Beim Sex erwischt!
Es zu vermeiden ist beinahe unmöglich, sobald Kinder im gleichen Haushalt leben. Früher oder später passiert es einfach: Die Sprösslinge bekommen mit, dass Mama und Papa mehr machen als bloß Bussis austauschen. Ob das nun sinnliche Laute sind, die aus dem Elternschlafzimmer durch die Wände klingen, oder ob man voll auf frischer Tat ertappt wird – peinlich ist es allemal, wenn plötzlich die Frage aus dem Kindermund erklingt: „Hey, was macht ihr da?“ Ruhig Blut, ist dann die Devise!

Es war ein schwüler, heißer Juliabend. Gemeinsam haben Anita und Robert mit ihren beiden Kindern, drei und neun Jahre alt, im Garten gegrillt. Während sich die Eltern eine Flasche des besten Weins gönnten, verhielten sich ihre Sprösslinge während des Essens so brav und harmonisch wie lange nicht mehr. Anita und Roberts Blicke kreuzten sich und sie wussten, dass sie heute die Kinder bald ins Bett bringen wollten, um den wundervollen Tag mit einem Liebesspiel zu beenden. Und so war es auch: Punkt acht, und die Kleinen fielen in einen tiefen Dornröschenschlaf. Oder?
Kaum hatten sich die Eltern entblößt und wurden intensiv intim, glotzten zwei kullerrunde Kinderaugen von der Bettkannte her sie an. „Mama, ich kann nicht schlafen. Kann ich mich zu euch kuscheln?“, flüsterte die dreijährige Tochter schlaftrunken. Daraufhin folgte panisches Geschrei der Mutter, die ins Bad läuft und Papa, der sich schnell eine Hose anzieht und nur verhalten grinst.
Entspannt bleiben, nicht panisch werden
Leider eine absolut falsche Reaktion in, dieser sensiblen Situation, macht Elisabeth Steinbauer aufmerksam. Die 36-jährige Psychologin aus Wiener Neustadt ist selbst Mutter eines Mädchens im Kindergartenalter und weiß, wie herausfordernd es sein kann, mal einen wirklich leidenschaftlichen Moment mit dem Partner zu genießen.

Mag. Elisabeth Steinbauer
Sexualität gilt als etwas Gefährliches
Der Gedanke, dass das Beobachten der Eltern beim Sex negative Auswirkungen auf das Kindeswohl haben könnte, geht wohl auf eine rund 2.000 Jahre alte Geschichte zurück und ist möglicherweise das Resultat strenger, konservativer Religionen. Während im antiken Rom und Griechenland voller Offenheit Lust und Liebe gelebt wurde, ist im Anschluss an diese Epochen Sex sukzessive zu etwas geworden, das hinter verschlossenen Türen stattfindet und über das nicht gesprochen werden darf. Der wohl berühmteste Psychoanalytiker, Sigmund Freud, benannte die Situation, die Eltern beim Akt zu ertappen, sogar als Urszene und sah darin den Auslöser für zahlreiche geistige Erkrankungen wie Zwangs- oder Angststörungen.
„So mag es vielleicht nicht verwundern, dass Sexualität als etwas Gefährliches angesehen wurde, wovor man Kinder zu schützen hat. Irgendwo scheint sich dieses Bild in unserer Gesellschaft verankert zu haben und noch immer in den Köpfen vieler Eltern herumzugeistern“, erklärt Elisabeth Steinbauer.

Mag. Elisabeth Steinbauer
Bitte das Kind nicht mit Erklärungen zutexten
Prinzipiell geht es aber gar nicht per se darum, dass die Eltern beim Sex beobachtet werden. Kein Kind der Welt wird deshalb umgehend einen Knacks erleiden. Oftmals haben die Kleinen – vor allem, wenn sie unter sechs Jahre alt sind – noch keinerlei Idee davon, was Mama und Papa da gemacht haben könnten, und hinterfragen die Szenerie nicht weiter.

sagt die erfahrene Psychologin
Kinderfragen stets ehrlich beantworten
Sollten Fragen auftauchen, wie, „Was macht ihr da?“ oder „Papa, tust du Mama weh?“, dann tut es gut, ehrlich zu antworten. Man muss und sollte gar nicht ins Detail gehen, kurze Erklärungen genügen. Wenn das Kind mehr wissen will, wird es ohnedies nachfragen. Man darf und soll die Dinge durchaus beim Namen nennen, wie: ja, wir hatten Sex, und ja, da kommt der Penis in die Scheide, und nein, Papa tut Mama nicht weh. Mama macht solche Geräusche, um Papa zu zeigen, dass das angenehm ist, was er macht, so wie bei einer Rückenmassage.

Vorsicht vor dem Verschließen der Zimmertür
Ab dem Volksschulalter kann man seinenKindern dann übrigens durchaus vermitteln, dass Mutti und Vati hin und wieder mehr machen wollen als nur schmusen und kuscheln Und, dass sie das am liebsten machen, wenn sie ganz für sich alleine sind. Wenn man seinem Nachkömmling im Alltag genügend Aufmerksamkeit und Sicherheit schenkt, dann wird ermdies akzeptieren, ohne sich dabei ausgeschlossen zu fühlen. Kinder können sehr wohl lernen, eine gewisse Privatsphäre zu respektieren, vorausgesetzt, es wird ihnen der gleiche Respekt entgegengebracht wie etwa durch das Anklopfen, wenn man ins Zimmer kommt, oder das Kind alleine am Klo zu lassen, wenn es das möchte.
„Vom Türenschließen halte ich nicht so viel, da dies automatisch das Gefühl eines Verbotes mit sich bringt und erst recht die Fantasien eines Kindes anregen. Außerdem kann es Angst auslösen, wenn Mama und Papa nicht mehr greifbar sind“, ergänzt Steinbauer.
Teenager haben eigene Vorstellungen von Sex
Teil der elterlichen Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Kinder einen positiven Bezug zu ihrem eigenen Körper und zu ihrer Sexualität entwickeln, und das am besten so früh wie möglich. Es ist klarerweise kaum zielführend, hysterisch zu werden, wenn man soeben beim Verkehr beobachtet wurde, denn dann könnte das Kind die Meinung pflegen, Sex sei etwas, das man nicht tun darf. Bei Jugendlichen kann man im Hinblick auf die Erklärungsintensivität durchaus weiter ins Detail gehen.

Mag. Elisabeth Steinbauer
Vergessen Sie Freud!
Aus heutiger Sicht ist es mehr als erschreckend, dass Psychoanalytiker Freud einst geschrieben hat, dass der Liebesakt der Eltern vom Kind als sadistische Misshandlung angesehen wird. Sollte man als moderne Mutter oder Vater nach wie vor derartige Ängste hegen, kann Steinbauer eindeutig Entwarnung geben: „Hier kann ich nur sagen, dass der Tag aus 24 Stunden besteht und Sie tagtäglich ihrem Kind Liebe und gute Werte vorleben. Ihr Sprössling sieht Sie als zärtliche Eltern und als Paar zusammen, beobachtet Ihr gesamtes Verhalten, Ihr Miteinander. All das wird die Entwicklung Ihres Kindes deutlich mehr prägen als ein paar Minuten, in denen es Sie zusammen im Bett erwischt hat.“
Haben Sie also keine Angst, alles ist gut.
SECHS TIPPS, wie man entspannt in einer sexpeinlichen Situation reagiert:

1) Ruhe bewahren, so was kann passieren!
2) Den Grund herausfinden, weshalb das Kind Sie mitten in der Nacht braucht.
3) Sicherheit und Geborgenheit vermitteln sowie die Klarheit, alles ist gut, wir sind bei dir.
4) Je nach Alter am nächsten Tag nachfragen, ob es etwas wissen möchte und Fragen da sind.
5) Die Dinge beim Namen nennen wie Sex, Penis oder Scheide.
6) Je nach Alter erklären, was respektvoller Sex bedeutet, und ebenso das Verständnis für gegenseitige Privatsphäre fördern.

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