Familienleben

„Warum sagst du mir nicht endlich, was war?“

So manches Gespräch zwischen Eltern und Kind gleicht einem Verhör. Kinder wollen aber nicht ausgefragt werden, sondern echtes Interesse von ihren Eltern. Und manchmal auch einfach in Ruhe gelassen werden.

 

Es ist eine Standardfrage, die Eltern in ganz Österreich täglich stellen und auf die sie jedes Mal annähernd die gleiche Antwort bekommen: „Wie war’s in der Schule?“ „Gut.“ Alternativ: „Eh ok.“ Dass ein Kind einsilbig antwortet und so gar nicht erzählen mag, sei kein Wunder, sagt Jan-Uwe Rogge. Für den Erziehungsexperten ist die Frage, wie’s in der Schule, im Kindergarten oder beim Fußball- training war, nämlich Gesprächskiller Nummer eins. Deswegen, weil die Frage das ist, was sie ist: Standard. Anders ausgedrückt: „Ein Stereotyp, das vermeintliches, oberflächliches Interesse zeigt.“ Rogge schlägt etwas anderes vor: „Freuen Sie sich zuerst einmal, dass Ihr Kind nach Hause gekom- men ist! Lächeln Sie es an, nehmen Sie es in den Arm, sagen Sie ihm, wie schön es ist, dass es da ist.“ Auf das klassische Frage-Antwort-Spiel beim Abendessen, bei dem Eltern ohnehin oft das Gefühl hätten, sie müssten dem Kind alles aus der Nase ziehen, könne man getrost verzichten. „Wenn sich Kinder ausgefragt fühlen, dann zeigen sie uns das auch, indem sie nichts erzählen oder nur einsilbig antworten.“ Verständlich. Niemand sitzt gerne in einem Verhör. Und „Verhör-Charakter“ haben Gespräche zwischen Eltern und Kindern leider viel zu häufig.

Auch von sich erzählen

Gespräche haben im Prinzip zwei Funktionen. Sie dienen der Sachinformation und stärken Beziehung. Um wie viel Uhr nachmittags der Termin beim Zahnarzt ansteht, kann rasch und emotionslos zwischen Tür und Angel erfragt werden. Um zu erfahren, wie es dem anderen geht, was ihn beschäftigt und wie er seinen Tag verbracht hat, braucht es ausreichend Zeit und Raum. „Viele Eltern praktizieren das ja ohnehin, auch wenn es sie es nicht immer wahrnehmen. Sie legen zum Beispiel Wert auf gemeinsames Essen oder haben mit den Kindern ein bestimmtes Abendritual“, sagt Rogge. Offene Fragen würden dem Kind die Möglichkeit geben zu erzählen, auch Mimik, Gestik und Körperhaltung seien wichtig, weil sie Interesse oder Desinteresse ausdrücken. „Schauen Sie ihr Kind an, nicken Sie hin und wieder mit dem Kopf, und erzählen Sie auch von sich!“ Ein Gespräch sei keine Einbahnstraße. Und Kinder seien grundsätzlich neugierig, was sich im Leben von Mama und Papa tut.

 

 

Beim Abendessen keine Probleme wälzen

Nicht immer ist das, was Kinder und Jugendliche beim gemeinsamen Abendessen erzählen, erfreulich. Streit mit der besten Freundin, eine schlechte Note bei der Matheschularbeit, vergessene Haus- übungen sind ebenfalls Themen, die auf den Tisch kommen. „Achten Sie darauf, dass das gemeinsame Essensritual nicht zur Selbsthilfegruppe wird!“, rät Rogge. Probleme müssten nicht über Nudeln mit Tomatensauce gewälzt, Lösungsstrategien nicht beim Würstelessen besprochen werden. Da würde den Kindern nämlich nicht bloß der Appetit, sondern auch die Erzähllaune vergehen. „Kinder sagen drei Sätze und werden sofort mit Ratschlägen oder einem elterlichen Referat über Normen und Werte im 21. Jahrhundert unterbrochen. Sie erzählen von der schlechten Note und hören ‚Siehst du! Ich hab’s dir doch gesagt!‘ oder ‚Dann müssen
wir gleich beim Nachhilfelehrer anrufen‘.“ Es brauche nicht einmal Worte, um die Tür in der Kommunikation zuzumachen. Hochgezogene Augenbrauen oder ein Stöhnen beim Hören der unerfreulichen Nachricht würden verlässlich dafür sorgen, dass das Kind beim nächsten Mal stumm oder einsilbig bleibt. Sollten Eltern also lieber gar nichts sagen? „Schon“, sagt Rogge, „ aber nicht in so einer Situation. Man kann abends, wenn man mit dem Kind allein ist, noch einmal das Thema ansprechen und etwas sagen wie ‚Ich hab mir Gedanken gemacht, über das, was du heute erzählt hast. Möchtest du sie hören?“ Und falls man sich doch beim Abendessen lautstark über den Fünfer bei der Schularbeit geäußert hat, könne man später auf das Kind zu kommen, sich entschuldigen und in aller Ruhe noch einmal darüber reden.

Wichtige Gesprächspartner: Freunde und Großeltern

Was, wenn es offensichtlich ist, dass das Kind bedrückt ist, es aber nicht darüber reden will? So lange fragen – wenn nötig nachbohren – bis es über sein Problem spricht? Lieber nicht. „Wenn ein Kind ein Problem hat, nehmen Sie es erst einmal in den Arm und halten Sie die Klappe. Zeigen Sie ihm so, dass Sie da sind, dann fühlt sich ihr Kind angenommen.“ Später, zum Beispiel abends beim Gute-Nacht-Ritual, sei ein besserer Zeitpunkt, das Problem noch einmal anzusprechen. Zu sagen, dass man spürt, wie traurig oder wütend das Kind ist und sensibel nachzufragen, ob es darüber sprechen möchte. „Und wenn es dann nein sagt, muss man es auch lassen. Nicht in das Kind eindringen, aber vermitteln, dass man da ist und Halt gibt.“ Eltern sollten sich bewusst sein, dass sie möglicherweise nicht die einzigen Gesprächspartner für ihren Nachwuchs sind. Gleichaltrige Freunde, in vielen Fällen auch die Großeltern, seien mitunter die erste Adresse, wenn sie sich aussprechen wollen. Außerdem sei verbale Kommunikation nur eine Art mit dem, was bedrückt, umzugehen. „Vor allem introvertierte Kinder verarbeiten ihre Traurigkeit häufig über Bücher die sie lesen, über bestimmte Lieder oder indem sie spielen.“ Grundsätzlich plädiert Jan-Uwe Rogge für mehr Lockerheit in Eltern-Kind-Gesprächen. „Machen Sie es nicht zum Hochleistungssport!“ Je gelöster die Atmosphäre, umso eher gelingen Gespräche. Beim gemeinsamen Kochen, beim Spielen oder beim Sporteln redet es sich leichter, als wenn man einander steif gegenübersitzt. „Wenn die Kinder älter werden, sind solche Nebentätigkeiten besonders wichtig.“ Und auch wenn Heranwachsende irgendwann scheinbar wenig Interesse an Gesprächen mit Mama oder Papa haben, gilt es dran zu bleiben und zu vermitteln: Ich interessiere mich für dich und für das, was dich beschäftigt.

 

Family,Fighting,2d,Vector,Isolated,Illustration.,Kid,Stressed,Over,Mom

Do´s & Dont´s

  • Keine Predigten, keine Ratschläge. Das Kind erzählt und Mama startet sofort mit ihrer Moralpredigt oder liefert ungefragt Lösungsvorschläge – das demotiviert! Lassen Sie Ihr Kind einfach mal erzählen.
  • Hören Sie – wirklich! – zu. Wer möchte schon von dem erzählen, was ihn beschäftigt, wenn er das Gefühl hat, dass ihm ohnehin nicht richtig zugehört wird? Also: Handy weglegen und nicht nebenbei im Kopf die Einkaufsliste schreiben, sondern Blickkontakt aufnehmen und Interesse durch entsprechende Mimik zeigen.
  • Offene Fragen stellen. Geschlossene Fragen (Wie- und Warum-Fragen) führen schnell dazu, dass sich ein Kind ausgefragt fühlt. Mit offenen Fragen fallen Sie nicht so schnell in das typische Frage-Antwort-Schema, bei dem sich Ihr Kind durch Ihre Fragen verhört fühlt.
  • Erzählen Sie auch von sich! Gespräche leben davon, dass alle Beteiligten etwas von sich teilen.
  • Bohren Sie nicht nach. Nicht immer wollen Kinder mit ihren Eltern über das reden, was sie am Herzen haben. Vor allem größere Kinder und Jugendliche schütten ihr Herz gern bei Gleichaltrigen oder anderen Bezugspersonen wie Oma und Opa aus. Akzeptieren Sie das und bohren Sie nicht nach.

Forum

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Insgesamt 0 Beiträge

Wir setzen Cookies auf dieser Website ein, um Zugriffe darauf zu analysieren, Ihre bevorzugten Einstellungen zu speichern und Ihre Nutzererfahrung zu optimieren. weitere Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close