Ernährung

Picky Eaters – wenn Kinder nicht essen

Kaum eine Sorge ist im Elternherz so tief verwurzelt wie die Angst, dass das Kind nicht genug isst. Ausgerechnet in Zeiten von Übergewicht und Überfluss wird dieses Problem immer häufiger: Kinder, die das Essen verweigern.

Füttern ist der Inbegriff des Elternseins, es ist wohl das erste und wichtigste Thema, sobald der Nachwuchs auf der Welt ist. Vor allem, wenn es nicht richtig funktioniert. Viele Eltern nehmen das persönlich und wirken verbissen auf das Kind ein, ohne sich über die Ursachen im Klaren zu sein. Denn so froh man über ein zufrieden mampfendes Kind ist, so belastend ist es, wenn ein Kind Nahrung dauerhaft verweigert.

Was ist Picky Eating?

Picky Eating, der internationale Fachbegriff für hochselektives Essverhalten, bedeutet „extrem heikel beim Essen“. Das kann mancherlei Ausprägungen zeigen: Das Kind isst nur wenige Gerichte oder nur wenige Lebensmittel oder überhaupt nur eines – z. B. nur Kartoffeln oder nur Nudeln –, es verweigert Nahrung bestimmter Konsistenz, oder es will nur zuhause nicht essen, im Kindergarten hingegen schon. Oder es verweigert Nahrung nur im Beisein anderer und will abends alleine essen.

Für die Familie bedeutet das, dass ständig extra gekocht werden muss oder häufig dasselbe auf den Tisch kommt, weil das Kind eben z. B. immer nur Spaghetti will. Und nur ohne Soße. Und weil man schon froh ist, wenn das Kind überhaupt etwas isst, gibt es eben meistens Spaghetti. Vielleicht vergeht den Anwesenden regelmäßig der Appetit, weil es bei jedem Essen Geschrei gibt und/oder alle unter Hochspannung stehen. Aufjeden Fall dreht sich beim Essen alles um dieses „heikle“ Kind und seine Vorlieben. Da helfen keine Ratschläge Außenstehender nach dem Motto „da muss man mal durchgreifen, gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und wenn das Kind Hunger hat, wird es schon essen“. Ganz im Gegenteil verhärten sich dadurch noch die Fronten.

Körperlich oder seelisch?

Picky Eating, der internationale Fachbegriff für hochselektives Essverhalten, bedeutet „extrem heikel beim Essen“.

Körperliche Ursachen machen sich schon im Babyalter bemerkbar. Ab dem Zeitpunkt der Geburt bekommt das Kind plötzlich Nahrung durch den Mund, es muss lernen, wie sich Hunger anfühlt und wie es ihn mitteilt. Bald wird es mit Beikost konfrontiert, mit neuen Geschmäckern, Konsistenzen, Farben. Diese Herausforderungen dürfen nicht unterschätzt werden. Jedes Kind hat dabei sein eigenes Tempo. Ist es noch nicht bereit für den nächsten Entwicklungsschritt, zeigt es das, indem es Neues ablehnt. In manchen Fällen werden Geschmacks- und Geruchseindrücke noch nicht richtig verarbeitet. Mitunter werden Reizeso stark wahrgenommen, dass es fast schmerzt: Dann kann ein Keks im Mund pieksen, können kräftige Aromen in der Nase stechen. Weiters muss das Zusammenspiel von Lippen, Zunge, Wangen und Kiefer funktionieren. Nur so kann die Nahrung richtig gekaut und gezielt geschluckt werden, ohne dass sich das Kind verschluckt.

Ein psychisches Trauma hingegen kann sich aus einem traumatischen Erlebnis im Mundbereich ergeben, z. B. wenn im Rahmen einer Operation ein Beatmungs-Tubus durch Mund oder Nase eingeführt wurde. Manche Kinder wollen danach nichts und niemanden mehr an ihren Mund heranlassen. Jeder Versuch, etwas hineinzuschieben oder zu -schmuggeln, und sei es nur ein Löffel Apfelmus, verschlimmert die Lage nur noch weiter.

Helikopter-Eltern

Psychische Ursachen können aber auch lange nach dem Babyalter auftreten, zum Beispiel durch übersteigerte Ängste oder allzu große Unsicherheit, Zwanghaftigkeit oder übersteigerte Fürsorglichkeit bei Essen-Lernen-Spiele in der Esslernambulanz den Eltern. Aus den USA kommt dazu der Begriff „Helikopter-Eltern“. Es ist wohl auch ein Thema unserer Zeit: Die immer größere Fürsorge der Eltern konzentriert sich auf immer weniger Kinder. Im Extremfall sind die Eltern ständig am Kind dran, um es zu behüten, anzuleiten, bestmöglich zu fördern. Auch beim Essen. Ein übersteigertes Streben nach Kontrolle, Zeiteinteilung, Ordnung und Sauberkeit führt zu einer Atmosphäre, die von Angst und Druck geprägt ist. So wird die ungeteilte Aufmerksamkeit für das Kind zum Stressfaktor. Sich selbst zu spüren, ist jedenfalls schwer möglich, wenn man unter Dauerbeobachtung steht. Vielen Kindern vergeht unter solchen Umständen der Appetit. Sie gehen in Widerstand und kooperieren erst recht nicht mehr. Ein Teufelskreis beginnt.

Die Grazer Esslernschule

In dieser einzigartigen Einrichtung bietet ein interdisziplinäres Team Diagnostik, Beratung und Therapie für Kinder und Jugendliche mit auffälligem Ess- und Ernährungsverhalten an. Es gibt sogar ein internetbasiertes „Learn to Eat“-Programm. Wenn das Thema Essen in einer Familie zur Belastung wird, allerspätestens aber dann, wenn das Kind in seiner Entwicklung stockt, ist professioneller Rat vonnöten. In einem Erstgespräch haben Eltern die Möglichkeit, die Problematik ihres Kindes mit den Ärzten und Therapeuten zu besprechen. Nach einer ausführlichen Diagnostik wird ein maßgeschneiderter Behandlungsvorschlag erstellt. Die Eltern werden dabei stark eingebunden, und so manche haben in der Esslernschule erkannt, dass sie eigentlich nur auf ihr Bauchgefühl hätten hören müssen.

Anzeichen für eine drohende Ess- oder Fütterstörung

Bei den Eltern:
Stress und Sorgen, allgemein oder bzgl. der Ernährung starre Vorstellungen von Esserziehung konkrete Erwartungen und Vorgaben, was das Kind essen soll eheliche Uneinigkeit oder Streit um das Them aKonflikte, die sich fast nur in der Esssituation äußern.

Beim Kind:
Abwehrverhalten bei Tisch, Appetitlosigkeit, Unlust, Gedeihstörung, Gewichtsstillstand, Unter- oder Übergewicht, extremes Heikelsein, Angst oder Unwille, bei Tisch zu sein, aufs Essen abzielendes Trotzen

Ursachen für Ess- und Fütterstörungen

  • Psychische Ursachen: auf das Kind wird zu viel Druck ausgeübt, die Eltern sind verunsichert, überängstlich, gestresst, traumatische Erlebnisse im Mundbereich (z. B. durch eine Intubation)
  • Körperliche Ursachen: übersensible Geschmacksknospen, verzögerte Integration der Geschmackswahrnehmung, körperliche Ursachen können z. B. in einer Frühgeburt oder einem Herzfehler begründet sein.
  • Nahrungssonde: oralmotorische Entwicklung verzögert, fehlender Hungerreflex bei Duff und Anblick von Essen, Angst, die Sonde zu entfernen (Gewöhnung bei Eltern und Kind)

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