Bildung

Als Eltern plötzlich Lehrer spielten

Unterricht im Corona- Lockdown: Wie Eltern das Home-Schooling meisterten, welche Herausforderungen die Lehrer hatten, wie die Kinder darunter litten und vielleicht daraus profitierten. Was das Schulsystem daraus lernen kann.

Von einem Tag auf den anderen war alles neu: Ab 16. März durfte jedes Kind im Pflichtschulalter dem Unterricht in der Schule fernbleiben, die meisten nützten das. Ab dem ersten Tag mussten Eltern als Pädagogen fungieren, die Lehrer gaben die Anweisungen an Kinder und Eltern. Manchmal in Wohnungen oder Häusern, die für beide Elternteile auch zum Home Office wurden. Wie etwa bei Familie H. aus Niederösterreich, deren Söhne Viktor (8) und Fabian (10) sich das Kinderzimmer teilen. Im Normalfall reicht das halbwegs, die Wohnung hat eine Terrasse, es gibt Grünraum, beide gehen in dieselbe Volkschule, werden nachmittags betreut. „Ab Mitte März hatten wir ein Problem“, erzählt Vater Herbert. Den Buben fehlte ein Arbeitsplatz, es gibt nur einen Laptop im Haushalt. Zum Glück stellten die Nachbarn den Buben einen Raum ihrer Wohnung zur Verfügung, wo die beiden im Schichtbetrieb ihren schulischen Verpflichtungen nachkamen.

Aufträge für die Osterferien

Dieselbigen waren allerdings nicht immer klar. „Die Klassenlehrerin von Viktor schickte zu Beginn vier Mails pro Woche mit Aufträgen, erst nachdem ich mich darüber beschwert hatte, wurde das besser.“ Auch Fabians Lehrerin übertrieb anfangs, „aber bei ihm war der Druck nicht so groß, weil seine Gymnasiumsreife schon vor der Corona-Zeit festgestanden war.“ Dass aber regelmäßig freiwillige Zusatzaufgaben (sogar über die Osterferien) gestellt wurden, sorgte bei Eltern und Kindern für Stress. „Man wusste ja nicht, wie viele andere Kinder das auch machen, hatte dann ein schlechtes Gewissen, wenn man nicht darauf bestand, dass diese erfüllt werden.“ Aber natürlich sei es für die Lehrer auch schwierig, in dieser Ausnahmesituation zu arbeiten und ständig neuen Anweisungen der Behörden gerecht zu werden.

Eine „soziale Katastrophe“

Der öffentlich Bedienstete konnte nur einmal pro Woche im Home Office arbeiten, Andrea H. arbeitete hingegen nicht fulltime und mit flexiblen Zeiten: Die Betreuung der beiden Volksschüler zuhause war sichergestellt. Allerdings kamen diese unterschiedlich mit der Situation zurecht: Fabian, der ältere, war immer schon selbstständiger und konsequent, der achtjährige Viktor hingegen tat sich seit jeher schwer, sich länger zu konzentrieren und zu motivieren sowie still zu sitzen. Dementsprechend hat Fabian laut Meinung seines Vaters vom Homeschooling auch etwas profitiert, kann jetzt mit vielen Programmen umgehen. Allerdings: „Vom Sozialen her war diese Zeit für beide eine Katastrophe, sie haben ihre Freunde sehr vermisst und das Wetter war in diesen Wochen meist gut, man durfte aber keine Spielplätze benützen.“ Dass es ab Mitte Mai wieder regelmäßigen Schulbetrieb gab – wenn auch auf Sparflamme – sei höchste Zeit gewesen, „die Buben wollten einfach nicht mehr zuhause sein.“

Kein Problem in der PC-Klasse

Alexander W. aus Graz fand die Corona-Zeit hingegen ziemlich cool, erzählt seine Mutter Edith. Der 15-Jährige besucht die 5. Klasse eines Gymnasiums, eine PC-Klasse. Selbst im regulären Unterricht läuft das meiste online und via Moodle ab. „Die Instruktionen der Schule hätten besser sein können“, meint sie aber. Zu Beginn kamen von jedem Lehrer einzeln die Aufträge, PDFs, Worddateien, Powerpoint, Links zu Lernplattformen und Filmen, sowohl für Alexander als auch für seine 12-jährige Schwester Marina. Alexander brauchte keinen technischen Support, doch die Eltern mussten den Kindern täglich bis zu drei Stunden bei den Aufträgen helfen. Besprechungen mit den Lehrern via Teams wurden angeboten, doch wenige nahmen teil.

Drei Teams-Sitzungen pro Woche

Gleich drei Teams-Sitzungen pro Woche mit Lehrerinnen und Lehrern gab es bei Sophia (14) aus Wien, in Deutsch, Englisch und Mathematik. „Und dazu oft widersprüchliche Aufträge von jedem Lehrer einzeln und mit nicht aufeinander abgestimmten Fristen“, erinnert sich Sophias Vater, Andreas V. Nach den Osterferien schickte der Klassenvorstand Wochenpläne im Excel-Format, die alle Fächer umfassten. Der Arbeitsaufwand insgesamt für die Schüler dieser 4. Klasse Gymasium war allerdings laut Meinung von Andreas V. nicht überbordend, Sophias 12-jähriger Bruder Leonhard hingegen (der ein anderes Gymnasium besucht) hatte viel mehr zu tun, „es war ziemlich chaotisch, die Lehrer haben anfangs weit über das Ziel hinausgeschossen.“

WhatsApp-Gruppen für die Hausübungen

Die Kinder der selben Klasse mussten sich die Infos über den Schulalltag und die Aufträge selbst aus annähernd einem Dutzend Kanälen und Programmen zusammensuchen: Mail an die Kinder, an die Eltern, Website der Schule, Lernplattformen von Verlagen, private Lernplattformen, Youtube, diverse Clouds und mehr. Die Kinder selbst organisierten sich unter dem Motto „Was ist eigentlich Hausübung und wo finde ich sie?“ in Whats-App-Gruppen. Als sich auch die Eltern via WhatsApp austauschten, sich Andreas V. als Klasseneltern-Vertreter einschaltete und die Schule begann, Feedback einzuholen, normalisierte sich die Lage: „Zu Beginn der Corona-Zeit waren die Kinder und wir jeden Tag zwei oder drei Stunden mit den Aufgaben beschäftigt, nach Ostern reichte zumindest für uns Eltern meistens eine Stunde, um alles zu kontrollieren.“

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