Hurra, das kann ich schon allein!
Der Weg zur Selbstständigkeit ist für Kinder ebenso aufregend wie für die Eltern. Schritt für Schritt gilt es für Kinder, diesen Weg zu gehen – unterstützt von den Eltern.

Eltern sollten ihren Kindern zwei Dinge im Leben mitgeben: Wurzeln und Flügel. Für das Selbstständigwerden des Kindes heißt das, dem Kind Freiräume zu geben und es Dinge ausprobieren zu lassen, ihm aber gleichzeitig zu vermitteln, dass die Eltern da sind, wenn Hilfe benötigt wird.
Damit Kinder selbstständig werden können, müssen Eltern bereit sein, loszulassen. Dieses Loslassen kann natürlich aufgrund der engen Bindung auch sehr schmerzhaft sein. Einige Beispiele: das Kind mag nicht mehr gestillt werden, die ersten Stunden in einer Fremdbetreuung, zum ersten Mal bei Oma und Opa übernachten oder das Schulkind mag den Schulweg allein bestreiten. Auch den Beschützerinstinkt im Zaum zu halten fällt oft schwer. Eltern möchten ihre Kleinen natürlich vor allem beschützen, das ihnen schaden könnte. Damit das Kind selbstständig wird und Selbstbewusstsein entwickelt, ist es aber notwendig, eigene Erfahrungen zu sammeln. Eltern müssen lernen, ihrem Kind auch etwas zuzutrauen. Sie sollten es ermutigen, in kleinen Schritten eigenständig zu werden.
Unterstützung ist gefragt
Probieren Kinder neue Sachen aus, ist es wichtig, ihnen genügend Zeit zu geben und auch kleine Fortschritte zu loben. Denn auch kleine Erfolgserlebnisse sind wichtig für das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl des Kindes. „Als Matilda begonnen hat, ihre Kleidung selber anzuziehen, haben wir ihr immer gesagt, wie toll sie es macht. Auch wenn die Strumpfhose verkehrt herum war“, erzählt Bastian Kellhofer. Heute hat seine fünfjährige Tochter keine Probleme mehr damit. Sie bestimmt auch selber, was sie anziehen möchte. Auch das Frisieren erledigt Matilda allein. „Das kann ich schon sehr lange. Das ist einfach“, gibt sie selbstbewusst Auskunft.
Ihr zwei Jahre älterer Bruder Emil geht sogar schon allein einkaufen. Was für ihn ein Abenteuer ist, verursacht bei den Eltern manchmal Herzklopfen. „Wenn Emil zum Beispiel ums Eck geht, um Semmeln zu kaufen, schaue ich auf die Uhr. Wenn er zehn Minuten später noch nicht da ist, beginne ich, unruhig zu werden“, so Kellhofer. Emil sieht das gelassener: „Meine Mama gibt mir immer ein Walkie-Talkie mit, damit ich mich melden kann, wenn etwas nicht passt. Sie weiß allerdings nicht, dass die Verbindung gar nicht bis zum Supermarkt reicht.“ Am Anfang hatte Emil Bedenken, dass ihn die Verkäuferin vielleicht in dem Trubel nicht hört oder versteht. Doch als er merkte, dass er die Situation meistern kann, ging es ganz leicht.
Loben ist wichtig
Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken
Auf Negativmotivation wie „Geht das nicht schneller?“oder „Das kannst du sowieso nicht“ sollte ganz verzichtet werden, denn hört ein Kind immer nur Schlechtes über sich, fühlt es sich ungeliebt und sein Selbstwertgefühl nimmt schaden.
Manche Eltern setzen allerdings nicht nur auf Lob, sondern belohnen das Kind für jeden Fortschritt mit Geschenken. „Für eine besondere Anstrengung kann auch ab und zu ein Geschenk verteilt werden. Dennoch sollte das Kind immer wissen, dass Liebe und Leistung zu trennen sind! Das Geschenk sollte nicht mit der Leistung verknüpft werden, sondern das Kind sollte spüren, dass es das Geschenk bekommt, weil seine Eltern es lieben“, so Stolz. Sein Kind jedes Mal, wenn es aufs Topferl geht, mit einem Geschenk zu belohnen, ist also nicht Sinn der Sache. Außerdem entsteht beim Kind dadurch eine zu große Erwartungshaltung.
Fördern, nicht überfordern
Eltern müssen lernen, ihr Kind zu fördern, ohne es zu überfordern. Es heißt, kleine Schritte zu machen, geduldig zu sein und nicht zu viel zu wollen. Das gilt für die Eltern ebenso wie für das Kind. Vergleiche mit anderen Kindern sollte man vermeiden und sich lieber auf das eigene Kind konzentrieren. Gelingt etwas nicht, ist es hilfreich, die angestrebte Tätigkeit zu filetieren und so Schritt für Schritt zum Ziel zu gelangen.
Wenn es das Kind zum Beispiel nicht schafft, ganz auf eine Kletterwand zu steigen, kann man dem Kind vorschlagen, zu schauen, ob es es schon bis zu dritten Sprosse schafft. Wenn das Kind das dann erreicht hat und immer noch frustriert ist, kann man das schrittweise erhöhen. Bei Geschwisterkindern sollten Eltern darauf achten, dass sich die Kleineren im Bestreben, ihren älteren Geschwistern nachzueifern, nicht selbst überfordern, wenn die Herausforderungen nicht altersgerecht sind oder nicht ihrem Entwicklungsstand entsprechen.
Zur Selbstständigkeit gehört allerdings auch, seinem Kind zuzutrauen, Probleme selbst zu lösen. Es ist zwar für das Kind bequem, wenn Mama und Papa alle Steine aus dem Weg räumen, für das Selbstwertgefühl des Kindes ist es aber besser, wenn es selber, vielleicht mit ein wenig Hilfe der Eltern, zu einer Lösung kommt.
Mit Misserfolgen umgehen lernen
Für den Selbstwert des Kindes ist es notwendig, dass das es nach Misserfolgen weiß, dass es nicht dumm und unfähig ist, sondern sich durch eigene Kraft aus einer schwierigen Situation befreien kann. Eltern müssen diese Strategie mit den Kindern üben.
Nicole Stolz
www.coachingnetwork.at
Altersgerechte Aufgaben
Kindern kann man auch im Haushalt Verantwortung geben, indem man ihnen altersgerechte Aufgaben zuteilt. Schmutzige Wäsche in den Wäschekorb zu räumen, den Tisch zu decken oder das Spielzeug selbstständig wegzuräumen sind Tätigkeiten, die auch schon kleinere Kinder schaffen. Wichtig ist dabei, am Ball zu bleiben, auch wenn wieder ein schmutziges Shirt auf dem Kinderzimmerteppich landet. „Ich räume zu Hause den Geschirrspüler aus und decke gemeinsam mit meiner kleinen Schwester den Tisch. Das habe ich auch schon im Kindergarten immer gemacht“, erzählt Emil.
Eigene Entscheidungen treffen lassen
Man sollte Kinder auch altersgerecht in Entscheidungen miteinbeziehen. Die Auswahlmöglichkeiten muss man allerdings vorselektieren, damit das Kind nicht überfordert wird. Am besten lässt man es aus zwei Möglichkeiten wählen. Kleinere Kinder kann man entscheiden lassen, was sie anziehen möchten oder welches Pausenbrot sie in den Kindergarten mitnehmen wollen. Auch ob sie am Sonntag lieber in den Zoo oder ins Museum gehen möchten, kann man die Kleinen entscheiden lassen, ebenso ob sie bei Oma und Opa schlafen möchten oder ob sie am Samstag einen Freund einladen wollen. Entscheidungen treffen zu dürfen, stärkt das Selbstbewusstsein des Kindes.
Allein zur Schule?
Die Frage, ab wann ein Kind allein den Schulweg meistern soll, beschäftigt viele Eltern. Hier gilt es, das Kind nicht zu überfordern. Ist der Schulweg kurz, wird es das Kind früher schaffen, allein zur Schule zu gehen. Ist die Schule aber weiter weg und nur mit dem Bus, der Straßenbahn oder dem Fahrrad zu erreichen, sollte man mit dem Kind gemeinsam entscheiden, ob es sich den Schulweg zutraut.Es ist zu empfehlen, mit dem Kind den Schulweg öfters zu üben und ihm zu zeigen, was es machen soll, wenn es den Bus versäumt oder wenn das öffentliche Verkehrsmittel nicht kommt.
Auch das Kontrollieren der Schulsachen ist ein Thema. Sind jüngere Kinder noch darauf angewiesen, dass Mama oder Papa einen Blick darauf werfen, kann man sich bei älteren Kindern, wenn in der Lernstunde alle Hausübungen erledigt wurden und man das Gefühl hat, dass alles passt, tendenziell zurückziehen. Ziel ist natürlich, dass das Kind in der Lage ist, die Bücher, die es braucht, in der Schultasche zu haben, einen Überblick zu haben, was Hausübung ist, wann Tests sind.
An Regeln halten
Kinder sollten aber auch lernen, sich an Regeln zu halten. Ob es eine bestimmte Uhrzeit ist, zu der das Kind zu Hause sein soll, ein bestimmter Zeitrahmen, der für das Spielen mit der Spielkonsole vereinbart wurde, oder Tätigkeiten im Haushalt, klare Vereinbarungen sind einzuhalten, da das Kind nur so Verantwortungsbewusstsein lernt.

















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