Nägelkauen, Daumenlutschen, Haarezwirbeln
Angewohnheiten wie Nägelkauen, Daumenlutschen oder Haaredrehen bei Kindern bereiten vielen Eltern Sorgen. Was von außen wie ein störender Tic wirkt, entsteht in aller Regel durch eine Kombination aus mehreren Faktoren. Nicht selten handelt es sich um ein Ventil, mit dem Kinder versuchen, innere Spannungen abzubauen.

Solche Verhaltensweisen können Herausforderungen in der emotionalen Entwicklung des Kindes widerspiegeln. Sosehr Eltern sich auch bemühen, das Kind davon abzuhalten – mit Verboten verschärfen sie den Kreislauf meist nur, weil der innere Stresspegel des Kindes dadurch noch weiter erhöht wird. Woher genau die kindlichen Verhaltensweisen kommen, warum Verbote meist kontraproduktiv sind und wie Eltern ihrem Kind wirklich helfen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Unbewusste Reaktionen auf inneren Druck
Viele Eltern kennen das Problem: Ihr Kind lutscht unablässig am Daumen, dreht ständig an einer Haarsträhne oder kaut an den Nägeln. Je häufiger das Kind diese für die Eltern störenden Verhaltensweisen an den Tag legt, desto größer wird der Frust. Sie bitten das Kind darum, doch endlich aufzuhören, drohen vielleicht sogar mit Konsequenzen. Doch der Erfolg bleibt aus. Nicht selten geht der Versuch, dem Kind die Angewohnheit abzugewöhnen, sogar nach hinten los: Das Verhalten lässt vielleicht kurz nach, taucht früher oder später aber wieder auf – dann möglicherweise auf andere Art.
Dabei übersehen viele Erwachsene, was dem Verhalten vorausgeht: Kinder geraten unter Druck, wenn sie wiederholt erleben, dass sie nicht verstanden werden, wenn ihre Emotionen nicht willkommen sind oder sie ständig funktionieren sollen. Wenn sie angeschrien werden, Angst vor Ablehnung empfinden oder ihre Bedürfnisse übergangen werden, entwickeln sie unbewusst Schutzmechanismen – und genau hier setzen die körpernahen Kompensationsstrategien an.
Der Grund dafür ist einfach erklärt: Verhaltensweisen wie Nägelkauen, Daumenlutschen oder Haarezwirbeln sind keinesfalls bloß Launen oder schlechte Angewohnheiten. Es sind unbewusste Reaktionen auf inneren Druck – Kompensationsstrategien, um mit Stress, unausgesprochenen Gefühlen oder Angst umzugehen. So wie Erwachsene unter Anspannung mit den Zähnen knirschen oder emotional essen, greifen Kinder auf für sie zugängliche Wege zurück, um innere Anspannung abzuleiten. Es handelt sich um innere Impulse, die sich kaum durch gutes Zureden abstellen lassen – erst recht nicht durch Kontrolle. Denn sie laufen auf einer Ebene ab, die dem Kind selbst gar nicht bewusst ist.

Das Problem mit Ermahnungen und Verboten
Das Problem ist nun, dass jedes Eingreifen von außen, sei es durch Kritik, Ermahnungen oder Druck, die inneren Spannungen verstärkt. Das Kind spürt, dass sein Verhalten nicht gewollt ist. Wie alle Kinder möchte es seinen Eltern gefallen, doch in dem Moment kann es einfach nicht anders. Entsprechend wichtig ist es, dass Eltern nicht nur am Symptom ansetzen, sondern versuchen, den inneren Zustand ihres Kindes zu verstehen. Andernfalls kann es passieren, dass das Kind noch mehr Druck verspürt, der wiederum dazu beiträgt, dass das Verhalten bestehen bleibt. Es gibt aber auch Kinder, die in der Folge eine Ersatzstrategie entwickeln. Sie hören vielleicht auf, am Daumen zu lutschen, zeigen aber andere Formen von Spannungsabbau, die auf den ersten Blick gar nichts mit dem ursprünglichen Verhalten zu tun haben.
So unterstützen Eltern ihr Kind
Entsprechend wichtig ist es, Sensibilität für die emotionalen Bedürfnisse des Kindes zu zeigen. Es braucht nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Verbindung: Anstatt das Verhalten ihres Kindes zu bewerten, sollten Eltern anfangen, sich für die dahinterliegenden Gefühle zu interessieren. Emotionale Unterstützung kann dem Kind helfen, sich sicher zu fühlen – und dadurch indirekt dazu führen, dass dessen Kompensationsstrategien irgendwann überflüssig werden.
Zudem sollten Eltern einen kritischen Blick auf sich selbst werfen, indem sie sich die Frage stellen: Was macht es mit mir, wenn mein Kind diese Dinge tut? Solange es Eltern emotional triggert oder wütend macht, wenn ihr Kind Verhaltensweisen an den Tag legt, die sie selbst nicht gutheißen, werden sie automatisch immer weiter Druck aufbauen – und dadurch das Verhalten ihres Kindes zusätzlich verstärken. Oft zeigt sich auch, dass der Druck im Kind in engem Zusammenhang damit steht, wie die Eltern mit Anspannung umgehen, schließlich lernen Kinder primär über Nachahmung. Sie suchen sich Vorbilder, von denen sie lernen, wie man mit Emotionen umgeht. Wenn Eltern ihre Emotionen selbst unterdrücken, ständig alles unter Kontrolle haben müssen und ein hohes Perfektionsstreben haben, überträgt sich das unbewusst auch auf das Kind. Veränderung muss deshalb immer bei den Eltern beginnen. Denn nur in einem Umfeld, das Sicherheit, emotionale Offenheit und Freiheit bietet, können Kinder ihre inneren Spannungen nach und nach abbauen und damit auch die Kompensationsstrategien loslassen, die sie zum Selbstschutz entwickelt haben.

Über Jana Alles:
Mit Smart Parents bietet Jana Alles ein Coaching an, das an der Ursache der Wut der Mütter ansetzt. Gemeinsam mit den Müttern geht sie Schritt für Schritt auf die Suche nach der Ursache ihrer Glaubenssätze. Es geht darum, den Ur-Schmerz aus der eigenen Kindheit sowie der Ahnenreihe und darüber hinaus zu finden. Das Ziel ist, dass die Mutter ihre Kinder empathisch, bewertungsfrei und bedürfnisorientiert begleiten kann. Nur so kann das Kind mit Selbstwert und Selbstbewusstsein durchs Leben gehen und eine starke Verbindung zwischen Mutter und Kind bestehen. Mehr Informationen finden Sie hier.
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