Mein Kind zieht sich immer mehr zurück!
Ihre 14-jährige Tochter verlässt in der Freizeit kaum mehr das Zimmer, trifft keine Freunde, und interessiert sich nicht so wie früher für die neuesten Modeund Makeup-Trends.

Wenn Sie fragen, was mit ihr los ist, sagt sie, dass sie in „so einer Welt“ mit Kriegen und Grausamkeiten gegen Menschen und Tiere nicht leben will.
Wie können Sie ihr helfen, dass sie sich wieder dem Leben zuwendet?
Belinda, 14, liegt wieder einmal auf der Couch in ihrem Zimmer. Es ist Sonntag, die Sonne scheint, ihre Eltern sitzen mit dem kleinen Bruder Peter auf dem Balkon und essen Eis und Kuchen. Mehrmals hat die Mutter Peter zu ihr geschickt, mit der Bitte, doch auch an der Jause teilzunehmen. Aber Belinda hat nicht einmal auf sein Klopfen und Rufen reagiert. Die Fenster sind trotz des warmen Tages geschlossen und die Jalousien heruntergelassen. Das passiert in letzter Zeit immer wieder und die Eltern machen sich große Sorgen. Belinda besucht zwar regelmäßig die Schule, aber auch dort hat sich ihr Verhalten geändert. Früher war sie morgens aus dem Bad und vom Schminkspiegel nicht wegzubekommen. Jetzt schlüpft sie in Jeans, irgendein T- Shirt und fährt sich nur kurz mit dem Kamm durch ihr langes Haar. Ganz selten trifft sie Freundinnen, mit denen sie früher stundenlang abgehangen ist. Meist kommt sie nach kurzer Zeit wieder heim und erklärt, dass sie „mit denen“ über nichts Wichtiges reden kann. Selbst ihr Klassenkollege Stefan, den sie immer angeschwärmt hatte interessiert sie überhaupt nicht mehr. Und das, obwohl Stefan durchaus positiv auf sie reagiert hatte.
Die Eltern, Freunde und auch die Eltern ihrer Freunde fragen sich besorgt, was denn bloß mit Belinda los ist. Sie war früher ein Sonnenschein und jetzt wirkte sie häufig, als ob jemand das innere Strahlen abgedreht hätte. Zuerst musste natürlich die Pubertät als Erklärung herhalten. Aber schließlich wollten Mutter und der Vater das nicht mehr als alleinigen Grund akzeptieren. An einem bestimmten Abend war Belinda endlich zu einem offenen Gespräch bereit. Das hatte sie immer mit den Worten: „Gar nichts ist mit mir los“ abgeblockt. Nun saß sie auf der Couch und die Tränen rannen ihr über die Wangen. „Ich halte das alles nicht mehr aus, Mama. Wir haben in der Schule über die Massentierhaltung gesprochen und darüber diskutiert. Ich habe vorher schon Dokumentationen gesehen und war so schockiert, wie die Leute mit den Tieren umgehen. Aber ein paar von uns haben gesagt, dass ihnen das egal ist. Hauptsache das Fleisch und die Wurst schmecken gut. Wie kann einem das egal sein? Und der Krieg in der Ukraine oder in Israel und Gaza – ich kann die Bilder einfach nicht aus meinem Kopf bekommen. Wieso sind Menschen so gemein zueinander? Außerdem habe ich Angst vor der Zukunft. Es gibt ja welche, die sagen, dass es den Klimawandel nicht gibt. Aber das glaube ich nicht. Vielleicht können wir gar nicht mehr auf der Erdoberfläche leben, wenn ich erwachsen bin. Dann habe ich gehört, dass die Tsunamis immer stärker werden. Hat das auch eine Bedeutung für uns in Mitteleuropa?“ Belinda schluchzt nun immer heftiger.
Ihr Vater nimmt sie in den Arm. Beide Eltern sind entsetzt, womit sich das Mädchen offenbar nahezu dauernd beschäftigt. Sie haben schon während der Pandemie bemerkt, dass Belinda sich viel mehr Gedanken über das Geschehen macht, als ihre Altersgenoss:innen.

Wie können Eltern nun helfen, wenn sie an ihren Kindern eine ungewöhnliche Rückzugstendenz bemerken?
1. Sagen Sie: „Ich bemerke schon längere Zeit, dass es dir nicht gut geht und ich denke viel darüber nach. Möchtest du mit mir reden? Kann ich etwas für dich tun?“
2. Hören Sie zunächst einmal nur zu, wenn Ihr Kind das Angebot annimmt.
3. Äußern Sie niemals Kritik daran, warum das Kind so denkt und fühlt. Jedes Gefühl ist für Betroffene immer richtig und hat spezielle Gründe.
4. Wenn Sie spüren, dass Sie Ihr Kind mit Worten nicht erreichen,- versuchen Sie durch bestimmte Verhaltensweisen Kontakt aufzunehmen. Bringen Sie ihm sein Lieblingsgetränk oder Essen, schlagen Sie eine gemeinsame Aktivität vor oder sehen Sie sich gemeinsam die Lieblingsserie an.
5. Bieten Sie an, dass es mit einer anderen Person, der es vertraut oder einem Profi reden kann, wenn es daheim schwerfällt.
6. Abwehrendes Verhalten des Kindes ist nicht gegen Sie persönlich gerichtet.
7. Kümmern Sie sich um professionelle Hilfe. Nicht nur für das Kind, sondern auch für Sie selbst. Sensible Kinder sind besonders dafür empfänglich, wie ihre Zukunft und die der Erde unter Umständen aussieht. Zeigen Sie daher unbedingt Verständnis, aber wenn irgendwie möglich – eine Perspektive, die auch positive Ausblicke erlaubt.
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