Bildung

Wie Kinder spielend lernen

Österreichs erstes Kinderfitness-Studio BIG YU möchte Kinder fitter machen und zugleich Werte vermitteln. Und im Programm „Mindmover“ werden Lernen und Bewegung verbunden.

Sie schwingen sich von einem Ring zum nächsten, springen auf Trampolinen hoch in die Luft und balancieren anschließend über einen schmalen Balken – die Kinder, die an diesem Nachmittag zusammengekommen sind um zu turnen, haben sichtlich Spaß an der Bewegung. Dabei ist es kein gewöhnliches Turnprogramm, das die Minis hier in dem modernen Saal in der Wiener Donaustadt absolvieren – denn BIG YU ist Österreichs erstes Kinderfitness-Studio. Das Konzept umfasst Sport mit sinnvoller Freizeitbeschäftigung und pädagogischer Betreuung. Kinder und Jugendliche können in einer funktionellen Trainingsausstattung ihre Haltung und Koordination verbessern, sowie Selbstschutz und Akrobatik erlernen – unterstützt von ausgebildeten Trainern.

Stressresistenz fördern

Sportwissenschaftler und Taekwondo-Großmeister Andreas Held ist der Gründer von BIG YU. Er betreibt auch YOUNG-UNG Taekwondo, Österreichs größte Kampfsportschule, und hat über viele Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass Kinder, die sich regelmäßig bewegen nicht nur fitter sind, sondern auch geistig eine positive Entwicklung durchmachen: „Bei den Kindern von heute besteht in Sachen Koordination und Körpergefühl viel Nachholdbedarf. Wenn man nicht vehement dagegen arbeitet, haben wir in 20 Jahren eine Gesellschaft, in der Rückenleiden und mangelnde Stressresistenz noch häufiger vorkommen werden, als bereits heute. Kinder und Erwachsene, die regelmäßig Sport machen sind hingegen gesünder, besser gelaunt, selbstbewusster und auch deutlich stressresistenter. Denn Bewegung wirkt sich auf den Körper ebenso positiv aus wie auf die Psyche.“ Gedacht ist das Programm für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren – und schon ab drei Jahren können Fitness-Knirpse trainieren, im Rahmen eines speziellen Kleinkinderprogramms. Für die Älteren gibt es dann getrennte Levels mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Wer einen Test positiv absolviert, kann sich am nächsten Level versuchen.

Sport macht schlau

Kinder und Jugendliche, die sich nicht nur in der Schule sondern auch in der Freizeit regelmäßig sportlich betätigen, können bessere Lernerfolge verzeichnen – das belegen zahlreiche Studien. Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft zum Beispiel belegt, dass Kinder, die mindestens einmal in der Woche Sport treiben, im Rechnen, Lesen sowie dem Rechtschreiben besser abschneiden als andere Klassenkameraden. Dass Bewegung auch direkt im Unterricht förderlich sein kann, zeigte sich im Rahmen einer Studie des Zentrums für Sportwissenschaft der Universität Wien. Dabei wurde untersucht, inwieweit Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 14 Jahren von psychomotorischen Lernübungen im Unterricht profitieren. So wurden etwa Buchstabenübungen gemacht, bei denen die jüngeren Kinder das Alphabet mit ihrem Körper nachzeichnen oder Buchstaben abgehen. Das Fazit der Forscher: Die Kinder hatten sich die Lerninhalte besser gemerkt und waren motivierter, Neues zu lernen. Das Klima in der Klassengemeinschaft war außerdem besser und es gab weniger Konflikte zwischen den Kindern oder Kindern und Lehrern.

Toleranz und soziales Miteinander

Auch deshalb wird in BIG YU, das vergangenen September eröffnet wurde, nicht nur Fitness für Kinder – und deren Eltern oder Großeltern – angeboten, sondern auch eine eigene Kinderakademie. Hier können Schulkinder ihre Hausaufgaben unter Aufsicht erledigen, bekommen, falls nötig, auch Nachhilfe und können am Musikunterricht teilnehmen. Neben den täglichen Fitnesseinheiten, eines der zentralen Elemente: das Vermitteln von Werten und Tugenden. Deshalb gibt es, so Andreas Held, selber vierfacher Vater, „immer eine spezielle Stunde am Tag, in der wir uns um die Persönlichkeitsentwicklung kümmern.“ Dazu gehören unter anderem ein respektvoller Umgang miteinander, Verantwortungsbewusstsein sowie Toleranz. Anhand von Praxisbeispielen und pädagogischen Schulungen sollen dann die sozialen Kompetenzen gesteigert werden.

Sportwissenschafter Andreas Held mit seinen kleinen Fitness-Teilnehmern. Mit dem Wiener BIG YU hat der Taekwondo-Großmeister Österreichs erstes Kinderfitness-Studio eröffnet.

In Abenteuerwelten eintauchen

Lernen mit Bewegung kombinieren möchte auch Sporttrainer Gerald Dygryn. Der ehemalige Lehrer bemerkte in seiner aktiven Zeit, dass jene seiner Schülerinnen und Schüler, die in der Freizeit intensiv Sport gemacht haben, signifikant bessere Noten und Lernergebnisse erzielten. Deshalb entwickelte Dygryn, der auch Schwimmkurse abhält, das Programm „Mindmover“. Das Ziel: „Ich möchte zeigen, dass Kinder durch Bewegung besser lernen. Wir bringen deshalb Bewegung und Lernen zusammen. Dafür haben wir verschiedene Abenteuerwelten kreiert, in denen Themen wie Weltall, die Tiefen des Ozeans, die Pole und vieles mehr, mittels altersadäquater Bewegungen erforscht werden – und gleichzeitig Wissen vermittelt wird.“ Dabei werden jeweils immer zwei Altersgruppen  : 1. und 2. Klasse sowie 3. und 4. Klasse Volksschule und 1. und 2. Klasse Gymnasium. Pro Semester werden vier Themen behandelt, wobei ein Thema vier Wochen in Anspruch nimmt. In den ersten drei Wochen geht es um die Wissensvermittlung und das Lernen neuer Bewegung. In der vierten Woche gibt es eine Challenge im Team in der man zeigen kann, was man gelernt hat und zum Beispiel zum Mindmover Astronaut wird. Gerald Dygryn: „Mit Mindmover ist eine neue Alternative entstanden, bei der Bewegung gefördert wird und dabei gleichzeitig auch soziales Verhalten, Teamgefühl und kognitive Elemente gestärkt werden.“ Kommenden Herbst sollen die regulären Kurse starten, die dann einmal in der Woche mit einer Dauer von jeweils 1,5 Stunden angeboten werden. Im Sommer startet man schon mit den ersten Feriencamps. Diese finden im Juli statt, wobei jedes Camp jeweils eine Woche umfasst. „In den Sommerkursen“, erklärt Gerald Dygryn, „sind unsere Gruppen inhomogen gemischt und wir haben dann jüngere mit älteren Kindern und sportliche mit nicht so sportlichen Kindern beisammen. Das Ziel ist zu zeigen, dass jeder seine Stärken einbringen kann.“

 

„Wer regelmäßig Sport macht, ist gesünder, fitter, besser gelaunt, selbstbewusster und stressresistenter“

Dr. Andreas Held
Sportwissenschaftler und Gründer BIG YU
www.yu-taekwondo.at

Vorbildwirkung

Doch wie kann man auch nicht so sporthungrige Kinder und Jugendliche für Bewegung begeistern? Gerade Eltern von Teenagern kennen es nur allzu gut: Die Kids sitzen am liebsten stundenlang vor dem Computer, um zu zocken oder sind mit dem Chatten am Smartphone beschäftigt und können Fitness, Laufen gehen oder Radfahren nicht viel abgewinnen. Sowohl Sporttrainer Gerald Dygryn als auch Sportwissenschaftler Andreas Held sind sich einig: Nur, wenn man seinen Kindern ein positives Vorbild ist, kann man sie nachhaltig zum Sport bewegen. Dabei ist auch wichtig, dass man so früh wie möglich damit beginnt und die Freude an der Bewegung ohne Druck fördert. Andreas Held betont, dass dann die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass das Kind auch in der Pubertät sportlich bleibt und weiterhin Freude an der Bewegung hat. „Meine vier Kinder machen alle Sport – weil ich sie von klein auf integriert habe. Je früher ich mein Kind zum Sport motivieren kann, umso besser ist es – denn es prägt das Kind für die Zukunft.“

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