsere Vorschläge zur Verbesserung des Mutter-Kind-Passes lagen seit Jahren auf dem Tisch, etwa auch zur von uns unterstützten Digitalisierung. Dass auch in diesem Punkt eine Lösung angekündigt wurde, stößt bei Wutscher auf Wohlwollen.

Kind mit Teddybär beim Impfen
Ärztinnen und Ärzte fordern beim Mutter-Kind-Pass eine Honoraranpassung nach 30 Jahren.

Die fehlende Anpassung der Honorare seit 1994 sei mittlerweile hoffentlich hinlänglich bekannt, man dürfe aber nicht vergessen, dass seitdem auch der Anspruch an die Ärztinnen und Ärzte gestiegen sei, betont Thomas Fiedler, Obmann der Bundesfachgruppe Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der ÖÄK. Denn Beratungen und Aufklärungen seien nun deutlich komplexer und zeitintensiver als vor 28 Jahren. Der Altersschnitt der Schwangeren steige, statt Einzelpatientenberatung sei glücklicherweise mittlerweile Paar- oder sogar Familienberatung die Regel: „Das bedeutet aber einen erhöhten Gesprächsaufwand, ebenso wie Impfberatung oder die Beratung über Geburtsmodalitäten“, sagt Fiedler. Dazu komme ein erhöhter Personal- und Organisationsaufwand, etwa im Laborbefundmanagement oder bei der Ausfertigung vorzeitiger Mutterschutz-Formulare: „Die Ärztinnen und Ärzte leisten das alles für ihre Patientinnen und Patienten sehr gerne, aber irgendwann einmal – nach fast drei Jahrzehnten – muss es doch einmal zu einer Anpassung an die Realität kommen“, fordert Fiedler. Es sei erfreulich, dass sich nun endlich eine Lösung abzeichne.
Alle drei appellieren an die Entscheidungsträger, den Mutter-Kind-Pass österreichweit zu retten. „Wir nehmen die Politik jetzt beim Wort und hoffen auf eine rasche Lösung im Sinne der Gesundheit unserer Kinder.“

SOS-Kinderdorf: Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen müssen kassenfinanziert bleiben

„Es ist ohne Zweifel höchst an der Zeit den Mutter-Kind-Pass zu überarbeiten. Seit Jahren wird von der jeweiligen Regierung die Weiterentwicklung versprochen, bis dato ohne Ergebnis“, so Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf anlässlich der Androhung der Vertragskündigung durch die Ärztekammer in einigen Bundesländern. „Besonders für die Zeit nach der Geburt braucht es dringend mehr Angebote an Frühen Hilfen und zur Elternbildung. Wie bei jeder Prävention gilt auch hier, dass sich Investitionen in die Vorsorge auszahlen. Probleme werden frühzeitig erkannt und können behandelt werden. Hier zu sparen ist unsinnig und den betroffenen Kindern gegenüber vollkommen verantwortungslos“, sagt Moser.

Es darf keine Zwei-Klassen-Medizin geben

Der Protest der Ärztekammer sei bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Aber: „Es kann keine Option sein, gerade in Zeiten einer enormen Teuerungswelle, für tausende Familien Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht mehr leistbar zu machen. Diese wichtigen Untersuchungen kosten mind. 100,- Euro pro Termin. Das ist für viele junge Familien nicht zu stemmen“ stellt Moser klar. Familien mit geringem Einkommen würden die Untersuchungen dann gar nicht machen. „Somit würde die Zwei-Klassen-Medizin dann schon vor der Geburt beginnen. Das wäre eine Bankrotterklärung des öffentlichen Gesundheitssystems und nicht zu akzeptieren“, so Moser weiter.

Einige Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind in Österreich zudem Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes. „In der aktuell finanziell fordernden Phase sind Familien auf diese Unterstützung angewiesen. Es braucht also rasch eine Lösung. Notfalls müssten 100% der vorab privat bezahlten Arzt-Rechnungen ersetzt werden. Alles andere verstößt eindeutig gegen das verfassungsmäßig garantierte Kinderrecht auf bestmögliche Entwicklung und Gesundheit“, stellt Moser klar.

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