Bildung

Viele Emotionen in der Volksschule

Eine Studie einer Bildungswissenschaftlerin der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg zeigt, wie Schulkinder und Lehrkräfte an Volksschulen miteinander umgehen, wenn Emotionen im Spiel sind.

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Grundschullehrkräfte erleben häufig Unterrichtssituationen, in denen die Schülerinnen und Schüler emotional reagieren. Das anschließende Wechselspiel zwischen der Reaktion der Lehrkraft und dem Verhalten des Kindes läuft meist nach einem festen Schema ab, so das Ergebnis einer Studie der Bildungswissenschaftlerin Dr. Juliane Schlesier von der Universität Oldenburg. Anhand von Interviews mit Grundschullehrkräften entwickelte die Forscherin ein Modell, um die Interaktion von Lehrkräften und  Schulkindern zu beschreiben. Die Ergebnisse liefern Schlesier zufolge Ansatzpunkte dafür, wie Lehrerinnen und Lehrer besser mit schwierigen Situationen umgehen können

Kinder zeigen Gefühle unverfälscht

Jede Grundschullehrkraft kann Geschichten über Schülerinnen und Schüler erzählen, die ihre Gefühle nur schlecht kontrollieren können: Mal ärgert sich ein Kind, weil es eine Aufgabe nicht versteht, und beginnt aus lauter Frust, seinen Nachbarn mit dem Stift zu pieken. Ein anderes Kind hat Angst vor Mathe und fängt an zu weinen, weil es an der Tafel etwas vorrechnen soll. Emotionen und ihre Regulation seien ein Klassiker der pädagogischen Forschung, berichtet Schlesier,  Nachwuchswissenschaftlerin im Arbeitsbereich Empirische Lehr- und Lernforschung von Prof. Dr. Barbara Moschner. „Die Interaktion zwischen Lehrkraft und
Schulkind hat in Studien dabei bislang jedoch keine Rolle gespielt“, sagt sie.
Hier setzt Schlesiers Forschung an. Die Wissenschaftlerin analysierte in ihrer Doktorarbeit Interviews mit 31 Grundschullehrkräften zum Thema Emotionsregulation. Studierende hatten die Interviews unter ihrer Anleitung durchgeführt. Sie fragten die Lehrkräfte danach, wie Schülerinnen und Schüler positive und negative Gefühle regulierten, von Freude, Hoffnung oder Stolz über Langeweile bis hin zu Ärger, Angst, Scham oder Hoffnungslosigkeit.

Emotionen laufen nach einem bestimmten Muster ab

Anhand der Ergebnisse entwickelte Schlesier ihr Modell. Demnach laufen Unterrichtssituationen, in denen Kinder emotional reagieren, häufig nach dem gleichen Muster ab. Auf einen Auslöser – ein Kind soll beispielsweise ein Arbeitsblatt bearbeiten – entwickelt es infolge seiner Interpretation dieser Situation eine Emotion, etwa Ärger oder Angst. Kann das Kind diese Emotion selbständig regulieren, füllt es den Zettel – wenn auch vielleicht widerwillig – aus. Es ist aber auch eine für den Schulunterricht unangemessene Reaktion möglich: Das Kind verweigert beispielsweise die Arbeit oder fängt an zu schreien. Auf dieses Verhalten reagieren wiederum die Lehrerkräfte: Oft machen sie sich Gedanken über die Ursache des Gefühlsausbruchs, müssen gleichzeitig aber auch eigene Emotionen wie Hilflosigkeit oder Stress verarbeiten.

Ärger ist die häufigste kindliche Emotion

Um den kindlichen Ärger zu beschwichtigen, greifen sie zu verschiedensten Maßnahmen – sie weisen das Kind zurecht oder schicken es vor die Tür, erklären die Aufgabe noch einmal, sprechen dem Kind Mut zu oder nehmen es in den Arm. Je nachdem, ob es daraufhin sein Verhalten ändert oder nicht, kann sich der gesamte Prozess ein- oder mehrmals wiederholen. Am Ende kann eine solche Situation positiv für das Kind und die Lehrkraft ausgehen – das Kind traut sich die Aufgabe doch zu, die Lehrkraft freut sich darüber – oder auch negativ: Das Kind lässt sich nicht beruhigen, muss womöglich von den Eltern abgeholt werden, die Lehrkraft ist mit ihren pädagogischen Mitteln am Ende.
Eine inhaltliche Analyse der Interviews ergab, dass Ärger die häufigste kindliche Emotion in den Situationen war, die die Lehrkräfte schilderten, gefolgt von Angst und Trauer. Positive Emotionen wie Stolz, Lernfreude oder Hoffnung kamen in den Berichten der Lehrerinnen und Lehrer dagegen deutlich seltener vor.

Emotionsunterricht soll in die Lehrpläne

Schlesier folgert aus den Ergebnissen, dass es sinnvoll wäre, eine Art Emotionsunterricht in die Grundschullehrpläne aufzunehmen, in dem sich Kinder emotionale Kompetenzen aneignen können: „Dort könnten sie lernen, die eigenen Gefühle besser zu erkennen, auszudrücken und Verständnis für die Gefühle anderer  aufzubringen“, sagt die Bildungswissenschaftlerin. Denn es sei durch viele Studien belegt, dass emotional kompetente Kinder erfolgreicher in der Schule sind, oft eine bessere Beziehung zum Lehrer und zu ihren Mitschülern haben und über ein größeres Selbstbewusstsein verfügen als Schulkameraden, die ihre Gefühle weniger gut im Griff haben.
Darüber hinaus sollten angehende Lehrerinnen und Lehrer Schlesiers Meinung nach bereits im Studium erfahren, wie sie Schulkinder dabei unterstützen können, ihre Gefühle besser wahrzunehmen und zu steuern. Und: „Lehrkräfte brauchen außerdem mehr alternative Handlungsmöglichkeiten, wenn ein Kind im Unterricht Ärger empfindet“, ist ihre Überzeugung. Anstatt ein störendes Kind zu isolieren – wie es häufig geschieht – sei es zum Beispiel auch möglich, es durch andere Aufgaben abzulenken oder die gesamte Klasse für einige Minuten mit einer Bewegungsaufgabe zu beschäftigen. Die Forscherin will nun untersuchen, welche Interventionsmöglichkeiten hierbei am erfolgreichsten sind.

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