Familienleben

Gut vorbereitet für den Krisenfall

Blackouts, Lockdowns und Hitzesommer – wie bereite ich meine Familien auf Extremsituationen vor (ohne mich dabei verrückt zu machen)? Prepping-Experte Sven Grabau über Notfallapotheke, Konservendepots und sein Ratgeberbuch „Prepping für Familien“

Inwiefern unterscheidet sich die Vorbereitung – das Prepping für Notfälle und Extremsituationen – für Familien mit Kindern zu den Vorbereitungen von Haus- halten ohne Kinder?

Sven Grabau: Bei der Vorbereitung ist es wichtig, nicht nur an sich selbst zu denken. Als Familie gehören die Kinder natürlich mit in die Planungen einbezogen. Sie sind besonders schutzbedürftig und können sich in Notsituationen nicht wie Erwachsene helfen. So kann es auch mit älteren Angehörigen sein. Aber auch das nähere Umfeld sollte in die Überlegungen mit einfließen. Gibt es hilfsbedürftige Menschen in der Nachbarschaft, die sich selbst schwer helfen können? Dabei muss es bei der Notsituation nicht gleich eine Extremwetterkatastrophe sein. Viele Unfälle passieren im eigenen Haus- halt, oder auf dem Schulweg. Kleinere Blutungen aufgrund von Stürzen oder Küchenunfälle sollten schnell und eigenständig behandelt werden können.

Welche Krisenszenarien sind denn in Ihren Augen die wahrscheinlichsten und wie bereitet man sich vor – beispielsweise auf einen Stromausfall, Extremwetter oder eine weitere Pandemie – ohne sich verrückt zu machen?

Als erstes gilt es einen sachlichen Überblick über die individuelle Gefahrenlage zu erhalten. Was sind in meiner unmittelbaren Wohnumgebung mögliche Szenarien. Lebe ich etwa an einem Fluss und besteht bei Starkregen das Risiko von Hochwasser? Ein guter Startpunkt dafür sind die lokalen Behörden. Hier sind oftmals konkrete Wassergefährdungskarten und andere Informationen erhältlich. Es lohnt sich auch mit Nachbarn über vergangene Ereignisse zu sprechen und Nachrichtenarchive im Internet abzurufen. Auf diese Szenarien gilt es sich dann vorzubereiten. Darüber hinaus ist eine gewisse Grundvorbereitung zu empfehlen. Viele haben bereits Lebensmittel und abgefülltes Trinkwasser im Haus. Neben dem sollte der Brandschutz überprüft werden. In vielen Haushalten findet sich kein Feuerlöscher, oder dieser ist bereits uralt. Ebenso Pflicht ist ein gut sortierter und schnell erreichbarer Verbandskasten. Oft wird auch der Versicherungsschutz vernachlässigt, werden so unnötig existenzielle Risiken eingegangen. Beispielsweise sollten die Hausrat- und Wohngebäudeversicherungen auch Elementarschäden umfassen und alle zwei, drei Jahre hinsichtlich der Versicherungsbedingungen überprüft werden. Im Krisenfall kommt der Dokumentenmappe einer besonderen Bedeutung zu. Sie weist den eigenen Besitz, mögliche Ansprüche und die eigene Identität nach. Erst wenn diese Grundvorausetzungen geschaffen sind, sollte über eine Erweiterung der Vorsorge nachgedacht werden. Diese umfasst dann in erster Linie die Ausweitung von Trinkwasser- und Nahrungsmittelvorräten, sowie die Anschaffung von Equipment, dass sich auf die zuvor ermittelten Risikoszenarien bezieht.

 

Die weltweite Pandemie 2020 mit Lockdowns oder auch Panikkäufen ist sicher eine der größten weltweiten Krisensituationen der vergangenen Jahre. Sie schreiben in ihrem Buch: „Die Welt wird nicht untergehen. Es wird schlimmstenfalls aufgrund des Klimawandels etwas schwieriger werden auf ihr zu leben.“ Haben Sie den Eindruck, dass die Bevölkerung heute besser auf Krisen vorbereitet ist als noch 2020?

Einem Großteil der Bevölkerung wird bewusst sein, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Krisenfällen erhöht hat. Die Frage ist, welche individuellen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Auf der einen Seite sind viele offener für
das Thema Prepping geworden und befassen sich damit. Sie bauen schrittweise Vorräte auf, haben  Unwetterwarnungen im Blick und finden sich in Notsituationen besser zurecht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele, die sich mit der allgemeinen Nachrichtenlage überfordert fühlen und sich diesbezüglich keine Gedanken über vermeintlich negative Dinge machen möchten.

Ihr Buch liefert auch zahlreiche praktische Checklisten für Notfälle und Extremsituationen. Was sollten Familien mit Kindern immer griffbereit haben?

Jedenfalls eine gut sortierte, auf Kinder abgestimmte Hausapotheke. Nicht nur, damit der Weg in der Nacht zur Notapotheke erspart bleiben kann. Dadurch wird möglichen Lieferproblemen, wie jüngst bezüglich Erkältungsmitteln und Fiebersäften, vorgesorgt. Auch der eigene Lebensmittelvorrat sollte individuell auf jedes Familienmitglied abgestimmt sein. Säuglinge benötigen vielleicht Milchpulver und Gläschen-Nahrung. Kleinere Kinder sind oft sehr wählerisch und eingeschränkt beim Speiseplan. Gerade das, was gemocht wird, sollte ausreichend zur Verfügung stehen. Neben der materiellen Vorbereitung sind zudem Pläne hilfreich. Kommt es beispielsweise zu einem größeren Stromausfall stellt sich die Frage, wie die Familienzusammenführung gelingen kann. Die Kinder sind vielleicht zu dem Zeitpunkt an unterschiedlichen Schulen oder auf Schule und Kindergarten verteilt  und beide Elternteile auf der Arbeit. Wer versucht wen abzuholen und wie verhalten sich Schule und Arbeitgeber in einer solchen Situation? Das gilt es im Vorfeld herauszufinden.

Wie viel Platz und Zeit nimmt ein solides Prepping für die Familie in Anspruch?

Das deutsche Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat in einer Studie aus dem Jahr 2019 herausgefunden, dass Platzmangel eines der großen Hemmnisse für die persönliche Vorsorge ist. Vor allem in Ballungsräumen ist der Wohnraum knapp, daher sind viele weniger gut vorbereitet als in ländlichen Regionen. Bei wenig Stauraum gilt es die Vorsorge mit Bedacht und Kreativität anzugehen. Insbesondere Konservendosen benötigen viel Platz. Reis ist da die bessere Alternative bei größerer Kaloriendichte. Wer gerne Nudeln bevorraten möchte, greift auf Spaghetti statt anderer Nudelsorten zurück. Wieviel Zeit für das Prepping aufgebracht wird, ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Wer keine Zeit hat, schafft sich Wasser und Reis für 10-14 Tage mit einem Einkauf an und ist bereits um einiges besser aufgestellt als vorher.

Was raten Sie Familien, die sich z.B. auf immer wahrscheinlich werdende Hitzeperioden während der Sommer- monate vorbereiten wollen?

Vor allem Kleinkinder und Senior*innen haben bei Hitzewellen Schwierigkeiten. Sie haben eine  schlechtere Wärmeregulation und schwitzen weniger. In der Folge kann es beispielsweise zu Ohnmacht, Übelkeit, Dehydrierung oder gar einem Hitzeschlag kommen. Im Falle einer Hitzeperiode sollte man sich in einem kühlen Raum aufhalten; insbesondere in der Mittagszeit. Auch ohne Sonnencreme sollte das Haus nicht verlassen werden. Kinder können mit UV-Kleidung und Hut geschützt werden. Außerdem sollte ihnen stündlich etwas Wasser zu trinken angeboten werden, damit es nicht zur Dehydrierung kommt. Wer Angehörige in einem Altenheim hat, kann das Bewohnerzimmer hinsichtlich Klimaanlage oder Sonnenschutz vor den Fenstern überprüfen.

 

Und ganz speziell in Hinblick auf Kinder: Lässt sich Prepping innerhalb der Familie spielerisch üben und einen gesunden Umgang mit möglichen Krisensituationen erlernen?

Es gibt viele Erste-Hilfe-Kurse, bei denen auch Kinder teilnehmen dürfen. Hier kann die Anwendung von Verbandsmaterial und das Verhalten in Notsituationen erlernt werden. Wichtig ist zudem, dass alle Familienmitglieder wissen, was für die Vorsorge angeschafft wurde und wo die Dinge zu finden sind. Hilf- reich ist auch eine Liste mit Notfalltelefonnummern, die an einem festen Platz im Haushalt hinterlegt ist. Vom Nachspielen größerer Krisensituationen rate ich tendenziell eher ab, da das schnell unnötig Angst auslösen könnte.

„Vom Nachspielen größerer Krisensituationen rate ich tendenziell eher ab, da das schnell unnötig Angst auslösen könnte.“

Sven Grabau Prepping-Experte und Blogger

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