Familienfreundliche Unternehmen vor den Vorhang!
Kind und Karriere unter einen Hut bringen? Frauen erzählen, wie ihnen das gelingt: Mit einem Arbeitgeber, der maximale Flexibilität gewährt und nicht die Nase rümpft, wenn das Kind mal krank ist.
Wären da nicht die vielen Wochen Ferien im Schuljahr. Gäbe es keine verstopften Kinder- nasen und keine Magen-Darm-Viren. Stünden Oma und Opa oder andere Babysitter unbegrenzt zur Verfügung. Dann wäre die Sache mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie um einiges einfacher. Weil Schulen (und Kindergärten) schließen, Kinder oft krank werden und Großeltern nicht immer greif- bar sind, stellen sich viele Familien – und in ihnen vor allem die Frauen – Tag für Tag die große Frage: Wie kriegen wir bloß alles unter einen Hut? Viele erwerbstätige Mütter, unter ihnen Chrissy Dreher-Verboven, würden auf diese Frage wahrscheinlich so antworten: Mit einem Arbeitgeber, der viel Flexibilität gewährt und Verständnis für familiäre Verpflichtungen aufbringt, ist schon viel gewonnen. Chrissy, Mutter eines 12-jährigen Sohnes, arbeitet 32 Wochenstunden als Assistentin der Geschäftsführung im IT-Unternehmen ‚All for One Customer Experience‘ und sagt: „Weil mein Unternehmen viel Rücksicht nimmt, gelingt es mir gut, Beruf und Familie zu vereinbaren.“
Eva-Maria Schmidt, Österreichisches Institut für Familienforschung
Wochenstunden anpassen
Mit Zertifizierungen wie dem staatlichen Gütezeichen ‚berufundfamilie‘ können Unter- nehmen ihr Engagement in Sachen Vereinbarkeit ganz offiziell vor den Vorhang holen. Der Auszeichnung geht ein Prozess voraus, in dem das Unternehmen anhand eines Stufenmodells entsprechende Maßnahmen erarbeitet. „Diese sind sehr umfassend“, sagt Eva-Maria Schmidt, Soziologin am Öster- reichischen Institut für Familienforschung, „und reichen vom Mittagessen, das man für die Familienmitglieder von der Arbeit nach Hause nehmen kann, über ein Paket zur Geburt eines Kindes bis zur Etablierung von Teilzeitstellen.“ Während der Strampler zur Geburt ein nettes Goodie ist, sind es Maßnahmen wie maximal flexible Arbeitszeitmodifikationen, die sich wirklich stark auswirken. Also einerseits die Möglichkeit zu haben, beliebig viele Stunden zu arbeiten und nicht nur zwischen einer 20- und einer 40-Stunden-Anstellung wählen zu können. Andererseits die Stundenanzahl an die familiären Bedürfnisse immer wieder anpassen zu können.
Chrissy Dreher-Verboven, Mutter eines 12-jährigen Sohnes
Auch Männersache
Was familienfreundliche Unternehmen noch auszeichnet: „Wenn klar ist, dass das Management dahinter steht und man nicht das Gefühl hat, die Kollegen müssen es schultern, wenn man wegen der Familie ausfällt.“ Eva-Maria Schmidt betont, dass die Frage von Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht nur Frauen betrifft, auch wenn es im öffentlichen Diskurs häufig diesen Anschein hat. „Wir sind daran gewöhnt, dass das als Frauenthema gehandelt wird.“ Als wäre es allein Sache der Frau, wie man Kind, Karriere und Haushalt unter einen Hut bringt, während der Mann davon unbeeindruckt seiner Vollzeitarbeit nachgehen kann. Echte Vereinbarkeit werde dort gelebt, wo Frauen und ihre Partner die Hauptverantwortung für die Fürsorge und das Wohlergehen für die Kinder miteinander teilen. Nicht nur ausgebaute Kinderbetreuungseinrichtungen, die Möglichkeit zum Homeoffice oder familienfreundliche Unternehmenskultur, helfe erwerbsarbeitenden Frauen am allermeisten. Sondern Männer, die ihren Anteil der Care-Arbeit zu Hause übernehmen.
Marlies Eckelhart, Mutter zweier Kinder, 7 und 11
Beruf und Familie: Zwei unterschiedliche Systeme
Was erwerbsarbeitende Mütter und Väter laut Eva-Maria Schmidt beim Ringen um Vereinbarkeit immer im Hinterkopf behalten sollten: „Beruf und Familie sind zwei Systeme, die jeweils einer völlig unterschiedlichen Logik folgen.“ Während sich Arbeitnehmer – im Idealfall – nach Feier- abend mental nicht mehr mit ihrem Job beschäftigen müssen, geben Eltern die Verantwortung für ihr Kind nicht einfach bei Dienstbeginn am Morgen ab. Und das, meint Schmidt, könne sich – auch im fami- lienfreundlichsten Unternehmen und bei bester außerfamiliärer Kinderbetreuung – hin und wieder spießen.
Britta Brehm-Cernelic, 4 Kinder zwischen 12 und 19.
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