Bildung

Besondere Bedürfnisse – Inklusion als Zerreißprobe für Schulen

Warum brauchen Kinder mit besonderem Bildungsbedarf Sonderschulen? Welche Kinder sind überhaupt vom sonderpädagogischen Förderbedarf betroffen? Und welche Vor- und Nachteile hat das Prinzip der Inklusion?

Inklusive Klassen bieten vielfältige Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf.

In den Debatten rund um das Thema Inklusion und Menschen mit besonderem Bildungsbedarf wird vieles oft pauschal in einen Topf geworfen: so genannte erziehungsschwierige, verhaltensauffällige Kindern ebenso wie Kinder mit Behinderungen oder solche mit Rechen- schwächen oder Legasthenie. Grund genug, einen Blick darauf zu werfen, was Inklusion und sonderpädagogische Förderung überhaupt meinen. Und von welchen zu integrierenden Kinder wir grundsätzlich sprechen.

Sonderpädagogischer Förderbedarf – welche Kinder betroffen sind
War früher oft pauschal von Behinderungen die Rede, spricht man heutzutage – gerade im schulischen Kontext – vom sonderpädagogischen Förderbedarf. Ob ein solcher vorliegt, wird entweder auf Antrag der Eltern oder von Amts wegen über die Bildungsdirektion festgestellt. Laut Österreichischem Schulpflichtgesetz liegt er dann vor, wenn Schülerinnen infolge einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen dem regulären Unterricht nicht folgen können. Unabhängig vom Ausmaß der Behinderung können Eltern entscheiden, ob ihr Kind an einer Sonder- oder Regelschule unterrichtet wird. Die Sonderschule umfasst zehn Sparten mit jeweils neun Schulstufen, wobei die letzte Schulstufe als Berufsvorbereitungsjahr dient. Ein Sonderschulbesuch ist derzeit maximal zwölf Schuljahre lang möglich. Sonderschulen gibt es für Blinde, Gehörlose, Sehbehinderte, Sprachgestörte, Körperbehinderte, Hörgeschädigte sowie für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf und erziehungsschwierige Kinder. Letztere haben die Möglichkeit eine so genannte Sondererziehungsschule zu besuchen. Teilleistungsschwächen wie Lese- oder Rechenschwächen stellen keine Behinderungen im Sinne eines sonderpädagogischen Förderbedarfs dar.

Eine heterogene Schülerschaft benötigt differenzierte Unterrichtsmethoden sowie speziell geschultes Lehrpersonal.

Eine Schule für alle – oder was meint eigentlich Inklusion?
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert Inklusion als gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Damit erhebt sie Inklusion zum Menschenrecht. Bezogen auf Schule und Bildung meint Inklusion im Grunde Integration. In Österreich haben Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Möglichkeit, in inklusiven Volksschulen, Mittelschulen, Unterstufen der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS), Polytechnischen Schulen und einjährigen Haushaltungsschulen unterrichtet zu werden. Inklusiver Unterrichts in einer Regelschule beruht auf gemeinsamen Lernerfahrungen und sozialer Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit UND ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Trotz des weltweiten Trends in der Pädagogik hin zur Inklusion schaut es in der Praxis oft anders aus. Entwicklungen dahingehend, dass Sonderschulen und damit auch die Sonderrolle von Kindern mit Behinderungen zunehmend der Vergangenheit angehören, verlaufen zögerlich. Von den 5 % aller Pflichtschülerinnen in Österreich mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden immer noch 36,9 % in einer der 287 Sonderschulen oder in Sonderklassen unterrichtet (Statistik Austria, Schuljahr 2018/19).

Bessere Lernbedingungen oder Nachteile für alle?
Die Diskussion um die Umsetzung von Inklusion wird mitunter sehr emotional geführt. Dass Sonderschulen für Kinder mit besonderen Bedürnissen jedenfalls der bessere Weg seien, ist empirisch nicht belegt. Ebenso wenig wie die vielfache Behauptung, dass Kinder mit Behinderung das Lerntempo der anderen bremsen. Die Forschung sagt nämlich, dass unterschiedliche Voraussetzungen der Schülerschaft in einer Klasse für die Entwicklung der Leistungen nicht entscheidend sind. Es gilt als erwiesen, dass inklusive Klassen mit ihren komplexeren sozialen Situationen vielfältigere Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten für alle Kinder bieten. Worüber sich die Expertinnen einig sind: Damit schulische Inklusion als Bereicherung für alle Kinder praktiziert werden kann, braucht es entsprechende Strukturen, Ressourcen sowie differenzierte Unterrichtsmethoden, die auf die zunehmende Vielfalt der Kinder Rücksicht nehmen.

Tatsache ist: Inklusion läuft nicht an allen Schulen gut. Ein ganzheitlicher Unterricht in regulären Schulen ist mangels Personal, Infrastruktur oder zu großen Klassen in der Praxis vielfach schlichtwegs nicht umsetzbar. Nicht umsonst verweisen Pädagoginnen auch immer wieder darauf, dass Sonderschulen jene geschützten Orte seien, in denen speziell geschulte Lehrkräfte auf die besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen bestmöglich eingehen können. Nicht zu vergessen: Behinderung sei nicht gleich Behinderung. Studien belegen, dass beispielsweise Kinder mit Schwierigkeiten im Lern- und Verhaltensbereich oftmals höhere Anforderungen an die Regelschule stellen als Lernende mit einer Behinderung. Generell kann gesagt werden: Gerade weil Inklusion oft nicht gut gelingt, entsteht häufig der Eindruck, es sei der falsche Weg. So behaupten Befürworter aus der Forschung: Inklusion verlangt von allen Beteiligten einiges ab, aber die Einführung von Schul- und Unterrichtskonzepten des gemeinsamen Lernens kann eine Flexibilität bringen, die am Ende allen zu Gute komm.

Menschen mit Berhinderung werden nach dem Prinzip der Inklusion zunehmend in Regelklassen integriert.

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