Bitte mehr School-Life-Balance!
Viele Kinder und Jugendliche stehen im Schulalltag massiv unter Druck – wenig Zeit für Freunde, dafür ein durchgetakteter Tag voller To-Dos für die Schule. Was Eltern und Schüler:innen tun können, um die Schullast zu reduzieren

Der Wecker klingelt vielerorts schon um sechs Uhr in der Früh. Zwei Stunden später sitzen Kinder und Jugendliche bereits in den Klassen. Im Unterricht heißt es: Stillsitzen, Zuhören, Mitarbeiten, Lernen. Doch nach der Schule ist vor der Schule. Denn nach dem Heimkommen heißt es Hausaufgaben erledigen, Üben, Vorbereiten – oft bis weit in den Abend hinein. Hobbys und Freunde bleiben auf der Strecke. Dabei wünschen sich viele Kinder genau das: Mehr Leben und weniger Schule.
Nichts als Druck, Stress & Frust
Analog zur Work-Life-Balance im Berufsleben komme es laut Expert:innen auch im Schulalltag auf ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den schulischen Anforderungen und dem Privatleben an. Laut einer Studie der Arbeiterkammer Oberösterreich stufen Eltern jedes dritten Kindes den Leistungsdruck der Schule als zu hoch ein. Rund 36 Prozent der Kinder fühlen sich „sehr“ bzw. „eher“ belastet. Zwei Drittel der Eltern geben an, dass ihr Kind gestresst oder angespannt sei. Mehr als die Hälfte berichten von Frustration oder Entmutigung. Mit nur 5,26 von zehn möglichen Punkten schneidet die School-Life-Balance bei einer Umfrage des Nachhilfeinstituts LernQuadrat unter Österreichs Oberstufenschüler:innen besonders schlecht ab. Die größten Belastungen für die Schüler:innen: Notenstress, Leistungsdruck und unklare Bewertungen. Während Freunde und Familie das Leben schöner machen, sorgt die Schule laut Aussagen der Befragten für das glatte Gegenteil. Viele kritisieren, dass es zu viele Prüfungen gibt, ein Übermaß an Theorie statt Praxisnähe, zu wenig aktuelle Themen im Unterricht sowie mangelndes Feedback zu individuellen Leistungen. Darüber hinaus empfinden Schüler:innen es als besonders frustrierend, mehr oder weniger für Noten zu lernen. Das Lernpensum sei mitunter so hoch, dass das Gelernte nach der Prüfung gleich wieder vergessen werde. Laut Studien hat die Schullast nicht nur negative mentale und emotionale Folgen. Viele Kinder und Jugendliche klagen regelmäßig über körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit oder Konzentrationsstörungen. Zudem führt Lernstress häufig in eine Negativspirale: Er senkt nicht nur die Motivation, auch die Leistungen verschlechtern sich letztendlich.
Schule als familiäre Belastung
Psychiater und Bildungsexperten bestätigen, dass das Thema Schulstress nicht nur Schüler:innen betrifft. Auch die Familien insgesamt geraten vermehrt unter Druck – etwa beim Einmahnen der vollständigen Erledigen von Hausaufgaben oder den endlosen Diskussionen über Prüfungsvorbereitungen. Kein Wunder, dass auch die Beziehungsqualität zwischen Erziehungsberechtigten und Kindern leidet, wenn Freizeit immer wieder Schulthemen zum Opfer fällt. Wie findet sich also die richtige Balance zwischen Lernen und Hausaufgaben auf der einen Seite und Hobbys, Freizeit sowie Erholungsphasen auf der anderen Seite? Schul- und Lerncoaches sind sich einig: Der Druck muss raus! Indem die Verantwortung für Hausaufgaben und Lernzeiten bereits von Beginn an bei den Kindern liegt. Schulkinder sollten ab der Volksschule Hausaufgaben möglichst selbständig erledigen und später auch eigenständig entscheiden, wann und wieviel sie für Prüfungen lernen. Viele Kinder geben an, mit einem Dreier oder auch Vierer zufrieden zu sein, während Eltern nicht selten bessere Noten einfordern. Eltern sollten in dieser Hinsicht Kontrolle abgeben, ihre Kinder ermutigen und individuelle Fortschritte wahrnehmen.
Beim Lernen sollte der Fokus nämlich auf Prozessen liegen und nicht nur auf Leistung und Noten („was habe ich heute gelernt“ und nicht „welche Note habe ich bekommen?“). Entscheidend sei laut Expert:innen auch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und den Eltern daheim. Bei ersten Anzeichen von Überforderung sollten Gespräche stattfinden, um die Belastung im Auge zu behalten und gegebenenfalls das Lernpensum anzupassen. Letzten Endes sollten Freizeit und Hobbys stets ernst genommen werden. Denn was für die Großen gilt, muss auch für Kinder gelten: Freizeit ist kein Luxus, sondern wesentlich für Wohlbefinden und Motivation.

LEICHTER LEBEN OHNE SCHULLAST – Unsere Tipps
- Selbständigkeit fördern: Bei den Hausaufgaben sollten Eltern Kontrolle abgeben. Kinder, die alleine ihre Schulaurgaben erledigen, bekommen mehr Selbstbewusstsein und Lernmotivation. Selbst erarbeitetes Wissen bleibt erwiesenermaßen länger im Gedächtnis.
- Vertrauen statt Notendruck: Eltern sollten den Blick aufs Wesentliche schärfen und darauf vertrauen, dass das Kind seinen Weg gehen wird. Den Fokus auf individuelle Fortschritte richten! Eigene Erwartungen überprüfen (nicht alle Fächer müssen mit Bestnote abgeschlossen werden) und Kinder entscheiden lassen, wann und wieviel sie für bestimmte Fächer lernen. + Selbstbewusstsein stärken: Gerade Kinder, die oft auf Fehlleistungen aufmerksam gemacht werden oder der Reihe nach schlechte Noten bekommen, brauchen viel mentalen Zuspruch. Darauf schauen, was dem Kind Freude bereitet, worin es gut ist und wie es seine Stärken zeigen kann!
- Gesunde Fehlerkultur: Dem Kind den Rücken stärken, indem die Schwächen akzeptiert werden ohne Abwertung oder leidige Vergleiche mit anderen. Wer Aufgaben alleine löst und Fehler macht, lernt daraus. Schlechte Noten oder ein wiederholtes Schuljahr sind kein Weltuntergang!
- Rituale & Alltagsstruktur: Ein stabiler Tagesablauf gibt Sicherheit (gesunde Mahlzeiten, Abendrituale, Schlafgesundheit). Wochen- oder auch Tagespläne können Sinn machen: Wann wird was gelernt? Wann ist Freizeit? Gemeinsam überlegen, wie etwa für größere Projekte in kleineren Schritten gelernt werden kann. Kinder sollen lernen, selber Übersicht und Kontrolle zu bewahren.
- Raum für Freizeit schaffen: Nicht alle Nachmittage mit Programm vollstopfen. Lernpausen ernst nehmen! Als Familie immer wieder Aktivitäten sowie gemeinsame Gespräche einplanen, die nichts mit Schule zu tun haben. Spielen ohne Lernziel ist übrigens wichtig für Kreativität und kindliche Entwicklung.
- Aktiv Lösungen suchen: Keine Scheu vor externer Hilfe! Alles, was Besserung bringt, ist erlaubt – ob Nachhilfe, therapeutische Beratung oder notfalls ein Schulwechsel.
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