Bildung

Das Prinzip Nachhilfe

Ein Viertel der heimischen Schüler nimmt professionelle Nachhilfe in Anspruch, um in der Schule zu bestehen. Das wirft nicht unbedingt das beste Licht auf das Bildungssystem.

Die Semesterzeugnisse sind verteilt, der Run auf die Nachhilfeinstitute geht wieder los. Immerhin knapp ein Viertel aller heimischen Schüler nehmen im Laufe eines Schuljahres Nachhilfe in Anspruch, den Gesamtbedarf beziffert die Arbeiterkammer im aktuellen Nachhilfebarometer gar mit 28 Prozent – mit einberechnet sind dabei auch jene 39.000 Schüler, deren Eltern den Bedarf an professioneller Unterstützung zwar erkennen, ihn sich aber schlicht nicht leisten können. Zahlen, die vor allem eines deutlich machen: Das Prinzip Nachhilfe ist fixer Bestandteil unseres Schulsystems. Aber warum ist das so? Welche Aufgabe übernimmt Nachhilfe genau? Und wie kann Wissensvermittlung innerhalb der Schule besser funktionieren?

Anteil an Volksschülern steigt

Konrad Zimmermann, Gründer des Nachhilfeinstituts Lernquadrat, wundern diese Zahlen jedenfalls nicht. Er kennt beide Seiten, war selbst lange Lehrer, bevor er gemeinsam mit seiner Frau sein Institut gründete, und stellt dem System Schule heute nicht die besten Noten aus. „Die Junglehrer sind in der Regel sehr engagiert, aber die Rahmenbedingungen stimmen einfach nicht. Gleichzeitig stehen die Schüler unter enormem Druck. Das beginnt schon in der dritten Klasse Volksschule.“ Darauf weisen auch die Ergebnisse des Nachhilfebarometers hin. Besonders stark angestiegen ist demnach nämlich der Anteil der Volksschulkinder – er hat sich gegenüber 2017 auf 14 Prozent sogar mehr als verdoppelt. Aber woran liegt das? Zimmermann: „Die große Aufgabe des Schulsystems ist, die Verschiedenartigkeit der Kinder endlich anzuerkennen. Lernen ist etwas Lustvolles, das wird den Kindern aber innerhalb von zwei Jahren abtrainiert. Umgekehrt heißt das aber natürlich auch: Wir stehen an einem Punkt, an dem wir ein unvorstellbares Potenzial haben, Lernprozesse besser zu gestalten. Man müsste nur langsam damit anfangen.“

Nachhilfeinstitute als Schulmanager

Lange war es üblich, dass Schüler zur Nachhilfe gingen, wenn eine Entscheidungsprüfung anstand oder die Versetzung in Gefahr war. Zimmermann beobachtet hier eine Trendwende: „Seit gut zehn Jahren kommen die Eltern auch mit Kindern, die Dreier im Zeugnis haben, zu uns. Das gab es früher nicht.“ Und weiter: „Mein Ziel war es eigentlich immer, dass ich nicht gebraucht werde. Heute ist es aber so, dass wir in vielen Fällen das komplette Schulthema managen.“ Die Eltern – häufig alleinerziehend oder beide berufstätig – haben nicht die Kapazitäten, die Kinder in ihrer Schulkarriere adäquat zu begleiten. „Es gibt Kinder, die von der Volksschule bis zur Matura im Abo zu uns kommen.“ Dazu passt auch, dass Kinder von Alleinerzieherinnen deutlich häufiger zur Nachhilfe gehen als der Durchschnitt, obwohl gerade sie, statistisch betrachtet, die geringsten finanziellen Mittel haben.

Erster Schritt: Ursachensuche

Sind die Noten nun einmal schlechter als erwünscht, sollten Eltern jedenfalls erst einmal entspannt durchatmen, statt vorschnell in Panik zu geraten. Druck und Strafen sind kontraproduktiv, wichtiger ist eine ehrliche Ursachensuche gemeinsam mit dem Kind. Liegt es am Stoff, oder gibt es andere Probleme in der Klasse? Fehlt die Motivation oder eher die richtige Lerntechnik? Sucht man professionelle Unterstützung bei einer Nachhilfe, sollte zu Beginn jedenfalls ein ausführliches Gespräch stehen, das die Grundlage für die weiteren Schritte bietet. Denn das Wichtigste ist, das Kind wirklich zu sehen, Vertrauen zu ihm aufzubauen und gemeinsam einen Lernweg zu finden, der zu ihm passt. Glückt das, klappt es meist bald auch wieder mit den Noten.

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