Gefangen in den digitalen Welten
Wenn Freunde und Schule vernachlässigt werden und sich das Kind immer mehr in virtuelle Welten flüchtet, könnte es sich um Internetabhängigkeit handeln. Woran man sie erkennt – und was Eltern dagegen tun können.

Stundenlange Spiele am Laptop oder PC, permanente Chats via Smartphone oder das schier unendliche Surfen in sozialen Netzwerken – in vielen Familien ist es, gerade jetzt, wo die Schule wieder begonnen hat, ein oft täglicher Streitpunkt. Mama und Papa möchten die Kids auch mal ohne Handy und Laptop sehen, die wiederum möchten ihre Zimmer gar nicht mehr verlassen, um sich in ihren vertrauten digitalen Welten aufhalten zu können.
Digitale Problemlöser
Zu Birgit Ursula Stetina kommen alljene, bei denen die anfängliche Freude an der Onlinewelt zur belastenden Abhängigkeit geworden ist. Die Psychologin, Gesundheitspsychologin und forensische Psychologin leitet den Fachbereich Klinische Psychologie an der Fakultät für Psychologie der Sigmund Freud PrivatUniversität (SFU) Wien. Sie ist Vorständin der dort angesiedelten psychologischen Universitätsambulanz und auf die klinische Begutachtung und Diagnostik der psychologischen Wirkungen von Internet- und Computerspielen spezialisiert: „Für manche Kinder und Jugendliche kann die Mediennutzung beziehungsweise die Flucht aus der realen in die Online-Welt auch eine, teils kurzfristige, Lösung für ein Problem in ihrer unmittelbaren Lebenswelt, wie Schule oder zu Hause, darstellen. In der Online-Welt meinen sie jene Anerkennung zu finden – die sie womöglich in der realen Welt vergeblich suchen – und steigern somit ihr Selbstwertgefühl.“
Begleiter für Eltern
Mit ein Grund, weshalb A1 in Kooperation mit der Sigmund Freud Uni im Rahmen der Initiative „A1 Internet für Alle“ einen Ratgeber zum Aufwachsen in der digitalen Welt herausgebracht hat, der Eltern über die Chancen aber auch die Risiken des Internets informieren soll. Neben Alarmsignalen an denen man eine Internetabhängigkeit erkennt, werden darin Tipps gegeben, damit es gar nicht erst zu einem ungesunden Konsum digitaler Medien kommt. Die wichtigsten Regeln: Kreativität fördern, Neugierde wecken, aktiv begleiten und verantwortungsbewusst gestalten, aber auch Grenzen setzen und Warnzeichen rechtzeitig erkennen.

Ein Vorbild sein
Maßnahmen, die auch Birgit Ursula Stetina empfiehlt. Das Wichtigste: dass Eltern immer Vorbilder sind. Wer selber stundenlang am Handy hängt oder sich mit Computerspielen befasst, kann dem Nachwuchs schwer vermitteln, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. „Für Kinder, die ihre Eltern von klein auf online erleben“, erläutert die Expertin, „wird das Online-Sein zu etwas Selbstverständlichem im Leben. Die Folgen sind sinkende Konzentrationsfähigkeit und die ständige Angst, etwas zu verpassen. Überprüfen Sie daher Ihre eigenen Mediengewohnheiten, denn Kinder brauchen medienkompetente Vorbilder.“ Die Psychologin rät, dass man für die Gestaltung der medienfreien Zeit Inspiration für das Kind ist und attraktive Alternativen zum Handy oder Computerspielen anbietet.
Kreativ werden
Birgit Ursula Stetina: „Zeigen Sie dem Kind andere Möglichkeiten auf, wie es sich alleine oder in der Familie beschäftigen kann, etwa mit Lesen, Gesellschaftsspielen oder Aktivitäten im Freien.“ Außerdem sollte man vorleben, wie man digitale Geräte kreativ einsetzen kann – etwa, um Filme zu drehen, Fotos zu machen oder mit dem Smartphone zu lernen. Schlussendlich gilt für den Gebrauch digitaler Medien und des Internets das, was auch in vielen anderen Lebensbereichen Gültigkeit hat: Die Dosis macht das Gift.
Info und Beratung
„Wenn Spaß zur Abhängigkeit wird.“ Der A1-Ratgeber kann kostenlos bestellt werden.
Einfach eine E-Mail an internetguide@A1.at schicken.
Psychologische Universitätsambulanz der SFU
Im Rahmen einer kostenfreien Anmeldung wird gemeinsam mit Betroffenen/Angehörigen die Situation analysiert und weitere Handlungsschritte besprochen.
Kontakt:
+43 (0)1 798 40 98 / 370
psyambulanz@sfu.ac.at
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