Erziehung

Faires Teilen beginnt erst im Schulalter

Pädagogik-Expertin und Bestsellerautorin Danielle Graf (www.gewuenschtesteswunschkind.de) erklärt im Interview, warum wir Kinder nicht zum Teilen zwingen sollten.

Warum teilen denn Kleinkinder nicht so gern?
Danielle Graf: Kinder sind von Natur aus vor allem in den ersten Lebensjahren sehr egoistisch, weil es im Laufe der Menschheitsgeschichte über einen sehr langen Zeitraum hinweg schlichtweg ums Überleben ging. Dass Kooperation sinnvoll für das Leben aller ist, lernen sie erst später. Die Kinder, die ihre Vorräte und Ressourcen am besten horten konnten, hatten am ehesten die Chance, so alt zu werden, dass sie ihre Gene weitergeben konnten. Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir zudem, dass Kleinkinder sich sehr stark über ihren Besitz definieren – und ihn dementsprechend verteidigen

Ab welchem Alter entwickelt sich die Fähigkeit zum Teilen?
In etwa ab dann, wenn das Kind imstande ist, sich in den anderen hineinzuversetzen und zumindest nachvollziehen kann, wie der andere fühlt. Wobei in dieser Phase meist noch keine altruistische Haltung dahintersteckt, sondern die Kinder schauen eher, welche Vorteile das Teilen eventuell bringen kann. Wirklich fair teilen – das beginnt laut Studien erst im Schulalter. Wobei der Höhepunkt an Großzügigkeit angeblich mit sieben oder acht erreicht ist, danach flacht es wieder ab, was auch daran abzulesen ist, dass Erwachsene bei Weitem nicht gerne teilen.

Warum nehmen wir es dann bei unseren Kids so genau?
Da kommt die soziale Komponente hinzu. Ein Mensch, der gerne teilt, gilt als guter Mensch. Dass Kinder nicht so gerne teilen, ist uns also unangenehm. Wir tun uns sehr schwer damit, das Gefühl auszuhalten, dass mein Kind als nicht so freundlich angesehen wird. Außerdem sollte ja nicht der Eindruck entstehen, wir hätten unsere Erziehung nicht im Griff.

Wie lernen Kinder von sich aus Teilen?
Unter Zwang jedenfalls nicht. Ich bin der Meinung, dass es oft besser ist, wenn Eltern sich gar nicht einmischen, weil Kinder vieles selbst regeln. Betrachten wir Schaufelstreite aus der Kindersicht, wird deutlich, dass die Kinder unter sich ihr Verhalten als vollkommen normal betrachten, weil sie ja evolutionär bedingt alle nicht teilen wollen. Mehr Gelassenheit tut daher gut. Eingreifen sollte eher im Sinne von Moderieren denn Moralisieren sein. Da kann es hilfreich sein, Gefühle zu nennen: „Schau, das Kind weint, weil du ihm die Schaufel weggenommen hast!“ Damit zeigen wir ihm, was das eigene Verhalten auslösen kann, und begleiten es damit auf seinen Weg hin zu mehr sozialer Kompetenz.

 

 

 

Danielle Graf
Erziehungsratgeberin,
Bloggerin und Autorin

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