Die 96 Prozent, die sich die erste Dosis der Masernimpfung verabreichen lassen, weisen darauf hin, dass es in Österreich gar nicht so sehr um Skepsis geht – man muss vielleicht gar niemanden zwingen, sich impfen zu lassen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 aus Italien bestätigt, dass es größere Stellschrauben als die Impfskepsis geben dürfte. Dabei wurde untersucht, wie die Bevölkerung dem Thema Impfen gegenüber eingestellt ist. Dabei wurden 3.130 Eltern befragt, mit dem Ergebnis, dass nur 0,7 Prozent gegen das Impfen, 15,6 Prozent zögerlich und 83,7 Prozent dafür sind. Möglicherweise ist vielen Menschen nicht bewusst, dass die Masernimpfung aus zwei Dosen besteht und dass für die vollständige Immunisierung der Bevölkerung beide notwendig sind.
Ein feinmaschiges Netz aus wiederkehrendem Kontakt zwischen Arzt und Patient gibt es mit dem Mutter-Kind-Pass bereits. Beim Impfen respektive der Dokumentation gibt es jedoch einige Fehlerquellen: Patienten etwa, die den Impfpass beim Arztbesuch vergessen oder ihn gar verlieren. Oder Ärzte, die es aufgrund von Zeitmangel oder mangelnder Aufklärung nicht schaffen, den Patienten zu erreichen. Um das zu vermeiden, würde es eine lückenlose und digitale Dokumentation der Impfungen und Erinnerungsmechanismen in Kombination mit einem E-Impfpass brauchen.
„Wir haben gemerkt, dass alles, was mit Zwang behaftet wird, aus Skeptikern Gegner macht. Sie gehen dann nicht mehr zum Arzt und fallen gänzlich aus dem Gesundheitssystem“, sagt Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖAK-Impfreferats dazu. „Bei Erinnerungssystemen wie in Oberösterreich werden Eltern angeschrieben und kommen dann zur Untersuchung. Das erhöht die Frequenz der Arztbesuche und funktioniert deshalb besser.“
Volksanwalt Günther Kräuter hingegen sagt: „Wenn Appelle und Aufklärungskampagnen nicht zum Ziel führen, ist ein verpflichtender Impfschutz unumgänglich.“
Vielleicht braucht es einfach den „Impfbonus“ beim Mutter-Kind-Pass in Oberösterreich mit Erinnerungssystem für ganz Österreich. Eine Impfpflicht, angestoßen von nationaler Ebene, dürfte jedenfalls in Anbetracht der föderalen Zuständigkeit, des fehlenden elektronischen Impfpasses und nationaler Dokumentation schwer argumentierbar sein.