Doch dann kommt das Berufsleben. Und mit ihm eine veränderte gesellschaftliche Erwartungshaltung uns gegenüber. Es stellt sich der gleichförmige Alltagstrott ein, den wir mit preußischem Stolz zu ertragen haben. Plötzlich fängt die Zeit an zu rennen. Je tendenziell gleichförmiger unser Berufsleben verläuft, desto mehr verlieren unsere verlebten Tage an Kontrast und folglich an Kontur. Auf einmal erscheint jedes außerordentliche Erlebnis, wie ein schöner Urlaub oder ein viel zu seltenes Treffen mit guten Freunden (die alle dasselbe Problem und eigentlich keine Zeit haben), in der Nachbetrachtung wie eine sich immer weiter ausdünnende Inselgruppe. Eine Inselgruppe in einem Meer aus gleichgültig wogender Routine.
Der gleichförmige Trott sorgt dafür, dass wir unsere Lebenszeit „absitzen“. Und sobald wir mal kurz innehalten und uns gedanklich in die Vergangenheit umdrehen, nehmen wir Notiz davon und erschrecken! Dabei rennt die Zeit nicht an uns vorbei, sondern wir an ihr! Der Dalai Lama hat diesen Umstand mal in einem, wie ich finde, überaus treffenden Gedicht beschrieben:
DER MENSCH Er opfert seine Gesundheit, um Geld zu verdienen.
Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit zurück zu bekommen.
Er ist so auf die Zukunft fixiert, dass er die Gegenwart nicht genießen kann.
Das Ergebnis ist, dass er weder die Zukunft noch die Gegenwart lebt.
Er lebt so als würde er niemals sterben
und er stirbt so als hätte niemals gelebt.