Alleine verreisen ohne Heimweh!
Von der Sportwoche bis zum Sommercamp – das erste längere Fortbleiben von ihrer Familie macht vielen Kindern ganz schön zu schaffen. Wie man sich auf die ersten Ferien ohne Mama und Papa am besten vorbereiten kann.

Ein Bus, vollgepackt mit Zelten, Schlaf- und Rucksäcken und jeder Menge fröhlicher Kinder, davor Eltern winkend und letzte Abschiedsworte rufend – so sieht idealerweise Szene eins des Kapitels „Erster Urlaub alleine im Feriencamp“ aus. In der Realität gibt es aber doch immer Kinder, denen der Abschied gar nicht leicht fällt, die sich an die Eltern klammern, nicht in den Bus einsteigen wollen, und falls doch, dann nur unter Tränen.
Eltern geben Sicherheit
Heimweh hat viel mit Verlustängsten zu tun. „Deshalb brauchen Kinder das Gefühl, dass ihre Eltern immer für sie da sind, auch wenn nicht persönlich vor Ort“, weiß Leslie Jäger, Pädagogin bei den Kinderfreunden Oberösterreich und langjährige Feriencamp-Betreuerin. „Kinder sollen wissen, dass ihre Eltern erreichbar und im Notfall auch bereit sind, zu kommen. Das Signal an sie muss lauten: Ich bin da, du musst dir keine Sorgen machen“, so Jäger.
Eine gute Vorbereitung für Ferienwochen alleine oder erste Sportcamps und Wanderwochen mit der Schulklasse sind Übernachtungen bei Freunden, Oma oder Opa. „Je früher ein Kind in andere Bezugspersonen Vertrauen fassen darf, desto besser“, weiß die Pädagogin. „Wer schon die Erfahrung sammeln durfte mal auswärts zu übernachten, hat so eine gute Basis für ein paar Tage ohne Eltern.“ Aber auch Kinder, die schon oft und problemlos ein Wochenende lang bei Freunden oder den Großeltern waren, können plötzlich ängstlich sein. „Heimweh
ist ja oft auch ein Ausdruck von Unsicherheit, und die kann es immer geben. Etwa wenn Veränderungen im Raum stehen, wie Übersiedlung oder ein Geschwisterkind“, erklärt Leslie Jäger.
Angst vor dem Unbekannten

Wenn Kinder bedrückt wirken, ihnen nicht wohl ist oder sie sehr häufig von der bevorstehenden Reise reden, sind da sSignale für anstehendes Heimweh.
„Wer gut mit seinem Kind in Kontakt ist, merkt, wenn es sich Sorgen macht“, meint die Expertin. Wichtig ist es, diese Signale nicht zu übertauchen, sondern ernst zu nehmen und darüber zu reden. „Wie stellst du dir das im Camp vor? Was, glaubst du, erwartet dich?“ All diese Fragen kann man stellen und so versuchen, in Worte zu fassen, was die Kinder beschäftigt“, rät Jäger. Denn darüber zu reden, macht Ängste klein.
Das richtige Verhalten der Eltern

Wichtig ist aber auch, wie Eltern mit dem ersten Alleine-Urlaub ihrer Kinder umgehen. Jäger von den Kinderfreunden: „Das ist ein Loslass-Prozess – und der ist beidseitig! Wenn Eltern darauf vertrauen, dass es ihr Kind gut machen wird, dann fällt diesem die Trennung leichter.“ Auch sollen Kinder spüren, dass Eltern sich über ihre neuen Erfahrungen freuen, dass sie sich wünschen, dass sie eine gute Zeit haben werden.
Richtig abreisen ist ein perfekter Start
Ist der Abreisetag gekommen, können Eltern den Abschied erleichtern. „Bei jeder Trennungssituation ist es wichtig, sich zu verabschieden“, betont Leslie Jäger. „Aber man sollte es kurz und knackig halten. Denn traurige Eltern machen es ihren Kindern nur schwer.“ Auch im Vorfeld kann man schon ganz viel Heimweh-Potenzial abfangen. So sollen Eltern das Camp unbedingt nach den Interessen des Kindes aussuchen, denn ein Fußballfan wird im Computercamp wahrscheinlich nicht glücklich werden. Jäger: „Ist ein Kind unsicher, ist es ein heißer Tipp, einen Freund mitzuschicken.“ Beim gemeinsamen Vorbereiten und Packen, können etwaige Sorgen noch angesprochen werden. Und gerade bei jüngeren Kindern sollte etwas unbedingt mit ins Gepäck: das Kuscheltier. „Das stärkt, macht Mut und ist Gefährte.“
Freiraum für Kinder
Sind die Kinder dann mal weg, heißt es stark sein – vor allem für viele Eltern. „Wenn Kinder sich nicht melden, dann ist das ein gutes Zeichen“, versichert Jäger. „Bei einem jüngeren Kind kann man ja Kontakt über den Betreuer halten, sonst ist es aber wichtig, seinem Kind den Freiraum zu lassen – denn das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Autonomie.“ Und eines kann man sich gewiss sein: Ist etwas nicht in Ordnung, melden sich die Betreuer ohnehin.
Tränen am Telefon
Weint das Kind doch einmal am Telefon, gilt es, gut hinzuhören, um was es eigentlich geht: „Hat das Kind wirklich Heimweh oder hat ihm vielleicht das Programm nicht gefallen oder gab es Streit mit Freunden? Im Zweifelsfall macht es Sinn, Rücksprache mit den Betreuern zu halten“, rät der langjährige Feriencamp-Profi. Denn schließlich gibt es verschiedene Arten von Heimweh: jenes, das nur bei Langeweile oder Unmut auftritt, und kontinuierliches, das von morgens bis abends anhält. Jäger: „Im ersten Fall kriegt man das als Betreuer gut hin, im zweiten Fall sollte man abbrechen, das wäre sonst ein Vertrauensbruch zwischen Eltern und Kind.“ Ihr Tipp: „Im nächsten Jahr einen neuen Versuch starten.“
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