LERNEN OHNE ABLENKUNG: die Schule als handyfreie Zone
Einige Bundesländer haben das Handy an Schulen bereits verboten. Nun macht der Bildungsminister die Schulen am 1. Mai 2025 bundesweit zu „handyfreien Zonen“. Was bringt die neue Verordnung? Welche Probleme bleiben?

Gleich in seiner allerersten Pressekonferenz als neuer Bildungsminister verkündete Christoph Wiederkehr, dass Schulen künftig zu „handyfreien Zonen“ werden sollen. „Bereits ab dem 1. Mai“ wird es eine entsprechende Verordnung „für ein Handyverbot an Schulen bis einschließlich zur 8. Schulstufe geben“. Wie die betroffenen Volks-, Mittel- und Sonderschulen dafür sorgen, das Handyverbot im Unterricht und in den Pausen umzusetzen, sollen diese schulautonom entscheiden. Umfassen soll es sowohl Handys, Smartwatches als auch vergleichbare elektronische Geräte.
Wo es bereits Handyerbote gibt
Große Überraschung ist der Vorstoß des Bildungsministers (Neos) keine. Noch als Wiener Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat hatte er in der Bundeshauptstadt ein vergleichbares Handyverbot angekündigt. Auch im SPÖ-geführten Kärnten gibt es das seit Kurzem. In der von der FPÖ geführten Steiermark gilt das Verbot bis einschließlich der sechsten Schulstufe. Die Nutzung von Handys an Schulen ist freilich keine neue Entwicklung. Viele Schulen haben längst eine für sie praktikable Lösung gefunden. Entweder haben Handys abgeschaltet in der Schultasche zu bleiben und werden nur auf Anweisung der Lehrperson aktiviert, um unterrichtsrelevante Aufgaben zu erledigen. Oder aber sie werden vor Beginn des Unterrichts in der Früh in sogenannten „Handygaragen“ geparkt (d.h. versperrt) – und erst nach Unterrichtsende wieder abgeholt. Trotzdem stehe der „Konzentrationskiller Handy vielfach in Konkurrenz zum Unterricht“, so der Bildungsminister. Auch der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter argumentierte bei der Pressekonferenz für eine handyfreie Schule: „der Kontrollverlust durch überm..ige Nutzung ist offensichtlich“. Er verwies auf Auswirkungen wie eine erhöhte Reizbarkeit, körperliche Auswirkungen wie Schlafstörungen und verminderte Fitness, weil das Handy das Problem des Bewegungsmangels weiter verschärft“. Zeit in der Schule solle es „den Kindern ermöglichen, sich wieder auf Augenhöhe zu treffen und soziale Beziehungen zu stärken“. Als klares Ziel der Verordnung nannte Hutter „weniger Screentime“.
Direktor:innen sollen gestärkt werden
Eingebunden in die Entscheidung war als eine der Expert:innen auch die Pädagogin und Schuldirektorin Karin Spahn als Vorsitzende der ZAG Leiter*innen. „Das Wichtigste an dieser Maßnahme ist, dass die Verordnung eine Riesenstärkung der Direktor:innen ist“, sagte Spahn. Manche wollten bereits in der Vergangenheit Vergleichbares einführen, wurden mitunter aber von Teilen des eigenen Lehrkörpers und der Elternschaft ausgebremst und bekämpft. „Die Verordnung stärkt den Direktor:innen den Rücken“, so Spahn.
Was denken die Lehrer:innen?
Wie Lehrkräfte ein generelles Handyverbot sehen, hat Ende 2024 eine österreichweite Befragung unter 949 Lehrkräften, durchgeführt vom Österreichischen Bundesverlag (öbv) in Kooperation mit der School of Education der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) untersucht. Diese hat ergeben, dass sich 44 Prozent der befragten Lehrkräfte klar und weitere 30 Prozent „eher” für ein Smartphone-Verbot an Schulen aussprechen. 10 Prozent lehnen ein Handyverbot klar, 16 Prozent „eher” ab. Der Wunsch nach einem Smartphone-Verbot ist in den Pflichtschulen – Volksschule und Mittelschule – stärker ausgeprägt als in weiterführenden Schulen, insbesondere Berufsbildende mittlere und höhere Schulen sowie Berufsschulen. An vielen Pflichtschulen – so etwa an 70 % der Volksschulen – gibt es auch häufiger bereits schuleigene Handyverbote oder -regeln. „Die Einstellung zu einem generellen Verbot liegt in erster Linie am Schultyp und dem Alter der Schüler:innen und ist von der Einstellung der Lehrkräfte zu digitalen Technologien geprägt: Lehrkräfte, die den Einsatz digitaler Medien als hilfreich für das Lernen wahrnehmen, fordern deutlich seltener ein Smartphone-Verbot“, erklärt Christoph Helm, Leiter der Abteilung für Bildungsforschung an der JKU Linz School of Education. Ein Beispiel sind hier besonders junge Lehrer:innen unter 30 – diese setzen selbst mehr auf die Nutzung von KI und digitalen Hilfsmitteln und bewerten so auch den Einsatz von Handys anders.

Das Handy als Werkzeug im Unterricht
Dabei ist die Nutzung des Smartphones als Lernmittel generell derzeit noch ein Randphänomen. Manche Lehrkräfte nutzen für kleine Umfragen oder Quizze Handys, Lernsoftware ist aktuell meist auf Tablets oder PCs besser nutzbar. Zudem hängt die technische Ausstattung der Lehrkräfte offenbar positiv mit der Smartphone-Nutzung der Schüler:innen zusammen: Lehrkräfte, die ein Tablet von der Schule gestellt bekommen, sowie Lehrkräfte, die selbst Smartphones für den Unterricht nutzen, berichten von einer stärkeren Handy-Nutzung ihrer Schüler*innen für schulische Zwecke. Christoph Helm: „Wenn im Unterricht ebenfalls mit Smartphones gearbeitet wird – was allerdings mit zwei Prozent nur äußerst selten vorkommt Lehrkräfte unter 30 Jahren wären bereit, das Handy auch als Werkzeug im Unterricht zu nutzen. –, setzen sie es häufiger auch zu Hause zum Lernen ein.“
Oft das Problem: die Eltern
Eine klare Meinung zu einem generellen Handyverbot hat Barbara Buchegger, Mitglied des Vereinsvorstands von Saferintenet. Für sie löst ein Verbot wenig an den durchaus vorhandenen Problemen. Außerdem gibt es bereits an vielen Schulen Regeln zum Umgang mit Handys. „Wichtig wäre, dass sich vor allem Eltern an die vorhandenen Regeln halten und sich nicht darüber hinwegsetzen“, erklärt sie: „Ich erlebe oft, dass sich Eltern nicht an Vorgaben halten und nicht nur auf dem Schulskikurs ein Handy mitgeben, damit das Kind die Eltern erreichen kann. Das ist problematisch, weil es Regeln aushebelt und Filmaufnahmen und andere Nutzung möglich macht.“ So kann es dazu kommen, dass ein Kind etwa nicht mit den anderen spielt und sich ausklinkt. „Wenn Eltern mit den Regeln nicht einverstanden sind, sollten sie mit der Schule Kontakt aufnehmen und sich auf eine sinnvolle Vorgehensweise einigen“, schlägt Barbara Buchegger vor. Dabei sieht sie in der Handynutzung eben durchaus Probleme, wenn sich Kinder etwa nicht konzentrieren können. Das mag manchmal am Unterricht liegen – aber auch an Schüler:innen. Diese sollten vor allem auch von den Eltern dabei unterstützt werden, Alternativen zu finden und Optionen zu finden, die Spaß machen. „Es gibt die Übung, bei der Kinder auf einer Klaviatur aufschreiben, was ihnen Spaß macht. Je mehr Tasten ich füllen kann, desto besser ist die Basis, ein glücklicher Mensch zu sein. Da können Handyspiele auch draufstehen – aber nicht nur.“ Die Debatte sei Ausdruck eines Problems und ein hilfloser Versuch eine Lösung zu finden, meint Buchegger: „Gerade dort wo es um Mobbing, Aufnahmen von Lehrkräften und andere Probleme geht, die gelöst werden müssen, ist ein Verbot nicht hilfreich. Cybermobbing hat mit der Schule zu tun und nichts mit einem Handyverbot.“ Für wichtiger hält sie es, die nötige Medienkompetenz zu stärken – das könne ein Verbot nicht leisten.
44 PROZENT
Die im Herbst 2024 befragten Lehrkräfte sprachen sich zu 44 Prozent für ein Handyverbot an Schulen aus. Weitere 30 Prozent sind „eher“ für ein Verbot. Nur 10 Prozent lehnen ein Handyverbot klar ab.

Was es dringend braucht: Medienkompetenz
Auch Rosemarie Felder-Puig, Abteilungsleiter-Stellvertreterin Evidenz und Qualitätsstandards bei Gesundheit Österreich GmbH, ist über ein von oben verordnetes generelles Handyverbot nicht glücklich: „Das sollten die Schulen selbst regeln – und das tun sie vielfach auch schon. Noch wichtiger als ein Verbot wäre verpflichtende Medienerziehung, auch mit Einbindung der Eltern.“ Die Kinder müssten den richtigen Umgang mit dem Handy lernen – etwa was die Gefahren im Netz betrifft oder welche gesundheitliche Folgen eine exzessive Nutzung haben kann, unter anderem für die Psyche oder auch die Augen . Dies sollte altersgerecht passieren und immer wieder wiederholt werden. In keinem Fall sollten Schulen dazu verpflichtet werden, Handygaragen einzurichten oder die Handys vor Unterrichtsbeginn abzusammeln. Denn das ist für alle Beteiligten nur zusätzlicher Stress. Vorhandene Regeln, wie jene, dass das Handy beim Betreten der Schule abgeschaltet wird und bis Schulschluss in der Schultasche oder im Spind bleibt, sind für sie ausreichend. Gleichzeitig hat sie Verständnis für den Ruf nach einem Handyverbot, denn immer mehr Studien würden die negativen Auswirkungen von zu viel Handykonsum belegen. Nichtsdestotrotz bleibt für sie das Erlernen des richtigen Umgangs mit Smartphone und anderen Geräten die wichtigste Maßnahme, die im Elternhaus und in der Schule umzusetzen sind.
„Wir müssen einerseits digitales Lernen fördern, aber andererseits die digitale Ablenkung minimieren“, sagte Christoph Wiederkehr bei seiner Antrittspressekonferenz. Dass es diesen Spagat braucht, weiß man also auch im zuständigen Ministerium. Dort denkt man in Expert:innengruppen auch über Maßnahmen über die achte Schulstufe hinaus nach. Durch die enorme Vielfalt an Schultypen sei dieses Feld viel komplexer. Gleichzeitig wären Social-Media-Suchtverhalten in fortgeschrittenem Alter viel offensichtlicher. „Diskutiert werden beispielsweise handyfreie Zonen die an Gymnasien für Ober- und Unterstufe gelten“, meinte Mediziner Hans-Peter Hutter, Dabei gehe es auch darum, den Älteren ihre Vorbildwirkung bewusst zu machen; „auch den Eltern“.
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