Erziehung

Witzig, einfühlsam und voller Tipps: „Wir werden das Kind schon schaukeln“

"Ein Elternberuhigungsbuch" - so der Untertitel des neuen Buches von Familienpsychologin Sophie Seeberg. Wir haben eine Leseprobe für euch...

Unterhaltsam erzählt Autorin Sophie Seeberg aus ihrer langjährigen Erfahrung als Psychologin, Paarberaterin und Patchwork-Mama und gibt dabei jede Menge Tipps.

Einfach mal durchatmen, einfach mal nicht perfekt sein – das rät uns dieses originelle, rundum positive Buch und zeigt, wie jede Mutter und jeder Vater diesen Wahnsinn ganz wundervoll schaukeln kann. Dabei ist dies kein Ratgeber im herkömmlichen Sinne. Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen geschrieben, zeigt die Autorin, wie sich der herausfordernde Alltag entnervter Eltern leichter meistern lässt: vom Übermutti-Battle bis hin zur schlichten Einsicht, dass ein tröstender Schokomuffin aus dem Kind später nicht zwangsläufig einen Berufsversager macht.

 

Wir werden das Kind schon schaukeln. Ein Elternberuhigungsbuch
Autorin: Sophie Seeberg
Verlag: Topicus
ISBN 978-2-496-70587-4

Und nun viel Vergnügen mit dieser Leseprobe – ein Teil des Vorworts – aus dem Buch. (Und Achtung: Ihr werdet nach dem Abschnitt gleich weiterlesen wollen! ;-))

Eines Abends vor vielen Jahren saß ich mit meinen Freundinnen
Tine und Katja in einer Kneipe. Wir hatten »kinderfrei« und einen
sogenannten »Mädelsabend«. (Das klang jünger und verheißungsvoller
als »Muttiabend«, fanden wir.) Da zwei von uns schon wieder
schwanger waren und die Dritte im Bunde noch stillte, saßen wir
vor drei alkoholfreien Cocktails und versuchten, Spaß zu haben.
»Yay, Mädelsabend! Wooohoooo …!«
Bereits im »Wooohoooo« klangen allerdings so deutlich
Müdigkeit und leichte Verzweiflung mit, dass klar war: Dies
war eben kein Mädelsabend mit drei jungen, attraktiven,
selbstsicheren
Frauen, die über Liebe und Sex philosophierten,
lachend den Kopf zurückwarfen, den Abend in vollen
Zügen genossen, vor Esprit und Unternehmungslust sprühten
und denen nur noch die Vierte im Bunde fehlte, um Carrie
Bradshaw und ihren Freundinnen Samantha, Charlotte und
Miranda Konkurrenz zu machen.
Nein, wir drei erinnerten so sehr an »Sex and the City« wie
der übergewichtige Onkel Jürgen in seinem ballonseidenen lilagrünen
Jogginganzug an Iron Man.

»Cheers!«, versuchte es Katja mit einem schiefen Lächeln
und prostete uns mit ihrem alkoholfreien Mojito zu.
»Cheers!« Tine gab sich wenig Mühe, ihre Müdigkeit zu
verbergen, und gähnte herzhaft, statt zu trinken. »Das darf
echt nicht wahr sein«, grummelte sie. »Da haben wir endlich
mal einen Mädelsabend, und ich bin einfach nur saumüde! Ich
bestell mir jetzt einen Kaffee! So!«
Katja riss die Augen auf. »Aber du bist schwanger!«
»Und müde.«
»Aber du kannst doch nicht …«
»Doch, kann ich. Ein Kaffee ist nun wirklich kein Drama.«
»Aber …«
»Isses dir lieber, ich schlafe hier am Tisch ein? Das wird
nämlich passieren, wenn ich nicht sofort einen Latte macchiato
trinke. Und es wird mein Baby schon nicht umbringen.«
»Aber Koffein in der Schwangerschaft …«
»… ist bestimmt nicht schlimm, wenn es eine Ausnahme
bleibt. Und das wird es.«
Ich befürchtete eine längere Diskussion darüber, was man
in der Schwangerschaft darf beziehungsweise was nicht, und
versuchte recht plump, das Thema zu wechseln. »Schaut doch
mal!«
»Was denn?«
»Na, hier. Alles. Diese schicke neue Kneipe, die Menschen.
Schaut euch doch mal um!«
»Alle trinken Alkohol und haben Spaß, außer uns. Meinste
das?« Tine hatte es offenbar die Laune verhagelt.
»Nein, ich meine …«
»… die vielen gut aussehenden Typen, die uns keines
Blickes würdigen?«
»Äh …«
»Oder wolltest du uns auf die ausgeschlafenen Models mit
den langen Mähnen und den flachen Bäuchen hinweisen?«

Ich betrachtete die Gruppe der tatsächlich äußerst gut aussehenden
Frauen, die an der Bar lehnten und deren ausgelassenes
Gelächter zu uns herüberschwappte, und meine Stimmung
sank auf das Level von Tines. Ich sah meine Freundin an.
Hochschwanger, wie sie war, hatte sie den Caribbean Fruit
Punch auf ihrem Bauch abgestellt. Das war zwar praktisch, aber
nun mal so gar nicht »Sex and the City«.
Ich seufzte tief.
»Na toll!« Katja funkelte Tine und mich beinahe böse an.
»Brauchen wir echt Alkohol zum Spaßhaben?«
Tine murmelte etwas Unverständliches, aus dem ich die
Worte »alles geben« und »Gin Tonic« heraushörte.
»Brauchen wir die Aufmerksamkeit von Männern, um uns
gut zu fühlen? Und flache Bäuche? Also echt!« Katja schnaubte
verächtlich.
»Nee, natürlich nicht!«, beeilte ich mich zu versichern.
»Schließlich haben wir ja alle drei einen Mann, und flache
Bäuche sind ja nicht das Wichtigste im Leben und … äh …«
Ich hatte den Faden verloren.
Stilldemenz.
Mehrfach hatte ich schon darüber nachgedacht, mir ein Schild
zu basteln, das ich gegebenenfalls vor mir in die Höhe halten
konnte: »Ich leide an Stilldemenz. Bitte haben Sie Verständnis.«
Vielleicht konnte ich auch nützlichere Dinge draufschreiben, überlegte
ich, zum Beispiel: »Ich leide an Stilldemenz. Bitte bringen Sie
mir ein Stück Käsekuchen.« Umgehend bekam ich Hunger.
»Na ja«, ließ sich in diesem Moment Tine vernehmen, »ich
stell mir schon manchmal vor, was alles sein könnte, wenn ich
völlig frei und ungebunden wäre. Ich meine, natürlich lieb ich
meinen Mann und freu mich auf das Baby, aber … Na ja, ich
wär manchmal schon gern wieder so sexy und unbeschwert wie
die da drüben.« Sie warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung
der Frauen an der Bar.

Ich verstand, was Tine meinte. Und ich fand toll, dass sie
es aussprach. Das machte mir Mut, und ich gestand: »Ich wär
auch ab und zu gern noch mal so ganz frei und ungebunden.«
»Hmgrm«, brummelte Katja.
»Wie belieben?«
»Na ja, vielleicht so ganz, ganz manchmal … Also ganz
manchmal … da denk ich schon auch, dass früher alles viel
leichter war. Und so …« Katja starrte vor sich hin und wischte
imaginäre Krümel vom Tisch.
»Stellt euch doch mal vor«, begann Tine schwärmerisch,
»wenn wir kinderlos und ohne festen Partner hier säßen. All die
Möglichkeiten! Und der viele Alkohol …« Sie kicherte.
Katja verdrehte die Augen, dann musste auch sie grinsen.
»Hm … Also, wenn ich ungebunden wäre und machen könnte,
was ich wollte, dann würd ich … hm … ich würde eine Weltreise
machen. Und die Nächte durchfeiern. Und … flirten.«
Tine seufzte wohlig. »Ganz viele One-Night-Stands haben.
Das wär was.«
»Ausschlafen. Ich würde ständig ausschlafen. Und ein
Wochenende lang rund um die Uhr Serien gucken. Und im
Bett Pizza essen.«
»Ich würde morgens allein im Bad sein und mich ganz in
Ruhe fertig machen. Ohne dass irgendjemand irgendwas von
mir will. Stellt euch das vor, ich würde meine Haare föhnen! Und
mich schminken! Also, so richtig. Nicht nur so Wimperntusche
und gut, sondern mit allem Drum und Dran. Stundenlang!«
Tine lachte laut auf. »Ich stell mir gerade vor, wie Sophie
stundenlang an sich herumschminkt und dabei selig grinst.«
»Also, ich versteh das«, kam es von Katja. »Ich würde so
gern mal wieder total sexy rumlaufen. Mit ohne Babybauch und
stattdessen auf High Heels und so.«
»Genau, ohne Kinder würden wir aussehen wie die da drüben.
Nur noch besser. Ha!«

Wir verbrachten eine ganze Weile damit, uns vorzustellen, was
wir alles Tolles tun würden, wenn wir keinen Mann und keine
Kinder beziehungsweise Babybäuche hätten. Was wäre das für
ein aufregendes Leben gewesen!
Irgendwann machte Katja: »Hm.«
»Was hm?«, fragte ich.
»Na ja …« Katja klang nachdenklich. »Aber was dann?«
»Wie was dann? Wann?« Tine sah sie verwirrt an.
»Na ja, wenn wir irgendwann genug geschminkt und
geföhnt haben, unabhängig herumgereist und völlig ausgeschlafen
sind. Dann … also dann würde ich einen Mann und
Kinder wollen. Und mit euch Mädelsabende mit alkoholfreien
Cocktails machen und so.«
»Öhm … Stimmt.«
Katja lachte. »Ehrlich gesagt mag ich nur in der Vorstellung
rumreisen. Und One-Night-Stands haben. Und so.«
»Ja, weil eiiiigentlich wünschen wir uns doch genau das!«,
erklärte Tine, zeigte auf ihren dicken Bauch und strahlte. »Wir
haben genau das, was wir wollen.«
»Aber echt!«
»Wir sind voll die Glückspilze und hätten das beinahe nicht
bemerkt.« (…)

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