Auf der Suche nach dem Glück
Kinder sind meistens glücklicher als Erwachsene. Warum ist das so – und was sind die häufigsten Glückskiller? Eine Glücksforscherin verrät, wie wir lernen können, glücklicher zu sein.

„Es gibt nur einen Weg zum Glück, und der bedeutet, aufzuhören mit den Gedanken um Dinge, die jenseits der Grenzen unseres Einflussvermögens liegen“, sagte einst der antike Philosoph Epiktet im ersten Jahrhundert nach Christus. Seine Lehre stellte die praktische Umsetzung philosophischer Überlegungen in den Vordergrund und befasste sich damit, wie man Wissen über ein glückliches Dasein erlangen könnte. Laut dem Philosophen das einfache, jedoch nicht immer leicht durchzusetzende Geheimnis zu Glück: die Unterscheidung zwischen Dingen, die man verändern kann, und jenen, die unveränderlich sind.
Was die Österreicher zum Glück brauchen
Tatsächlich ist wohl kaum ein Wunsch der Menschheit so alt wie jener nach Glückseligkeit, also nach dem Zustand, sich vollkommen zufrieden zu fühlen und mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein. Unzählige Wissenschaftler, Literaten und Künstler befassen sich seit ewigen Zeiten mit dem wohl schönsten Gefühl der Welt: glücklich zu sein. Denn immerhin beweisen Studien: Glückliche Menschen leben länger, sind gesünder, optimistischer und kreativer bei Problemlösungen. Zumindest in Österreich scheint das ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung zu sein. Immerhin 75 Prozent geben laut einer Umfrage des Market Instituts aus dem Jahr 2017 an, zufrieden zu sein, was bereits eine gute Basis fürs Glücklichsein ist. Am wichtigsten ist für die Österreicher allerdings nicht das Monetäre. Gesundheit, eine Familie, eine gute, langjährige Beziehung, gefolgt von Freunden und der Freude an kleinen Dingen sind es, die für das alpenländische Glücksempfinden entscheidend sind.
Glücklich sein mit dem, was man hat

Doch der Zustand, glücklich zu sein, hat eine große Bandbreite an Ausformungen. Für ein Kind kann es die lang ersehnte Puppe zum Geburtstag sein, für einen Erwachsenen ein schöner Urlaub oder das Gefühl, verliebt zu sein. Klar ist jedoch auch: Gewisse Umstände wie Sicherheit, Gesundheit und keinen Hunger leiden zu müssen tragen ganz entscheidend dazu bei, dass eine Basis für Glück geschaffen ist, sind jedoch nicht alleine dafür verantwortlich. Dabei zeigt sich, was schon Epiktet wusste: Wer dem Glück hinterherjagt, der wird wohl nur in den seltensten Fällen auch ein wirklich glücklicher Mensch werden, denn er verliert dabei etwas ganz Entscheidendes: Lebenszeit. Das belegt eine gemeinsame Studie der amerikanischen Rugers University und der kanadischen University of Toronto. Die Probanden wurden dafür zufällig in Gruppen eingeteilt, deren Fokus entweder auf der Glückssuche oder aber auf dem Anerkennen des bereits erreichten, persönlichen Glücks lag. Demnach beklagten jene Probanden besonderen Zeitverlust, die die Suche nach Glück als etwas ansahen, das ständig persönliches Engagement erfordert. Die hingegen, die sich die Frage nach der Anerkennung des bereits erreichten Glücks kümmern sollten, betrachteten sich bereits als durchaus glücklich und hatten weniger das Gefühl, dass ihnen die Zeit davonrinnt. Fazit der Studie: Die Suche nach Glück geht auf Kosten der Zufriedenheit.
Glück kann man lernen

Die Erforschung des Glücks achte Heide-Marie Smolka zum Beruf. Die Psychologin hat Bücher und Hörbücher für Kinder wie Erwachsene verfasst und ist Inhaberin von Glückstraining: „Glück ist etwas Subjektives und bedeutet für jeden etwas anderes. Das Verständnis von Glück wandelt sich im Lauf einer Biografie – einen Sechsjährigen macht etwas anderes glücklich als einen Sechzigjährigen. Ich unterscheide dabei zwischen zwei Komponenten: Das eine ist das Glück, das über das Denken zustande kommt, das andere ist jenes, das über das Fühlen zustande kommt. Das Glück, das über das Denken zustande kommt, ist die Zufriedenheit.“
Die Expertin hat ein an sich einfaches Rezept dafür: sich an Kindern zu orientieren, sind sie doch meist glücklicher als Erwachsene. Von ihnen kann man einiges lernen, so Heide-Marie Smolka. Einer der Gründe für das Kinderglück: Sie leben im Hier und Jetzt, sind nicht so sehr mit Zukunftsthemen und inneren To-do-Listen befasst, die Druck und Stress aufbauen, wie Erwachsene. Hinzu kommt, dass Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen an Situationen selten große Erwartungen haben – doch genau solche enttäuschte Erwartungen führen zum Unglücklichsein.
Glückskiller meiden

Heide-Marie Smolka betont, dass es ebenfalls wichtig ist, Glückskiller wie ständiges Ärgern zu meiden, da das Hirn das Unglücklichsein so trainiere. Weitere Glückskiller sind soziale Medien und Smartphones: „Sie triggern bei uns etwas ganz Heikles“, sagt die Expertin, „nämlich das große Thema der Vergleiche. In sozialen Medien wird gezeigt, wo man war, wie
toll man aussieht, wen man getroffen hat. Es werden dabei allerdings nur die High Moments eines Tages abgebildet, der Großteil eines Tages aber ist kein High Moment. Wir tappen jedoch leicht in die Falle, zu glauben, dass jemand ganz offensichtlich sehr erfolgreich und glücklich ist, wenn wir diese Fotos und Postings sehen – und das nagt am eigenen Selbstwert.“ Hinzu kommt, dass Mobiltelefone und Tablets das Gehirn ständig in einen Stand-by-Modus bringen, was puren Stress für das Gehirn bedeute und ein Energievampir sei. Durch Smartphones werde laut Heide-MarieSmolka das Belohnungssystem des Gehirns aktiviert, das setze Glücksbotenstoffe frei. „Diese sind aber nicht nachhaltig,“ so die Expertin, „weil es sich dabei lediglich um ein digitales Glück handelt, nicht um reales. Man sollte Kindern Handys deshalb nicht unbegrenzt überlassen und sie mehr mit Dingen beschäftigen, bei denen ihre Fantasie angeregt wird. Außerdem muss einem Kind auch einmal fad sein dürfen, denn aus der Fadesse kann ganz viel entstehen. Sie kann die Basis für viele kreative Ideen sein.“
Glücklich in der Schule
Einer der Orte in denen Glücksmomente zwar eigentlich in großen Mengen vorhanden sind, der jedoch von vielen Kindern nicht als ein solcher empfunden wird, ist die Schule. Mit Gleichaltrigen zusammenkommen, sich weiterbilden und fürs Leben und den späteren Berufsweg lernen – all das und noch viel mehr ist in der Schule möglich, eigentlich die besten Voraussetzungen, in diesen intensiven Jahren des Lebens großteils glücklich zu sein. Doch viele Kinder und junge Erwachsene verbinden mit Bildungseinrichtungen ganz andere Dinge: nämlich Leistungsdruck, einen vollen Stundenplan und nicht selten wenig Mitsprache sowie mangelnde und schlechte Kommunikation mitd em Lehrpersonal. Dass das nicht so sein muss, beweist das Projekt „Glück macht Schule“. Ansätze der Glücksforschung werden angewandt, um die Situationen in Schulen in baulicher Hinsicht aber auch im Umgang miteinander zu verbessern – und so zu mehr Glück und Wohlbefinden der Schüler, aber auch der Lehrer zu führen. Die Trainer des Projekts, das seit 15 Jahren besteht, haben bereits zahlreiche Volks- und Mittelschulen sowie Gymnasien beraten. Sie werden von den Schulen direkt engagiert und arbeiten ehrenamtlich daran, die Situation zu verbessern.
So wie Stefan Gros, Geschäftsführer des Vereins Happy Health, der hauptberuflich Führungskräfte in Unternehmen coacht. Einer der ersten Schritte ist meist die Einberufung einer Schülerkonferenz. Dabei können die Schüler ihre Wünsche und Bedürfnisse artikulieren – für viele oftmals eine vollkommen neue Erfahrung.
Mehr Mitsprache für Schüler
„Diese Wünsche“, erzählt Stefan Gros, „sind ganz unterschiedlich. Es kann darum gehen, dass sich die Schüler einfach nur ein Schwarzes Brett für Mitteilungen, einen neuen Kopierer oder eine Schülerzeitung wünschen.“ Aber auch der sprachliche Umgang mit den Schülern bei der Notenverkündung ist ein großes Thema. In weitere Folge wird gemeinsam an der Umsetzung der Wünsche gearbeitet. Denn Stefan Gros betont, dass Mitsprache automatisch zu mehr Wohlbefinden und das wiederum zu einem glücklichen Gefühl führt: „Der erste Schritt ist, dass die Schüler sehen, dass sie eine Stimme haben und etwas verändern können – und nicht nur passive Konsumenten sind, was leider meistens der Fall ist. Es sind natürlich viele kleine Schritte, aber letztendlich zeigt sich immer, dass die Schüler glücklicher sind als zuvor und sehen, dass ihr Tun einen Wert hat.“
Kleine Glücksmomente
Heide-Marie Smolka erinnert daran, dass es genau jene kleinen Glücksmomente sind, die das große Ganze ausmachen: „Wir wissen aus der Glücksforschung, dass es mehr auf die Häufigkeit von Glücksmomenten ankommt als auf die Intensität. Es ist glücklicher machend, wenn ich im Laufe eines Tages viele kleine Glücksmomente habe statt nur einen großen.“
Die sind mit einer von Smolka und der Medizinerin und Kognitionswissenschaftlerin Katharina Turecek entwickelten Glücks-App trainierbar. Diese zeigt mithilfe eines Selbsttests und eines Trainingsprogramms, wie man Stress, Wut und Trauer reduzieren kann, um positiven Gefühlen wie Glück, Muße und Motivation Platz zu machen. Eine Burn-out-Prophylaxe zeigt außerdem Warnsignale auf und hilft, den Stress in den Griff zu bekommen. Letztendlich gilt, was schon die antiken Philosophen vor rund 2.000 Jahren wussten: Fürs große Glück braucht es oftmals gar nicht viel.






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