Erziehung

Wenn der Nachwuchs allein zuhause ist

Wohin mit den Kindern, wenn Kindergarten und Schule aus sind? Ohne Großeltern oder Ganztagsbetreuung kommt oft nur das eigene Zuhause in Frage. Ab wann dürfen die Kids eigentlich alleine daheim sein? Welche Regeln gilt es zu beachten?

Wer erinnert sich nicht an den achtjährigen Kevin aus dem Comedy-Kultfilm Anfang der 1990er-Jahre? Der Familienjüngste wird daheim am Dachboden vergessen, während Eltern und Geschwister in die Weihnachtsferien düsen. Endlich allein – wären da nicht die zwei Gauner, mit denen es der kleine Kevin schon bald zu tun bekommt …

Nun sind viele, die „Kevin – Allein zu Haus“ als Kind oder Teenager gesehen haben, inzwischen selbst Eltern, und beim Gedanken an die eine oder andere Szene könnte einem das Lachen recht schnell wieder vergehen. Kinder allein zuhause – selbst in Zeiten von Hort und Ganztagsbetreuung ein durchaus heikles Thema mit so manchem Fragezeichen. Ab wann dürfen den Kinder alleine zu Hause bleiben? Welche Regeln oder Gesetze gilt es dabei zu beachten?

Schlüsselkinder – gibt es sie überhaupt noch?

Erfunden hat diesen Begriff der Münchner Pädagoge und Psychologe Otto Speck schon im Jahr 1956. Und zwar für Kinder, die nach der Schule nicht von ihren Eltern betreut werden konnten, weil diese zum Beispiel beide ganztags gearbeitet haben. Erkennungsmerkmal: der Wohnungsschlüssel, der nicht selten gut sichtbar an einer Schnur um den Hals getragen wurde. Früher war der Begriff ziemlich negativ behaftet. Wahrscheinlich deshalb, weil so ein „Schlüsselkind“ nicht recht zum Idealbild einer Familie passte, in der der Papa arbeitet und Geld nach Hause bringt und die Mama derweil Haushalt und Kindererziehung schupft. Idealbilder hin oder her. Fakt ist heute, dass sich alte Rollenbilder wandeln und sich somit das traditionelle Bild der Familie mehr und mehr verschiebt. Paare müssen oft aus wirtschaftlichen Gründen Vollzeit arbeiten. Frauen wie Männer haben das Bedürfnis, sich beruflich zu verwirklichen. Knapp dreißig Prozent aller schulpflichtigen Kinder in Österreich haben eine fixe Nachmittagsbetreuung in Hort oder Schule. Der schuleigene Hort ist für viele eine notwendige Betreuung nach Schulschluss und bietet neben Ferienbetreuung, Hausaufgabenhilfe und altersgerechten Spielen auch ein Mittagessen an.

Die Möglichkeit, Horte, Ganztagsschulen oder Kernzeitbetreuung zu beanspruchen, gibt es jedoch nicht flächendeckend. Außerdem sperrt auch der Hort irgendwann zu beziehungsweise gibt es etwa an öffentlichen Schulen ab der 3. Klasse Gymnasium gar keinen mehr. Sind also keine Großeltern, Nachbarn, Verwandte oder Babysitter verfügbar, die auf die Kinder schauen können, und beide Eltern beruflich eingespannt, ergibt sich zwangsläufig die Schlüsselfrage: ob es den Kindern zumutbar ist, alleine zuhause zu sein.

Allein daheim – ab wann?

Nach Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie dürfen Kinder unter drei Jahren keinesfall aus den Augen gelassen werden – auch nicht für wenige Minuten. Das Kind sollte in Reichweite sein, denn es hat noch keine Vorstellung vom eigenen Ich und möglichen Gefahren. Ab dem fünften Lebensjahr sind erste unbeaufsichtigte Momente möglich: Man kann das Kind in den Hof oder Garten lassen, etwa wenn man Blickkontakt hat. Mit dem Beginn der Schule und dem immer besseren Verständnis für Regeln und Gefahren sind längere Zeiten – etwa ein bis zwei Stunden – durchaus möglich. Fachleute behaupten, dass ein sogenanntes Schlüsselkind mindestens acht Jahre alt sein sollte. Mit der richtigen Gefahrenerziehung und der nötigen Aufklärung über einzuhaltende Regeln können Kinder das Alleinsein ab einem bestimmten Schulalter erfahrungsgemäß gut bewältigen. In welchem Alter das tatsächlich der Fall ist, entscheiden einzig und allein die Eltern oder Erziehungsberechtigten. Denn wichtiger als das Erreichen eines bestimmten Alters sei laut Experten die individuelle Reife des Kindes. Ob ein Kind sich etwa kritischen Situationen stellen kann, hänge sehr stark von seiner geistigen Reife ab. Und die wiederum von der jeweiligen Persönlichkeit des Kindes. Entscheidende Kriterien sind zum Beispiel die Fähigkeiten, die Uhr zu lesen, sich mit Essen zu versorgen, das Telefon zu bedienen, sich die Zeit einzuteilen oder sich zuverlässig an Absprachen zu halten.

Was sagt eigentlich der Gesetzgeber?

Erfreulicherweise gibt er sich in dieser Sache recht lebensnah und stellt keine pauschalen Regeln auf. § 160 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches legt lediglich fest, dass Erziehungsberechtigte grundsätzlich ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen haben. Und zwar bis zum 18. Lebensjahr. Gemeint ist dabei die Beaufsichtigung genauso wie die Verantwortung für Pflege, Erziehung und Kindeswohl. Was im Gesetz so zwar nicht steht, aber im Grunde einleuchtend sein sollte: Verantwortung übernehmen heißt auch, das Kind nicht zu überfordern. Eltern sollten unbedingt das Wesen ihres Kindes berücksichtigen und zum Beispiel wissen, dass es keine Angst vor dem Alleinsein hat. Ältere Schulkinder genießen meistens ihre neu errungene Freiheit, etwas mehr auf sich gestellt zu sein. Kinder heutzutage sind meistens sehr gut vernetzt. Fast alle Schulkinder haben ein Handy und können ihre Eltern bei Fragen oder Unsicherheiten immer erreichen. Diese moderne, emotionale Reife gibt zwar Sicherheit, sollte jedoch nicht überschätzt werden. Wirkliche Selbstständigkeit setzt immer einen gesicherten emotionalen Background voraus, betonen Experten. Eltern sollten sich also zuerst unbedingt selber ein paar To-Dos umhängen und für echten Austausch und elterliche Wärme sorgen. Dann kann auch die Schlüsselübergabe ruhigen Gewissens erfolgen.

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