Erziehung

Hilfe – mein Kind wird ordinär!

Wenn Kinder derbe Schimpfworte benutzen, ist das den Eltern meist peinlich. Was steckt hinter diesem Verhalten, und was können Sie dagegen tun?

Richard, 3, kommt vom Kindergarten nach Hause, strahlt seine Mutter Brigitta an und sagt: „Mama, ich will dich ficken.“ Brigitta ist eine ganz Coole. Statt völlig entsetzt über den Ausspruch ihres kleinen Lieblings zu sein, antwortet sie beiläufig: „Ich will das aber nicht.“ Richard verliert sofort das Interesse an der ganzen Sache und verschwindet im Kinderzimmer. Mama Brigitta hat in diesem Fall alles richtig gemacht. Ihr Sohn hat nämlich keine Ahnung, was das F-Wort bedeutet. Er hat es irgendwo aufgeschnappt und die Erfahrung gemacht, dass er damit bei den Erwachsenen massive Aufmerksamkeit erregt. Durch ihre desinteressierte Reaktion hat sie die Situation sofort entspannt. Dieses Verhalten ist allerdings nur bei Kleinkindern angebracht. Für größere Kinder und Jugendliche gilt das nicht.

Warum benutzen Kinder Schimpfworte?

1. Sie finden es lustig.
2. Sie wollen provozieren, sehen, wie die Reaktion der Umwelt ausfällt, und erreichen damit Aufmerksamkeit.
3. Sie sind wütend, verärgert oder verletzt.
4. Sie bekommen es zuhause vorgelebt und finden das daher „normal“.

Wenn Kinder untereinander mit Worten schimpfen, die aus dem eher harmlosen Bereich stammen, können Sie auch einmal weghören. Ein absolutes No-Go stellt allerdings die Beschimpfung eines bestimmten Kindes dar. Dann müssen Sie eingreifen. Kinder, die provozieren möchten, teilen Ihnen damit eigentlich etwas mit: „Ich brauche deine Aufmerksamkeit“, „Ich will, dass du dich mir zuwendest“. Oder sie suchen die Bestätigung und Zuwendung von den anderen Kindern. Denn diese bewundern denjenigen vielleicht dafür, was der sich traut. Reagieren Sie also nicht nur schockiert und empört, sondern verstehen Sie die Botschaft hinter dem Geschimpfe. Natürlich ist dieses Verhalten trotzdem nicht akzeptabel, aber mit Verboten und Aufregung alleine werden Sie nichts erreichen. Kleine Kinder fordern Aufmerksamkeit manchmal mit Hinschlagen ein, weil sie sich noch nicht mitteilen können.

Wenn Kinder ordinär werden, weil sie zornig oder gekränkt sind, sollten Eltern das zunächst verstehen. Und dann nachfragen, was denn passiert ist. In der Folge geht es darum, auf einen bestimmten Vorfall einzugehen, der das Kind aus der Bahn geworfen hat. Dann müssen die Eltern aber vermitteln, dass Gefühle auch anders ausgedrückt werden können als durch Schimpfworte.

Schimpft das Kind einen anderen oder über eine Situation?

Unterscheiden Sie, ob Ihr Kind über eine Situation schimpft oder seinen Ärger auf eine Person richtet. Ein allgemeiner Ausdruck von Wut ist eher zu akzeptieren als die Beleidigung eines anderen. „Heute ist ein echt beschissener Tag“ klingt zwar nicht schön, ist aber angesichts von mehreren Missgeschicken, die das Kind vielleicht schon erlebt hat, nachvollziehbar. „Du blöder Spasti“, „Behinderte Kuh“, „Halt die Goschen, du fette Schlampe“, „Du Schwanzlutscher“ hingegen gehen gar nicht.

Nehmen Sie ordinäres Schimpfen Ihres Kindes ernst, suchen Sie nach Ursachen und reagieren Sie entsprechend. Aber machen Sie keine Tragödie daraus. Seien wir doch ehrlich: Das eine oder andere Schimpfwort ist wohl jedem von uns schon herausgerutscht. Und manchmal kann das ganz schön entlastend sein. Setzen Sie Ihrem Kind vernünftige Grenzen, aber gestehen Sie ihm auch einen solchen Ausdruck von Ärger zu.

10 Tipps für Eltern

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1. Aufmerksamkeit
Verstehen Sie gegebenenfalls einen Wunsch nach Aufmerksamkeit und geben Sie Ihrem Kind die Zuwendung, die es braucht.
2. Gelassenheit
Regieren Sie bei Kleinkindern gelassen oder überhören Sie das Gesagte.
3. Klare Position
Beziehen Sie eine klare Position, welche Ausdrücke auf keinen Fall toleriert werden: rassistische Äußerungen, sexistische Beleidigungen, Diskriminierung von Minderheiten, derbe Ausdrücke über Sexualität, eine grobe Fäkalsprache.
4. Keine persönliche Beleidigungen
Persönliche Beleidigungen sind absolut verboten. Erklären Sie Ihrem Kind, wie sehr es damit einen anderen verletzen kann.
5. Nur fünf Minuten schimpfen
Erlauben Sie Ihrem Kind, fünf Minuten am Tag zu schimpfen. Dafür wird den Rest des Tages darauf verzichtet.
6. Rituale
Schimpfworte werden auf Zettel geschrieben und dann zerrissen oder verbrannt. Kinder lieben solche Rituale.
7. Box untersagter Worte
Stellen Sie eine Box auf, in die Kinder einen Zettel mit dem Schimpfwort hineinwerfen können, das auf keinen Fall ausgesprochen wird.
8. Vorbild
Seien Sie selbst in Ihrer Wortwahl ein Vorbild.
9. Distanz zur Situation
Beteiligen Sie sich nicht daran, wenn in Gegenwart Ihres Kindes über jemanden geschimpft wird. Gibt es tatsächlich etwas Negatives zu sagen, suchen Sie nach anderen geeigneten Worten.
10. Ruhe bewahren
Für jeden Fall: Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen! Und überlegen Sie dann, wie Sie jetzt reagieren.

„Gute Beziehungen baut man nicht mit Schimpfen auf“

Univ.-Prof. Dr.Brigitte Rollett

Universität Wien

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