Dyskalkulie: Rechenschwäche stärken
Kindern mit Dyskalkulie fehlt das nötige Mengenverständnis und die Zählfertigkeiten, um die Grundrechenarten erlernen zu können. Sie verstehen Zahlen als reine Symbole, nicht als Mengenangaben. Dadurch fehlt ihnen ein Handwerkszeug, um Lernschritte in der Mathematik zu verinnerlichen. Durch gezielte Förderung kann diese Fertigkeit aber gut trainiert werden.

Der Begriff Dyskalkulie leitet sich aus dem griechischen „dys“ für fehlerhaft und dem lateinischen Begriff „calculus“ für (Rechen)Stein ab und bezieht sich auf besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens, die nicht durch eine Intelligenzminderung oder eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar sind.
Ursachen von Dyskalkulie
Die Ursachen sind noch nicht geklärt, einig ist man sich nur darüber, dass es wohl eine Vielzahl von Faktoren gibt, die zu einer Rechenschwäche beitragen. Außerdem kann es vorkommen, dass beim Kind zusätzlich eine Auffälligkeit in der Sprachentwicklung bzw. Probleme in der Wahrnehmung sowie bei der Körper- und Raumorientierung gegeben sind, erklärt Doris Lackner, Lerncoach sowie Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin bei er.lern.bar – Ganzheitliches Zentrum für Kinder und Jugendliche: „Auch hier zeigt sich, dass das klassische und viele Üben wenig bringt, denn das Kind rechnet nach seinen eigenen Vorstellungen und Rechenstrategien. Das funktioniert eine Zeit lang gut, doch spätestens in der 3./4. Klasse, wenn der Zahlenraum größer wird, versagen diese Techniken. Hier ist es besonders wichtig, die Strategie der Kinder zu verstehen und ihre Gedankengänge zu erkennen, um entsprechend eingreifen zu können. Ebenso wie bei der Legasthenie können durch anhaltende Misserfolge psychische Störungen auftreten.“
Anzeichen und Diagnose
Eine diagnostische Abtestung ist daher erst ab Mitte der zweiten Klasse sinnvoll. Die meisten Kinder haben in der 3. Und 4. Klasse er(n)ste Probleme, wenn der Zahlenraum größer wird und ihre bisherigen Strategien nicht mehr funktionieren. Doris Lackner erklärt: „Erste Anzeichen sollten frühzeitig ernstgenommen und beobachtet werden, z.B. bei sprachlichen Defiziten von Begriffen wie oben/unten, hinten/vorne, links/rechts, aber auch, wenn Reihenfolgen schlecht behalten werden oder wenn das Kind Probleme beim Planen von Tätigkeiten, aber auch Schwierigkeiten beim Vorwärts-und Rückwärtszählen oder bei der Verknüpfung von Mengen und Zahlen hat.“ Wenn Unterschiede in Größe, Menge, Form und Länge nicht erkannt werden oder es Probleme in der Raumorientierung und in der Grob- und Feinmotorik gibt, können dies auch Anzeichen einer Dyskalkulie sein.
Lernoriginell
Kinder mit Rechenschwäche sind „lernoriginelle“ Kinder, die oft ihre ganz eigene Logik beim Rechnen haben. Daher ist es wichtig, das Kind dazu anzuhalten, „laut“ zu denken. Nur so kann festgestellt werden, warum es einen Fehler macht, erklärt die Expertin. Wie eine individuelle Förderung helfen kann, erzählt Frau M.. Die Mutter der beiden 8-jährigen Zwillinge Sophia und Chiara, die in die 2. Klasse Volksschule gehen, schildert: „Ich bin draufgekommen, dass die beiden nicht wirklich ein Verhältnis zu Zahlen und Mengen hatten. Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht, die Zwillinge waren Früchen und insgesamt kindlicher. Aber dann hatten die Mädchen in der Schule immer mehr Probleme und meine Schwester, eine Sonder- und Heilpädagogin, hat mich schlussendlich darauf aufmerksam gemacht, dass die beiden eventuell eine Rechenschwäche haben könnten. Ich wollte sie dann nicht gleich austesten, aber sie natürlich so gut wie möglich fördern, was beide sehr gut annehmen.“ Auf der Suche nach einer guten Trainerin war auch die Finanzierung ein Thema für die alleinerziehende Mutter. „Dieser Förderunterricht wird von keiner Seite finanziell unterstützt, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Man kann es nicht einmal als Zusatzausgabe bei der Steuer geltend machen. Mit zwei Kindern ist das gleich sehr viel Geld, aber natürlich wollte ich das beste Training für sie, da ich gespürt habe, dass sie durch diese Rechenschwäche belastet sind und nicht mehr so gerne in die Schule gehen.“
„Mama, ich bin ja nicht blöd!“
Das wichtigste, so Frau M., ist es, sich selbst als Mutter zu entstressen, die Mädchen in ihrem Selbstwert zu stärken, sie viel zu loben und mit möglichst wenig Druck und viel Spaß bzw. Kreativität zu unterstützen. „Chiara hat einmal zu mir gesagt „Mama, ich bin ja nicht blöd“, das war für mich als Mutter natürlich furchtbar. Ich habe ihnen erklärt, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat und dass dies überhaupt nicht schlimm ist.“ Frau M. beschäftigt aber auch der Umstand, dass es keine gesetzlichen Regelungen gibt, was die schulische Benotung und den Wechsel in die nächste Schulstufe betrifft. „Meine Angst war, dass die Mädchen, beide sonst normal begabt, nicht in die nächste Schulstufe aufsteigen können. Dafür gibt es leider keine Richtlinien und Vorgaben, man ist von der Schule abhängig.“ Die Zwillinge brauchen neben der Schule viel Ausgleich und Zeit in der Natur, erzählt Frau M. weiter: „Beide lieben Tiere, Bewegung und das Herumtoben im Freien. Sophia will Tierärztin werden und ich unterstütze die Mädchen, wo ich kann, denn ich weiß, dass sie alles, was sie wollen, auch erreichen werden.“
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