Depressionen bei Kindern und Jugendlichen: Symptome und Warnzeichen
„Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.“ Wie viel tiefes Leid muss in einer Kinderseele existieren, bevor diese Hoffnungslosigkeit von ihr Besitz ergreift?

Welche Umstände sind so unaushaltbar, dass Kinder mit Depressionen darauf reagieren, überlegen, sich umzubringen, oder es im extremen Fall auch tun?
Dieses Thema ist ein großes Tabu. Kinder selbst sprechen in der Regel nicht darüber, sondern zeigen nur durch spezielle Verhaltensweisen, dass etwas überhaupt nicht in Ordnung ist. Doch nicht immer werden diese Signale von den Erwachsenen richtig interpretiert. So verhallt der einzige Hilfeschrei, der aus einem gequälten Herzen nach außen dringt, oft ungehört. Rückzug, aggressives Verhalten, körperliche Symptome oder Leistungsabfall werden auf „die Pubertät“oder persönliche Charakterzüge geschoben. Nur aufmerksame, sensible Menschen fühlen, dass da mehr dahintersteckt. Doch vielleicht können oder wollen auch manche Eltern nicht wahrhaben, dass ihr Kind depressiv ist. Denn unweigerlich müssten sie sich dann damit auseinandersetzen, ob sie etwas „falsch“gemacht haben. Und das ist verständlicherweise nicht sehr angenehm.
Doch in erster Linie muss es darum gehen, dem Kind zu helfen. Natürlich sind Eltern nur Menschen und machen nicht immer alles „richtig“. Aber meist sind die Ursachen für kindliche Depressionen im häuslichen Umfeld zu finden. Selbst wenn die Probleme in der Schule aufgetreten sind, gehen sie doch auf die Zeit davor zurück. Wie geborgen ist das Kind aufgewachsen? Konnte es ein gesundes Selbstwertgefühl aufbauen, oder war die Erziehung zu streng und nur an Normen orientiert? War das Klima daheim im Großen und Ganzen liebevoll oder eher kühl und distanziert? Gab es Gewalt in irgendeiner Form?
Solchen Fragen müssen Eltern sich stellen, wenn sich herausstellt, dass ihr Kind an einer Depression leidet oder Suizidgedanken hat. Diese Tatsache und das Faktum, dass betroffene Kinder und Jugendliche selten bis nie direkt kommunizieren, dass es ihnen schlecht geht, mögen dafür verantwortlich sein, dass oft so spät geholfen wird. Dazu kommt, dass auch heute noch psychische Erkrankungen als „Versagen“ des Einzelnen gelten. Wer depressiv ist, an starken Ängsten oder einer anderen psychogenen Krankheit leidet, ist „schwach“. Ein Loser und im schlimmsten Fall „verrückt“. Punkt. Daher gestaltete es sich auch sehr schwierig, Eltern und Kinder zu finden, die über das Thema sprechen wollten. Schließlich war das nur unter Zusicherung der absoluten Anonymität möglich. Wer möchte schon, dass andere wissen, dass das eigene Kind ein „Versager“ ist? Und man selbst auch, weil man das nicht verhindern konnte? Daher entsteht bei Eltern oft ein Gefühlsmix aus Angst, Hilflosigkeit und Zorn. Eine Mutter sagte: „Wie konnte meine Tochter mir das antun, dass sie depressiv wurde?“
Es ist oft nicht leicht, mit depressiven Kindern und Jugendlichen Kontakt aufzunehmen. Da ist es gut, zu wissen, welche Worte und Verhaltensweisen hilfreich sind und welche vermieden werden sollten.
Was wünscht sich ein Kind oder ein Jugendlicher, dem es sehr schlecht geht?
- Jemanden, der behutsam fragt, was los ist, und nicht ungeduldig wird, wenn die Antwort nicht sofort kommt.
- Jemanden, der von Anfang an vermittelt: „Was auch immer du mir sagst – ich nehme dich ernst.“
- Kein Urteilen, keine persönliche Meinung, außer es wird darum gebeten.
- Keinen übergriffigen Körperkontakt, sondern Berührungen nur, wenn das Kind das möchte.
- Wenn das große Schweigen herrscht, kann diese Frage helfen: „Was denkst du, wenn du so traurig bist, es dir nicht gut geht, du zornig wirst, dir schlecht ist?“
- Jemanden, der absolut vertrauenswürdig ist.
- Ein Gegenüber, das ZUHÖRT, nicht unterbricht und beim Thema bleibt.
- Einen Menschen, der erkennt, wie tief die Not ist, und fragt: „Hast du schon daran gedacht, dir das Leben zu nehmen?
- Jemanden, der nach dem WARUM fragt, aber nicht darauf besteht, wenn die Antwort ausbleibt.
- Jemanden, der auch für den Gedanken an Selbstmord Verständnis zeigt, aber vorsichtig auf Alternativen hinweist.
- Einen Gesprächspartner, der nicht in Panik verfällt, sondern ruhig bleibt.
Was können Angehörige und Freunde tun?
Das Problem – was auch immer es ist – absolut ernst nehmen.
- Sich selbst als Gesprächspartner anbieten.
- Als Mitschüler oder gleichaltriger Freund bei Gefahr im Verzug Erwachsene einweihen.
- Begleitung zu einem Therapeuten anbieten.
- Bei akuter Suizidgefährdung sofort professionelle Hilfe organisieren.
Solche Verhaltensweisen sollten Sie vermeiden
- Ratschläge und Belehrungen.
- Redewendungen wie: „Das ist doch nicht so schlimm“, „Reiß dich endlich zusammen“, „Das wird schon wieder“, „Bis du heiratest, ist das wieder gut“, „Andere Kinder haben viel größere Probleme“, „Führ dich doch nicht so auf“, „Du willst doch nur im Mittelpunkt stehen“.
- Ausfragen, Bemitleiden, herablassend sein.
- Schnelle Lösungen vorschlagen, die zeigen, dass die Qual des Kindes nicht verstanden wurde.
- Das Versprechen geben, niemandem etwas zu sagen, wenn man weiß, dass das wahrscheinlich nicht möglich ist.
Grundsätzlich kann jeder an Depressionen erkranken. Aber Kinder und Jugendliche, die ein stabiles Selbstvertrauen haben, sind weniger anfällig dafür.
Wie können Eltern dazu beitragen, dass ihr Kind Selbstbewusstsein entwickelt?
Seien Sie von Anfang an ein „sicherer Hafen“ für Ihr Kind. Schon das Baby weiß instinktiv, dass es bei Ihnen gut aufgehoben ist, wenn Sie feinfühlig auf seine Bedürfnisse eingehen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind, heben Sie es beim Trösten hoch und stellen Sie liebevollen Körperkontakt her. Respektieren Sie auch seine Grenzen. Vertrauen Sie zum Beispiel beim Füttern von Babys und Kleinkindern darauf, dass sie ihr eigenes Hunger- und Sättigungsgefühl entwickeln, und nötigen Sie Ihr Kind nicht zur Nahrungsaufnahme. Verzichten Sie unbedingt auf Erpressungsversuch wie: „Das habe ich extra für dich gekocht. Wenn du nicht isst, dann ist die Mama ganz traurig.“ Oder Kinder wachen in der Nacht auf und wollen dann erfahren, dass sie „sicher“ sind. Wenn Sie dieses Bedürfnis nicht erfüllen, legen Sie
den Grundstein für spätere Unsicherheiten und Ängste. Kuscheln Sie mit dem Kind, reden Sie ihm mit sanfter Stimme gut zu und bleiben Sie, bis es wieder eingeschlafen ist. Lassen Sie Ihr Kind in einer Not nie im Stich. Dann entwickelt es keinen Stress, sondern die Gewissheit, dass jemand da ist. Dieses Gefühl der Geborgenheit schafft tiefes Vertrauen und trägt zur gesunden Entwicklung bei. Auch auf nächtliche Ausflüge sollten sie sensibel reagieren. Wenn Kinder häufig nachts aus ihrem Zimmer kommen, weil sie Durst haben, auf die Toilette müssen oder sich vor dem Monster unter dem Bett fürchten, geht es auch um die Sehnsucht nach der Bezugsperson. Seien Sie also nicht ungehalten, sondern verständnisvoll.
Und die Auffassung „Lass das Kind schreien – das kräftigt die Lungen“ ist erwiesenermaßen eine Katastrophe. Ihr Kind braucht Sie und niemand kommt. Dieser Vertrauensbruch seiner Bezugspersonen öffnet späteren Ängsten und Depressionen die Türe. Lieben Sie Ihr Kind so, wie es ist, und nicht, wie Sie es gerne hätten. Es muss spüren, dass Ihre Liebe immer bestehen bleibt, auch wenn es sich einmal schlecht benimmt oder keine Leistungen bringt. Das bedeutet nicht, dass Sie jedes Verhalten akzeptieren müssen oder nicht ungehalten werden können. Aber für das Kind muss zu jeder Zeit klar sein, dass Ihre Gefühle davon nicht beeinflusst werden. So entsteht Urvertrauen – die beste Voraussetzung dafür, dass Ihr Kind selbstbewusst seinen Weg geht und die Depression fernbleibt.
Verwenden Sie die Sprache der Ermutigung
„Das hat du toll gemacht“, „Du schaffst das“, „Versuche es. Wenn es nicht klappt, ist das nicht schlimm. Dann probierst du es noch einmal“, „Du kannst immer zu mir kommen, ich bin für dich da“, „Ich habe dich lieb, auch wenn wir uns streiten“– das sind aufbauende, stärkende Botschaften. Streichen Sie Killerphrasen für immer aus ihrem Sprachgebrauch. Das sind Aussagen wie: „Du kannst das ja doch nicht“, „Dafür bist zu ungeschickt“, „Du bist so dumm“, „Halte den Mund. Das verstehst du nicht“, „Es interessiert keinen, was du denkst“ und Ähnliches. Kinder, die solchen Einflüssen ausgesetzt sind, werden nur zu leicht Opfer einer Depression oder anderer psychischer Erkrankungen.
Hallo, du!
Wenn du diesen Artikel liest und selbst betroffen bist – mach dir bitte klar, dass es hilft, wenn du über deine Gedanken und Gefühle sprichst. Das kann mit einem Freund oder einer Freundin sein, einem Lehrer, dem du vertraust, deinen Eltern oder einem Arzt. Du kannst dich auch an die Onlineberatung von „WEIL“ wenden. Oder du nimmst mit einer Beratungsstelle Kontakt auf, die sich auf Probleme von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Schwierigkeiten spezialisiert hat. Wahrscheinlich entdeckst du in einem Gespräch, was sich ändern müsste, damit es dir besser geht. Bitte gib nicht auf. Es gibt einen Weg.
Forum
Diskutieren Sie über diesen Artikel
Insgesamt 0 Beiträge