Gesundheit

„Mama, Papa, ist meine Seele gesund?“ – Interview

„Es braucht transparente Eltern die klar mit ihren Kindern kommunizieren“ - Ich habe mit meiner Kollegin Gunda Frey, einer renommierten Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Ausbilderin und Unternehmerin aus Deutschland über dieses Thema gesprochen:

Ab welchem Alter sollte die psychische Gesundheit ein Thema werden? Wer sollte die Kinder dahingehend aufklären und sensibilisieren?
Gunda Frey: Psychische Gesundheit sollte von Zeugung an ein Thema sein. Inzwischen ist durch Forschung offensichtlich geworden, dass es schon im Mutterleib zu Traumatisierungen kommen kann. Es braucht bewusste Eltern, die sich ihrer eigenen Baustellen bewusst sind aber auch Kenntnisse darüber haben, was selbst bei Ungeborenen als traumatisch erlebt werden kann. An dieser Stelle bedarf es noch ganz viel Aufklärungsarbeit. Als erstes braucht es also Sensibilisierung und Aufklärung für die Eltern. Der weitere Vorteil von dieser Vorgehensweise ist, dass Kinder nicht „aufgeklärt“ werden müssen. Sie haben dann Eltern, die es vorleben und mit ihrem Sein transportieren.

Welche Methoden könnten dabei helfen dies mit den Kindern zu besprechen?
Frey: Die Methoden dürfen so facettenreich sein, wie das Leben facettenreich und individuell ist. Es bedarf keiner Aufklärung im Sinne von: „Wir müssen jetzt mal über dieses Thema sprechen.“ Vielmehr braucht es transparente Eltern, die bereit sind, immer altersentsprechend und klar mit ihren Kindern zu kommunizieren. Eltern, die Zusammenhänge von äußeren Symptomen wie nicht schlafen können verstehen und ihre Kinder posi-tiv unterstützen und fördern. Für kleinere Kinder sind Fantasiereisen hilfreich, größere sind vielleicht für eine Art der Mediation offen. Aber es geht nicht um Methoden. Es geht um vorgelebte, seelische Gesundheit. Kinder und Jugendliche werden nur das übernehmen, was sie bei ihren direkten Bezugspersonen im Alltag sehen und erleben. Jede Form von Achtsamkeitsübungen sind in jedem Fall hilfreich.

Was ist der Vorteil, dass Kinder schon früh an das Thema herangeführt werden? Für die Zeit der Pubertät und das Erwachsenenalter?
Frey: Kinder, die von Geburt an in einem Umfeld aufwachsen, in dem seelische Gesundheit gelebt und gefördert wird, werden die Aufgaben der Pubertät gut meistern können und zu seelisch gesunden und belastbaren Menschen heranreifen. Sie kennen ihre eigenen Grenzen und halten diese ein.

Was geben Sie den Eltern mit in Bezug auf das Erhalten der psychischen Gesundheit Ihrer Kinder? Was ist besonders wichtig?
Frey: Eltern stehen in der Herausforderung und Pflicht, sich um ihre eigene seelische Gesundheit zu kümmern. Dazu gehört auch, sich mit den eigenen Baustellen seiner Kindheit und Vergangenheit auseinander zu setzen. Seelische Gesundheit ist eben nicht nur ein gutes Maß an Selbstfürsorge. Seelische Gesundheit bedeutet alte Verletzungen, Glaubenssätze und Muster aufzulösen oder zu transformieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass unbewusste Übertragungen unterbrochen werden. Seelisch gesunde Eltern haben die Chance, seelisch gesunde Kinder großzuziehen.

Ein Erlebnis aus der Arbeit mit Kindern (aus der Praxis), wo es deutlich wurde, dass das Kind/der Jugendliche verstanden hat, dass es auf die psychische Gesundheit achten muss (die Bedeutung der eigenen seelischen Gesundheit)!
Frey: Da die Eigenverantwortung im psychotherapeutischen Kontext bei mir einen hohen Stellenwert hat, war es mein erklärtes Ziel jeder meiner Patienten, genau in dieses Verstehen zu bringen. Je nach Vorprüfung und Alter ein oft schwieriges Unterfangen. Für mich sind die schönsten Begegnungen die, in denen ich Jahre später von meinen ehemaligen Patienten angeschrieben werde. Auf diese Weise habe ich schon viele Erfolgsgeschichten lesen dürfen. Junge Menschen, die durch die Therapie gelernt haben, Selbstfürsorge zu leben und seelische Gesundheit als wichtig zu erachten. Geschichten von jungen Menschen, die sich so einen festen Platz in der Gesellschaft erobert haben und diesen mit Leichtigkeit und Freude füllen.

Wie steht es um die Seele der Therapeuten?
Frey: Inzwischen führe ich die FreyMuT Academy, ein Weiterbildungsinstitut, in dem Traumatherapeuten und Traumpädagogen ausgebildet werden. Leider fällt mir immer wieder auf, dass Therapeuten/innen und Pädagogen/innen ihre eigenen inneren Baustellen nicht kennen. Selbstfürsorge und seelische Gesundheit werden viel zu oft nicht gelebt. So wie die Etablierung von seelischer Gesundheit bei den Eltern beginnt, so stehen auch alle pädagogischen und therapeutischen Fachkräfte in meinen Augen in der Pflicht, gut für ihre eigene seelische Gesundheit zu sorgen. Gerade das Erkennen und Transformieren eigener Glaubenssätze ist hier sehr hilfreich. Das Vorleben ist die beste Methode, um Kindern und Jugendlichen ein positives Bewusstsein für dieses Thema zu ermöglichen. In meinem Buch „Kindern geben was sie brauchen“ erkläre ich sehr anschaulich die Rahmenbedingungen für eine gute seelische, gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ein Kapitel ist den Eltern gewidmet, unter dem Motto: „Verstehe dich selbst“. Somit ist es ein allgemeingültiger Ratgeber für Eltern aber auch für alle Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

 

Gunda Frey
Kinder und Jugendlichenpsychotherapeutin, Ausbilderin, Unternehmerin.
Mehr auf www.gunda-frey.de

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