Gesundheit

Mein kleiner Tollpatsch! – Experten-Interview

„Es braucht von den Eltern immer ein Stück Mitarbeit und natürlich Verständnis“ - In ihrer Praxis hat die Ergotherapeutin Isolde Fehringer schon so manchen kleinen Tollpatsch behandelt. Mit viel Fingerspitzengefühl hilft sie ihren Patienten und auch deren Familien.

In ihrem Buch „Der kleine Tollpatsch Bummbumm“ beschreiben Sie die Probleme propriozeptiv unempfindlicher Kinder. Wie kam es zu dem Buch?
Ich bin nun im 19. Jahr als Ergotherapeutin tätig und habe während dieser Zeit mehr als 1.600 Kinder und deren Familien kennengelernt. Ich habe das Konzept der sensorischen Integration also schon oft erzählt. Irgendwann habe ich mir gedacht, es wäre gut, wenn man zur Erklärung für Kinder und Eltern ein Buch hätte, das dieses Problem beschreibt.

Für wen ist dieses Buch gedacht?
Es richtet sich an Eltern, die ihr Kind verstehen möchten, ebenso wie an Kindergärten und Schulen, die es nutzen, da so ein Kind natürlich die Gruppe verändert und die Gruppendynamik beeinflusst. Das Buch hilft dabei, die Situation in der Gruppe zu besprechen. Um dem Kind, das betroffen ist, Worte geben zu können, aber auch um den anderen Kindern ein Stück weit zu erklären, was dahinter los ist, damit sie verstehen, warum das Kind etwas wilder, grober und undosierter ist, vielleicht andere Kinder so angreift, wie es selbst berührt werden möchte, obwohl es für den anderen dann vielleicht zu viel ist.

Ist jedes Kind, das etwas wilder und undosierter ist, gleich ein kleiner Bummbumm?
Ich sehe diesen Reiz bei meiner beruflichen Tätigkeit sehr oft. Für mich als Ergotherapeutin gilt es, ganz fein herauszufiltern, ob es gerade in der Familie für das Kind eine Situation gibt, in der das Kind Stress hat und es sich daher benimmt wie ein propriozeptiver Bummbumm, oder ob es wirklich diese sensorische Störung hat.

Die Therapie wird auf jedes Kind und seine Interessen zugeschnitten.

Isolde Fehringer, Ergotherapeutin, www.isoldefehringer.at

Zitatzeichen

Wann soll man Hilfe in Anspruch nehmen?
Wenn der Alltag sehr, sehr schwierig ist und das Kind, die Eltern oder das Umfeld deshalb Leidensdruck verspüren, wäre das der richtige Moment, Hilfe zu suchen und das Thema mit dem Kinderarzt zu besprechen. Er kann dann entscheiden, ob es ein Therapiekind ist und man bei einem Therapeuten vorstellig werden sollte, um dort das Kind begutachten zu lassen.

Was geschieht bei der Ergotherapie?
Die Therapie wird auf jedes Kind und seine Interessen zugeschnitten.
Ist es Dinosaurier-Fan, Feuerwehr-Fan, liebt es Piraten usw? Bei mir passiert sehr viel mit Schaukeln. Es wird dann die Schaukel ausgesucht, die für das Kind gerade die richtige ist, weil es zum Beispiel mehr die Bauchmuskulatur braucht oder weil es die Rückenmuskulatur anspricht. Wenn das Kind nicht so gern malt, wird man vielleicht eine Piratenflagge für die Schaukel malen. Dann hat man das Piratenschiff, und es werden Sackerl in einen Kübel geschossen. Das heißt, es werden Goldmünzen in die Schatzkiste geworfen. Die Therapie wird immer in eine Geschichte verpackt, die einen roten Faden hat und in die das Kind sich einfach einfinden kann. Die Therapeutin ist dann der Freund, der auf diesem Weg begleitet. Ich bin dann eher in der Spielebene mit dem Kind und versuche, die Geschichte voranzutreiben.

Werden auch die Eltern eingebunden?
Es braucht von den Eltern immer ein Stück Mitarbeit und natürlich Verständnis für die Situation. Ich erkläre den Eltern, welche Reize ihr Kind gerne mag und wie man das zu Hause alltagspraktisch einbinden kann. Der Bummbumm, der gerne trägt, wird dabei helfen, den Einkauf zu tragen oder Holz zu holen. Ein Bummbumm, der gerne schwere Sachen zieht, bekommt ein Leiterwagerl oder wird mit einer Scheibtruhe beim Rasenmähen helfen. Eltern müssen verstehen, dass das Kind tätig sein will und es Aufgaben braucht, für die man ein bisschen mehr Kraft braucht. Es gibt aber dann auch Aufgaben Richtung Kulturtechnik wie zum Beispiel Tipps für das Halten von Stiften oder Besteck. Aber auch Aufgaben, wie man mit schwierigen Situationen umgeht, weil das Kind Emotionen noch nicht so gut lesen kann.

Forum

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Insgesamt 0 Beiträge

Wir setzen Cookies auf dieser Website ein, um Zugriffe darauf zu analysieren, Ihre bevorzugten Einstellungen zu speichern und Ihre Nutzererfahrung zu optimieren. weitere Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close