Nachhaltigkeit

Wir reduzieren Plastik!

Gebrauchtes statt Neues. Mehrweg statt Einweg. Auf unnötige Plastikverpackungen verzichten. Wege, weg von den Müllbergen, gibt es viele. Wir zeigen, wie Familien ihr Konsumverhalten umgestellt haben, um ihren Alltag möglichst müllbefreit und ressourcenschonend zu gestalten.

„Das Um und Auf für uns ist ein gutes Netzwerk an Nahversorgern.“
Doris, 44, Unternehmerin, Ehemann Mario, 47, Vertriebsleiter und Marie, 10

Was waren eure ersten Schritte beim Reduzieren von Plastik im Haushalt?
Wir haben unser ganzes Lebens- und Einkaufsverhalten komplett anders geplant – und das war eine riesen Umstellung. Früher gab es einmal in der Woche einen Großeinkauf beim nächstgelegenen Supermarkt. Daher war der größte Aufwand am Anfang das Ausfindigmachen eines lokalen Netzwerkes an Versorgern in der unmittelbaren Nähe. So kaufen wir heute in Unverpackt-Läden, aber vor allem in den nachbarschaftlichen, landwirtschaftlichen Betrieben und Hofläden ein. Das erfordert eine gute Planung – einerseits um diese Besorgungen auch gut in unsere sonstigen Wege zu integrieren und natürlich auch im Bezug auf das Kochen bzw. vorrausschauendes Kaufen. Tja, und gewisse Dinge – wie Thunfisch- oder Bohnendosen – gibt es bei uns einfach nimmer.

Plastikfreie Produkte sind recht teuer. Inwiefern ist nachhaltig leben eine Frage des Einkommens?
Wir brauchen unterm Strich für Lebensmittel nicht mehr Geld, auch wenn sie im Einkauf teurer sind. Einfach deshalb, weil vieles, was wir früher gekauft haben, wegfällt. Wir kaufen auf Vorrat, frieren viel ein, verwerten wieder. Am Anfang kam eher der Faktor Zeit zum Tragen – bei zwei Vollzeit Arbeitenden. Doch inzwischen hat sich alles gut eingespielt. Außerdem sind Upcyceln, Backen oder Selbermachen lieb gewonnene, entschleunigende Freizeitbeschäftigungen mit unserer Tochter.

Wie kann man mit Kindern überhaupt plastikfrei leben?
Viele von unserer Tochter geäußerte Bedürfnisse nehmen wir erst einmal wahr und warten dann ab. Manches ist später kein Thema mehr. Bei Geburtstagen oder zu Weihnachten wird meist ein großer Wunsch erfüllt. Seit Kurzem besitzt unsere Tochter ein Handy und wir haben ihr vermittelt, dass es lange bei diesem bleiben muss, auch wenn dazwischen viele neue Modelle rauskommen. Ansonsten holen wir Bücher aus der Bücherei. Bei Gewand und Spielen haben wir ein gutes Tauschnetzwerk. Außerdem reparieren wir viel, wir upcyceln und ich nähe auch Sachen.

Wie kommt eure Haltung in der Schule an?
Wir haben dort kommuniziert, dass wir versuchen plastikfrei zu leben und wurden gleich in die Klasse eingeladen, um darüber zu referieren. Da ist also ganz viel Bewusstsein schon auf andere übergesprungen.

„Besser ganz viele machen es so gut wie möglich, als wenige perfekt!“
Amrei, 31, selbstständig tätig, Partner Simon, 34, und Olivia 3, Fridolin 6

Was waren denn eure ersten Schritte beim Reduzieren von Plastik im Haushalt?
Unser Fokus lag am Anfang bei den Lebensmitteln. Wir haben unser Einkaufsverhalten komplett umgestellt. Frische Produkte wie Obst oder Gemüse beziehen wir fast ausschließlich von Märkten. Trockenzutaten kaufen wir im Unverpackt-Laden. Dafür müssen wir zwar ein Stückerl mit dem Zug fahren, aber wir kaufen dann in größeren Mengen ein, die man auch gut lagern kann.

In welchen Bereichen habt ihr zuerst umgestellt?
Im Bad war es relativ einfach, weil man gut auf unverpackte Seifen, feste Deos undsoweiter umsteigen kann. Unsere Wäsche waschen wir mit Efeu und Kastanien, das funktioniert ziemlich gut. Drogerieprodukte gibts auch im Unverpackt-Laden und weil sich diese ja nicht so schnell verbrauchen, hat man da auch sofort ein schönes Erfolgserlebnis. Schwieriger war es schon bei den Sachen, von denen man rasch viel verbraucht. Da unterstützen wir die Direktvermarktung und schauen, dass wir das meiste direkt beim Bauern kaufen.

Viele fragen sich womöglich, wie man mit Kindern überhaupt Plastik reduzieren kann?
Gerade für die Kinder habe ich so gut wie nichts neu gekauft. Da kriegt man wirklich alles vom Gewand bis zu Ausstattung und Spielzeug second hand – über Tauschbörsen oder Flohmärkte. Natürlich schränken wir unseren Konsum ein – aber so, dass uns auch nichts abgeht. Es gibt bei uns zum Beispiel wenig Süßigkeiten. Wir backen Kuchen und Kekse großteils selber, wobei es Gummizeug & Co. eh auch im Unverpackt-Laden gibt. Wir waren bei beiden Kindern windelfrei unterwegs – in der Nacht haben die Stoffwindeln super funktioniert. Bei Geburtstagen gibt es Gemeinschaftsgeschenke. Die meisten Freunde und Verwandte schenken nachhaltig. Manche wollen nicht mit leeren Händen kommen und kaufen Kleinigkeiten – und das respektieren wir auch.

Die wenigsten schaffen es wohl, komplett vom Plastik loszukommen. Wo drückt ihr ein Auge zu?
Wenn die Kinder Süßigkeiten oder sonst was geschenkt bekommen. Bei den Kindern bin ich inzwischen vom Zahnpulver wieder auf die flurorhaltige Pasta aus der Drogerie umgestiegen. Wichtig ist uns allgemein, in allen Bereichen ein bisschen was zu machen. Frei nach dem Motto: es ist besser, ganz viele machen es so gut wie möglich, als nur wenige perfekt.

Stichwort Weihnachten: Wie spart ihr da Müll?
Weniger schenken und nur das, was es wirklich braucht. Die Kinder bekommen zwei große Geschenke, zum Beispiel etwas, das sie sich lange wünschen, anstatt viele kleine. Als Geschenkpapier verwenden wir Zeitungspapier bzw. von Jahr zu Jahr die gleiche Verpackung.

Plastikfreie Produkte sind recht teuer. Inwiefern ist nachhaltig leben eine Frage des Einkommens?
Klar kosten die Produkte im Unverpackt-Laden mehr Geld. Es sind ja auch qualitativ hochwertige und meist Bio-Produkte. Und ich betrachte immer das Gesamte. Viele Sachen wie Fertigprodukte oder Naschereien brauchen wir nicht, hier spart man viel Geld. Unsere Rechnung funktioniert so: für nachhaltige Produkte geben wir ganz bewusst mehr Geld aus. Wenn ich etwas am Markt kaufe, zahle ich also das, was es auch Wert ist.

INFOS & WORKSHOPS
Amrei hat mit zwei Partnern die Plattform www.deinespur.at gegründet – mit vielen Infos zum Thema Nachhaltigkeit, Online-Vorträgen und Workshops.

„Es geht um die Vorbildwirkung und nicht darum, andere zu belehren.“
Evelyn Rath, 42, Zero Waste Expertin und Vortragsrednerin, Vorstandsmitglied von Zero Waste Austria. www.zerowasteaustria.at

Inwiefern ist ein Plastik bzw. Müll reduzierter Haushalt eine Frage des Geldbörsels?
Gesamtheitlich betrachtet ist es günstiger. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil vieles schlichtweg nicht gekauft wird. Im Lebensmittelbereich kann man sich auf unverpackte Grundnahrungsmittel beschränken. Fertigprodukte und die ganzen verpackten Sachen etwa aus der Snack- oder Naschabteilung fallen weg. Wenn ich im Bad auf Seifen umsteige, vielleicht sogar die eine oder andere Creme selber mache, fallen Spesen weg. Ebenso im Haushalt, wo ich mit Seife, Natron und Essig einfache und wirkungsvolle Reinigungsmittel herstellen kann. Bei Gewand, Spielsachen und anderen Konsumgütern kann ich auf gebrauchte Sachen zurückgreifen, die nur einen Bruchteil der neuen Teile kosten.

In welchem Bereich sollte man beginnen – und wo vielleicht ein Auge zudrücken?
Ich empfehle, im Lebensmittelbereich anzufangen. Man kann sich erkundigen, welche unverpackten Produkte ich auf Märkten in der Umgebung erhalte, bei welchen regionalen Händlern ich eventuell mit meinen Kisten oder Sackerln zum Auffüllen hin kann oder wo ich ein Gemüsekistl beziehen kann. Von absoluten Verboten halte ich nichts, weil dann womöglich das Gefühl entsteht, dass einem etwas fehlt. Vielmehr geht es darum, sich auf das zu reduzieren, was man wirklich braucht.

In Österreich werden immerhin 76 Prozent der PET-Flaschen recycelt. Einen gewissen Anteil an Plastik im Restmüll braucht es erwiesenermaßen für die Energiegewinnung. Inwiefern macht es also Sinn, auf Plastik zu verzichten?
Vermeiden ist besser als recyceln. Mehrweg besser als Einweg. Warum? Weil der beste Müll immer der ist, der gar nicht anfällt. Recyceln ist richtig und gut, aber es ändert wenig am Konsumverhalten bzw. am Verschwendungsgedanken. Der Grundgedanke beim Reduzieren sollte ja der sein, von den Müllbergen wegzukommen.

Nachhaltig leben hört sich oft ganz schön zeitaufwändig an. Wie sehen Sie das?
Natürlich brauche ich am Anfang eine gewisse Zeit, bis sich vieles eingespielt hat. Ich habe vielleicht neue Besorgungswege und Quellen und es braucht wohl Routine, das eine oder andere selber zu machen. Viele Familien merken aber bald, dass nachhaltiger oft auch entschleunigender ist. Und wie stressig hingegen unser konsumorientiertes Shoppen ist.

Was sind denn meist die ersten Schritten für Familien, Plastik im Haushalt zu reduzieren?
Zunächst sollte jeder Spaß an der Sache haben und sich mit der Umstellung des Alltags nicht überfordern. Ich sage das bewusst, weil das Thema meistens einem Familienmitglied besonders am Herzen liegt. Und da gilt: Es soll für niemanden in der Familie eine Plage sein bzw. sollte niemand zum Umdenken gezwungen werden. Was die ersten Schritte betrifft, hat es sich bewährt, Bilanz zu ziehen: Was brauchen wir im Alltag an materiellen Dingen, um gut und glücklich zu leben? Wie ist unser Konsumverhalten als Familie – was ist denn alles vorhanden, was kann ich wieder verwenden und was müssen wir tatsächlich neu erwerben? Und was macht unseren Mistkübel eigentlich so voll?

Schule und Kindergarten sind nicht immer nachhaltig. Wie geht man damit um?
Es geht nie darum, andere zu belehren. Wichtig ist vielmehr die Vorbildwirkung. Gerade beim Schulmaterial und bei der Jause gibt es viele nachhaltige Lösungen und die Bereitschaft, auf Alternativen umzusteigen, ist bei vielen Familien – und auch bei den Einrichtungen – groß.

 

Befreie dich vom Müll:
Autorin: Evelyn Rath
Verlag: myMorawa,
Preis:19,99 Euro

Die Autorin gewährt humorvolle Einblicke in einen entmüllten Familienalltag, mit einer Vielzahl an Rezepten und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu weniger Verschwendung und Abfall in allen Lebenslagen.

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