Bildung

Zusammenleben lernen – Experten-Interview

"Mut zum Lästigsein" - Interview mit Volksschul-Direktorin Dagmar Klingler.

Dagmar Klingler, Direktorin der Volksschule Hötting, wünscht sich Ethikunterricht für alle Schüler und Schülerinnen und plädiert dafür, dass jene Werte, die gelehrt werden, auch gelebt werden.

Derzeit sieht es so aus, als würde Ethikunterricht als verpflichtender Ersatzgegenstand für den Religionsunterricht an Oberstufen eingeführt. Sind Sie mit dieser Lösung zufrieden?
Klingler: Ich finde die Lösung, ehrlich gesagt, nicht zufriedenstellend. Das Thema hat meiner Ansicht nach nichts mit dem Alter zu tun, sondern mit der Sache an sich. Ich finde, dass der Ethikunterricht ruhig schon im Kindergarten beginnen kann. Altersgerecht aufbereitet sind Fragen wie „Wer bin ich?“ und „Wer möchte ich sein?“ schon mit kleineren Kindern gut zu erarbeiten.

Sie wären also für einen Ethikunterricht für alle Schüler und Schülerinnen?
Das ist meiner Meinung nach die einzig richtige Lösung. Ich finde, dass die Werte, die im Religionsunterricht als verbindend gelehrt werden, teilweise einfach nicht verbindend gelebt werden. Ein sehr gutes Beispiel aus meiner Arbeit als Direktorin ist die Abschlussfeier am Ende des Schuljahres. Jahrelang war es mein Ziel, die Schülerinnen und Schüler mit einer großen Feier für alle Religionen in die Ferien zu schicken. Meine Vorstellung war es, die Abschlussmesse durch eine multireligiöse Feier zu ersetzen. Ende dieses Schuljahres ist es nach einem langen Kampf gegen Richtlinien und Engstirnigkeit nun endlich so weit. Da hätte ich mir einfach von Anfang an viel mehr Toleranz von den Religionsgemeinschaften gewünscht. Im schulischen Kontext trennt der Religionsunterricht also mehr, als er verbindet.

Ich finde, dass die Werte, die im Religionsunterricht als verbindend gelehrt werden, von den Religionsgemeinschaften selbst nicht verbindend gelebt werden.

Dagmar Klingler, Direktorin der Volksschule Hötting

Zitatzeichen

Was sollten Ihrer Meinung nach die inhaltlichen Grundpfeiler des Ethikunterrichts sein?
Der Ethikunterricht sollte die Kinder an das Wertegefüge heranführen und dazu dienen, die eigenen Werte zu hinterfragen. Empathie, Zusammenleben und Vertrauen gehören natürlich auch zu den Grundpfeilern des Ethikunterrichts. Es ist wichtig, den Kinder beizubringen, dass sie manchmal ruhig auch „lästig sein“, also Dinge kritisch betrachten dürfen. Oder eigentlich müssen. Auch ein Überblick über die Religionen gehört dazu, steht aber, finde ich, nicht im Vordergrund. Der Unterricht kann außerdem auch dazu genützt werden, aktuelle Themen einer Klassengemeinschaft zu besprechen, denn auch hier geht es letztlich immer um Werte.

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