Bildung

„Wir bauen digitale Lernformen und KI-gestütztes Lernen aus‘

Bildungsminister Christoph Wienerkehr spricht im großen „familiii“-Interview zum Schulstart über den Ausbau der Schulpsychologie, das Handyverbot und den Einsatz von KI im Unterricht.

 

Die schrecklichen Ereignisse in Graz knapp vor Ferienbeginn haben ganz Österreich erschüttert. Was wird unternommen, damit Schulen sichere Plätze bleiben?

Christoph Wiederkehr: Nach dem erschütternden Vorfall in Graz war klar: Wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Unser Fokus liegt jetzt auf Sicherheit und Prävention. Einerseits verschärfen wir das Waffenrecht. Andererseits setzen wir in den Schulen stark auf frühzeitige Hilfe. Dafür verdoppeln wir das psychosoziale Supportpersonal. So erkennen wir Krisen früher, bieten rasche Unterstützung und stärken die psychische Gesundheit direkt an den Schulen. Zusätzlich weiten wir externe Angebote wie die „Tage der psychischen Gesundheit“ österreichweit aus.

 

Die psychologische Belastung von Kindern und Jugendlichen steigt ständig an. Sie haben versprochen, den Bereich der Schulpsychologie zu stärken. Was wird sich hier konkret im kommenden Schuljahr ändern?

Wir bauen die Schulpsychologie in den nächsten drei Jahren massiv aus – von rund 190 auf 390 Stellen. Neu ist auch: Schulsozialarbeit wird es künftig an allen Bundesschulen geben. Die Verteilung richtet sich nach dem sozialen Bedarf der Schulen, damit jene mit größeren Herausforderungen mehr Unterstützung bekommen.

 

Wird es neben der medizinischen Betreuung von psychisch belasteten Kindern und Jugendlichen auch niederschwellige Hilfe an den Schulen geben, etwa durch Sozial- und Jugendarbeiter:innen?

Ja. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Zusätzlich zur Schulsozialarbeit an Bundesschulen finanzieren wir gemeinsam mit den Ländern über 200 Stellen an Pflichtschulen. Wir prüfen auch, wie weitere Berufsgruppen wie Psychotherapeuten direkt an Schulen eingebunden werden können.

 

Sie haben ein generelles Handyverbot an Schulen verhängt. Wie sieht hier die Bilanz nach den ersten Wochen aus? Wie wird das seitens der Lehrerschaft, aber auch der Schüler angenommen?

Die Rückmeldungen sind sehr positiv, auch von Schülerinnen und Schülern. Handys erweisen sich im Unterricht oft als Konzentrationskiller. Deshalb war es mir wichtig, klare Regeln zu schaffen und den Lehrkräften rechtliche Sicherheit im Umgang mit Handys zu geben.

 

Wie kann aus dem Störenfried Handy ein wertvoller Mitarbeiter im Unterricht werden? Gibt es Pläne, Smartphones bewusst als Tools in den Unterricht einzubinden? Wenn ja, wie soll das in der Praxis funktionieren?

Ja, digitale Geräte können sinnvoll eingesetzt werden – z. B. für Lern-Apps, zur Videoerstellung oder Medienbildung. Dafür sieht das Handyverbot klare Ausnahmen vor. Wenn gezielt eingesetzt, fördern Smartphones digitale Kompetenzen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Technik.

 

Die digitale Welt ist inzwischen ein fixer Bestandteil im Leben von Schülern und Jugendlichen geworden. Bislang trägt dem die Schule nur bedingt Rechnung. Welche Pläne gibt es, die digitale Bildung der jungen Generationen zu verbessern, etwa im Bereich Fake News, Hass im Netz, etc.?

Seit dem Schuljahr 2022/23 ist „Digitale Grundbildung“ Pflichtfach in der Unterstufe. Es geht um Medienkompetenz, den Umgang mit Fake News, Schutz vor Hass im Netz und erste Einblicke in KI und Programmierung. Ab 2025/26 bauen wir digitale Lernformen und KI-gestütztes Lernen weiter aus. Auch in der Oberstufe kommen neue Lehrpläne mit stärkerem Fokus auf Digitalisierung und mentale Gesundheit im digitalen Raum.

 

Der Lehrermangel wird zunehmend zum Thema, denn in den kommenden Jahren gehen die Babyboomer in Rente. Welche Initiativen gibt es, um die Lücken in diesem Bereich zu schließen?

Mein Ziel ist es, dass der Lehrermangel zum Ende dieser Regierungsperiode überwunden sein wird. Im kommenden Schuljahr werden auch voraussichtlich wieder weniger Lehrpersonen in den Ruhestand treten als die Jahre zuvor, weshalb es zu einer leichten Entspannung kommt, auch wenn die Lage regional und schultypenspezifisch herausfordernd bleibt. Wir machen den Beruf attraktiver, zum Beispiel durch eine neue, praxisnähere Ausbildung ab 2025/26 mit drei Jahren Bachelor und zwei Jahren Master. So lässt sich das Studium besser mit der Arbeit im Klassenzimmer verbinden.

 

Welche Möglichkeiten gibt es für Quereinsteiger:innen, den Lehrberuf zu ergreifen?

Der Quereinstieg funktioniert gut und bringt wertvolle Berufserfahrung in die Schulen. Deshalb öffnen wir dieses Modell nun auch für die Volksschulen. Er ist nicht eine wichtige Maßnahme gegen den Personalmangel, sondern auch eine pädagogische Bereicherung.

 

Mangelnde Deutschkenntnisse sind an vielen Schulen im städtischen Bereich inzwischen zu einem ernsthaften Problem geworden. Welche Anstrengungen gibt es hier, die Sprachprobleme zu lösen? Können Integrationsklassen dieses Problem wirklich lösen oder muss hier bereits in den Kindergärten verpflichtend Deutsch unterrichtet werden?

Um die Herausforderungen mangelnder Deutschkenntnisse zu adressieren, setzen wir auf ein umfassendes Konzept mit mehreren Maßnahmen. Für das Schuljahr 2025/26 werden die Lehrerstellen für die Deutschförderung auf 1.330 verdoppelt. Für zugewanderte Schüler ohne ausreichende Schulerfahrung haben wir mit den Orientierungsklassen ein eigenes Format geschaffen, um sie auf den Unterricht in regulären Klassen vorzubereiten. Wichtig ist auch die frühe Förderung: Deshalb werden wir ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einführen. Und wer am Ende eines Schuljahres noch nicht ausreichend Deutsch spricht, muss künftig verpflichtend an der Sommerschule teilnehmen.

 

Braucht es zur besseren Integration dieser Kinder mehr zwei- oder mehrsprachige Lehrkräfte?

Ja. Mehrsprachige Lehrerinnen und Lehrer sind oft wichtige Brücken, besonders im Kontakt mit Kindern und Eltern. Wir bauen deshalb gezielt Aus- und Weiterbildungen in Deutsch als Zweitsprache aus. Ab 2025/26 gibt es dafür zusätzliche Schulungen.

 

An den Schulen kommt es in Regionen mit hohem Migrationsanteil verstärkt zu einem „Clash of Civilization“, da hier unterschiedliche Wertevorstellungen aufeinanderprallen. Wie kann die Schule dieses Gap überwinden? Wie können nicht deutschsprachige Eltern hier verstärkt eingebunden werden? Wie können die Kinder dieser Bevölkerungsgruppe nachhaltig mit den Werten der österreichischen Zivilgesellschaft vertraut gemacht werden?

Unser Zusammenhalt basiert auf gemeinsamen Werten wie Freiheit, Menschenwürde und Demokratie. Deswegen habe ich schon als Wiener Vizebürgermeister ein eigenes Fach Demokratiebildung gefordert, das nun von der neuen Bundesregierung umgesetzt wird. Eltern spielen bei der Integration eine zentrale Rolle. Wir bauen die Elternarbeit aus und machen klar: Die Zusammenarbeit mit der Schule ist verpflichtend. Wer sich dauerhaft entzieht, muss mit Sanktionen rechnen.

 

Die Verteilung der Mittel sind ein ewiges Streitthema im Bildungsbereich, dazu kommen die unterschiedlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern? Jetzt kommt das teure und teilweise nicht sehr effektive heimische Bildungssystem zusätzlich durch die notwendigen Sparmaßnahmen der Regierung unter Druck. Welchen Ausweg aus dieser Problematik sehen Sie?

Trotz Spardruck investieren wir erstmals 12 Milliarden Euro in Bildung – mit klaren Schwerpunkten bei Kindergärten, Sprachförderung und Unterstützungspersonal. Gleichzeitig starten wir eine Reformpartnerschaft mit Ländern und Gemeinden, um Zuständigkeiten klarer zu regeln. Das System soll effizienter, die Schulautonomie gestärkt und die Unterrichtsqualität verbessert werden.

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