Bildung

Ich will morgen nicht in die Schule!

Nicht immer ist es eine Magenverstimmung oder die nächste Viruswelle. „Schul-Bauchweh“ kann eine ernste psychosomatische Beschwerde sein, deren Ursachen Eltern auf den Grund gehen sollten.

 

Das ganze Wochenende über waren sie quitschvergnügt, gesund und aktiv. Doch geht es gegen Sonntagabend klagen manche Kinder urplötzlich über Bauchweh oder Kopfschmerzen. Bei manchen stellen sich Unwohlsein oder Übelkeit pünktlich zum Weckerläuten am Montagmorgen ein. Und aus heiterem Himmel sinkt meist auch das Stimmungsbarometer, was sich nicht selten in der einen oder anderen frustigen Äußerung manifestiert, die auf die „blöde und ach so mühsame Schule“ abzielt, in die man – jetzt wo die neue Woche bevorsteht – keinesfalls hinzugehen beabsichtigt. Besonders schwer aus den Puschen kommen manche Kinder nicht nur nach den Wochenenden, sondern auch nach längeren Auszeiten von der Schule, sprich nach Ferienende, wo Eltern morgens plötzlich ein hundemüdes und über Bauchweh klagendes Kind im Bett liegen haben.

 

Monday, Monday … das ganz normale Montag-Motivationstief

Wer spürt ihn hier und da nicht: Den Montagmorgen-Blues. Viele von uns haben zum Wochenstart ein Thema damit, in die Gänge zu kommen und sich für die neue Arbeitswoche zu motivieren. Den Kindern geht es da nicht anders als uns Erwachsenen auch. Weil es oft den Kleinsten schon dämmert, dass es unter der Woche vielfach darum geht, sich anzustrengen, Leistung zu bringen und dass der Schulalltag mit Lernen, Hausübungen und den vielen Pflichtterminen eben alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Ganz anders als der Müßiggang, die freie Zeiteinteilung und der lockere Tagesrhythmus vom Wochenende oder den Ferien. Dass Schule – genauso wie Arbeit – zwischendurch mal mehr Frust als Lust bedeutet, gehört wohl zum Leben dazu. Doch was, wenn Kinder regelmäßig zum Wochenstart nicht in die Schule wollen und das typische „Schul-Bauchweh“ doch eine ernste psychosomatische Beschwerde ist? Die gute Nachricht ist zunächst einmal: Alltäglicher Schulfrust und gelegentliche Unmutsäußerungen wie „ich hasse die Schule“ oder „ich geh’ heute nicht in die blöde Schule“ legen sich in der Regel von alleine wieder. Oft schon dadurch, dass durch das Benennen der frustrierenden Situation einfach mal so richtig Dampf abgelassen wird. Und mit dem einen oder anderen klärenden Gespräch so manches Motivationstief überbrückt werden kann. „Hat das Kind ab und zu keine Lust auf die Schule, geht aber trotzdem hin und zeigt sich während des Unterrichts letztlich aktiv und ausgeglichen, handelt es sich um ganz normale Motivationsthemen“, sagt Kinderpsychologin Karin Pontasch. Oft habe die Unlust auf  die Schule etwas mit einem bestimmten, vielleicht weniger geliebten Fach zu tun, Reibereien mit anderen Schüler:innen oder auch stressigen Schularbeiten. Entsprechend sei es Teil der Erziehungsarbeit und somit Elternaufgabe, Kinder immer wieder zu ermutigen, den Fokus auf Positives zu richten und einen gesunden Umgang mit schwierigen Situationen zu finden.

 

 

Wenn der normale Schulfrust nicht mehr normal ist

Genauer hinschauen solle man laut der Klinischen Psychologin dann, wenn der Schulfrust über einen längeren Zeitraum andauert. „Eltern sollten beobachten, in welcher Häufigkeit sich das Kind negativ über die Schule äußert oder an welchen Tagen dies der Fall ist. Auch ein erhöhter Leidensdruck gepaart mit körperlichen Reaktionen wie Bauchweh oder Übelkeit können auf Schulangst hinweisen“, weiß Pontasch. Schulangst bezeichnet eine Angst oder Besorgnis vor der Schule oder bestimmten Aspekten des schulischen Lebens, oftmals begleitet von körperlichen Symptomen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen sowie Einschlafproblemen. Von Schulphobie spreche man laut Karin Pontasch bei intensiveren, oft schwerwiegenderen Formen der Angst mit extremen psychischen undkörperlichen Symptomen, die einen Schulbesuch fast unmöglich machen. Eine Schulverweigerung als aktive Verweigerung des Schulbesuchs könne wiederum als Konsequenz von Angst beschrieben werden. So vielfältig wie die Symptome können auch die Ursachen sein. „Kinder können unter Leistungsdruck stehen, an Über- oder Unterforderung leiden. Ausgrenzung kann ebenso ein Thema sein wie soziale Konflikte in der Schule oder negative Erfahrungen im Schulkontext wie zum Beispiel ein peinlicher Vorfall“, erklärt Karin Pontasch. Gerade Leistungsangst bzw. bestimmte Anforderungen oder Erwartungshaltungen der Eltern oder Lehrkräfte den Kindern gegenüber sowie daraus resultierende Versagensängste stehen besonders häufig im Kontext von Schulangst. Auch individuelle Lernschwierigkeiten bzw. Teilleistungsschwächen oder sich wiederholende Misserfolge können ursächlich sein. „In diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind auch mögliche Auslöser oder Verstärker aus dem privaten Umfeld, wie etwa Trennungssituationen, Verlusterlebnisse oder ein Umzug“, ergänzt Pontasch.

 

Vertrauensvolle Beziehung & gesundes Selbstwertgefühl

Gerade ein gesundes Selbstbild und ein starkes  Selbstbewusstsein würden laut Psychologin Karin Pontasch oft eine entscheidende Rolle dafür spielen, inwieweit Kinder von schulischen Umständen aus der Bahn geworfen werden. „Kinder sollten von Zuhause Sicherheit und Geborgenheit erfahren. Sie sollten das Vertrauen genießen, dass sie sich auf ihre Eltern verlassen können, dass sie gesehen und dass ihre Emotionen wahrgenommen werden, egal was passiert“, erklärt Pontasch. Gerade das aktive Zuhören, Ermutigen, Loben sowie Empathie und Verständnis für die kindlichen Bedürfnisse stärken das Selbstwertgefühl der Kinder. Eltern sollten Kinder dabei unterstützen, realistische (schulische) Ziele zu erreichen und ihre Stärken hervorzuheben. Indem man den Kindern zutraut, selbst etwas zu schaffen oder aktiv mitzugestalten, fördert man die Selbstwirksamkeit der Kinder. Außerdem sollten Eltern selbst ein positives Modell für Problemlösung und Entscheidungsfindung sein, indem sie ihren Kindern eine gesunde Fehlerkultur vorleben und Hilfestellungen zur Selbstregulation negativer Gefühle bieten. Vertrauensvolle Gespräche  zwischen Eltern und Kindern sollten laut Karin Pontasch schließlich dazu führen, dass sich die Kids öffnen, damit oft versteckte Angstursachen zu Tage treten können. „Ängste oder auch Nervosität dürfen sein und sollten stets angesprochen, statt weggedrückt werden“, versichert die Psychologin.

Im Endeffekt gehe es darum, die Probleme der Kinder immer ernst zu nehmen und Verständnis dafür zu haben, worüber sie sich Sorgen machen. Laut Karin Pontasch könne es für die Ursachenfindung auch hilfreich sein, eine Art Angsttagebuch zu führen: „Man kann darin etwa notieren, wann die Ängste des Kindes auftreten, in welchem Kontext und wie sich äußern“. Niemand solle im Übrigen davor zurückschrecken, sich professionelle Hilfe zu holen, wenn man im Familienkreis mit der Situation alleine nicht zurecht kommt. Soll heißen: Problembereiche frühzeitig und proaktiv in der Schule mit der Schulleitung und den Lehrer:innen besprechen, sich Unterstützung holen und im Bedarfsfall die Schulpsychologie sowie Kinder- und Jugendpsychiater: innen kontaktieren.

 

TIPPS gegen Schulfrust – Raus aus dem Motivationstief

  • Der Fokus auf positive Aspekte: im Schulalltag kann für Motivationsschübe sorgen
  • Selbstwirksamkeit fördern, indem man Kindern zutraut, etwas alleine zu meistern
  • Ein Zuhause voller Geborgenheit und Wärme gibt Sicherheit und Halt
  • Rituale zum Schulstart nach dem Wochenende: gemeinsame Rituale wie der Morgenkreis in der Klasse vermitteln gute Gefühle und helfen beim Ankommen
  • Angsttagebuch führen: notieren, wie häufig und unter welchen Umständen die Angst vor der Schule auftaucht. Ursachen lassen sich so oft leichter aufspüren
  • Lichtblicke geben: zum Beispiel durch die Vorfreude auf Geburtstage oder anstehende Freizeit- bzw. tolle schulische Erlebnisse
  • Ängste ansprechen, den Kindern zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen
  • Empathie und Verständnis für die kindlichen Bedürfnisse stärkt den Selbstwert des Kindes
  • Berührungsängste abbauen: eventuell am Wochenende an der Schule vorbei gehen und aus der Distanz heraus thematisieren, was in der Schule gerade läuft
  • Dankbarkeitsrituale oder ähnliches zum Beispiel am Sonntagabend stellen das Gute, das war, in den Mittelpunkt und schaffen Zuversicht für alles, was kommt

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