Das Mädchen mit den Sommersprossen
Von der Regierung Trump wurde es aus Schulen verbannt, nun erscheint das Kinderbuch von Schauspielerin Julianne Moore auf Deutsch. Es erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens mit rotem Haar und Selbstzweifeln.

Die größten Dramen spielen sich mitunter im Kleinen ab. Viele haben das, mühsam irgendwie erwachsen geworden, als Große bald vergessen oder verdrängt. Nicht so Julianne Moore. Die beliebte US-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin (2015 für „Still Alice“) hat die schwierige Zeit als kleines Kind mit rotem Haar und Sommersprossen deshalb in einem Kinderbuch aufgearbeitet. Vermutlich weniger für sich selbst, als für nachgeborene Kinder, denen es ähnlich ergeht wie dem kleinen namenlos bleibenden Mädchen im Bilderbuch, die auf ihr Äußeres reduziert und gehänselt werden. Die kleine Titelheldin wird von Gleichaltrigen „Streuselnase-Erdbeerkopf“ gerufen. Im englischen Original heißt sie „Freckleface-Strawberry“. Das Bilderbuch zum Vorlesen, erstmals 2007 erschienen, wurde zum Bestseller. 2013 gab es eine Fortsetzung („Best Friends Forever“) und auch zu einem Off-Broadway-Musical hat es das kleine Mädchen mit den Sommersprossen und dem großen Identifikationspotenzial geschafft. Die Geschichte selbst ist gleichermaßen entzückend wie erwartbar: Nach anfänglichem Zweifel und mangelndem Selbstwert lernt es „Streuselnase-Erdbeerkopf“, sich nicht für ihr Äußeres zu genieren, zu verstecken oder gar zu verleugnen, sondern ihr Aussehen anzunehmen. Sie entwickelt Selbstbewusstsein. „Das ist meine Autobiographie“, bekannte Julianne Moore im Frühjahr 2025 in einem Interview, nachdem das Buch Anfang des Jahres beinahe zwanzig Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen plötzlich und völlig unerwartet zum Politikum geraten war.
Vorwurf der „radikalen Indoktrination“
Die Polarisierung in den USA ist nichts Neues. Das Ausmaß des Kulturkampfs der republikanischen Rechten erreichte mit dem neuerlichen Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident aber eine neue Dimension. Gemeinsam mit 600 anderen Büchern landete „Freckleface-Strawberry“ auf der Liste der verdächtigen Publikationen und wurde aus den Bibliotheken der dem US-Verteidigungsministerium unterstellten Schulen in den USA und im Ausland sortiert. Der Vorwurf bzw. Verdacht lautet: „radikale Indoktrination“. Derzeit seien die Bücher „under review“, wie es seit Monaten heißt. „Ich hätte nie gedacht, das in einem Land zu erleben, in dem die Redefreiheit in der Verfassung festgeschrieben ist“, äußerte sich Julianne Moore in einem Posting. Tatsächlich wird in den USA unter dem kulturkämpferischen Feindkonstrukt DEI („Diversity, Equity and Inclusion“) mittlerweile alles bekämpft und als „unamerikanisch“ angefeindet, was irgendwie mit Gleichberechtigung, LGBTQ+-Rechten und Rassismusbekämpfung zu tun hat. Dass nun sogar kleine Mädchen mit Sommersprossen als Bedrohung empfunden werden, passt ins durch und durch chauvinistische Bild, das die USA 2025 abgeben. Unter den verbannten Kinderbüchern ist neben dem von Julianne Moore auch „No Truth For Ruth“ von Kathleen Krull über die prominente liberale feministische Juristin Ruth Bader Ginsburg. Der Masterplan der reaktionären Wende ist offensichtlich: Ultrarechte möchten die USA in eine Gesellschaft verwandeln, in der Frauen ihr Leben als „Tradwifes“ der Familie widmen und sich jedenfalls maskulinen Idealen unterordnen. Unter Andersdenkenden geriet das aus den Schulen des Verteidigungsministeriums verbannte „Freckleface-Strawberry“ deshalb zum Bestseller.

Übersetzung als Protest gegen die Verbannung
Auch der Berliner Schaltzeit Verlag erachtet seine Übersetzung als politisches Statement: „Es ging mir vor allem um eine Reaktion auf den Bann, mit der wir zeigen, wie wir auch als relativ kleiner Verlag mit unseren bescheidenen Mitteln gegen die Diskriminierung von Büchern und Menschen protestieren können“, erklärt Andreas Illmann, dessen Verlag für seine Comics, Graphic Novels und Kinderbücher bereits dreimal mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet wurden.
Polarisierung und Bestseller auch in Österreich
Dass rechtsradikale Politiker gegen Kinderbücher wettern, weil diese zeitgemäße Rollenbilder und Aufklärung zum Thema haben, kommt auch in Österreich vor. Seit 2020 erscheinen im Wiener Achse Verlag Kinderbücher zum Thema Diversität. „Dass diese polarisieren, ist auch im deutschsprachigen Raum nichts Neues“, sagt Verleger León Schellhaas. „Gerade im anonymem Internet oder aus bestimmten politischen Richtungen kommt die Kritik oft besonders laut daher. Konkrete Eingriffe von offizieller Stelle haben wir aber – bisher – nicht erlebt“, sagt Schellhaas. Vor einigen Jahren wurde das von ihm verlegte Kinderbuch „Bruno will hoch hinaus“ massiv von der FPÖ angegriffen. Die Partei kritisierte, dass ein Kinderbuch über Körperpflege, Anatomie, Gesundheit und Körperpositivität vom Bund und der Stadt Wien gefördert wurde und beanstandete die „Frühsexualisierung von Kindern“. Wobei Verleger Schellhaas gelassen blieb: „An individuellem Feedback und den Buchverkäufen merken wir deutlich, wie groß der Wunsch nach zeitgemäßen Themen ist – auch und vor allem im Kinderbuch.“ Bruno wollte tatsächlich hoch hinaus. Das Buch wurde zum Bestseller. Auch dank der FPÖ.
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