Bildung

Wollt ihr mich verAPPeln?

Mathe-App, Lese-App, Kontroll-App, digitale Stundenpläne, Online-Post von der Lehrerschaft. Ständig piepst oder vibriert Mama oder Papas Handy über verschiedenste digitale Kommunikationskanäle. Man muss kein Technik-Muffel sein, um wegen der medialen Info-Flut an sowas wie App-Überlastung zu leiden.

 

Keine Frage: Die Digitalisierung erleichtert in vielen Bereichen unser Leben. Banken- und Behördenwege können einem weitestgehend erspart bleiben. Viele administrative Tätigkeiten können bequem und zeitsparend via Handy, Tablet oder Laptop abgewickelt werden. Whats-App, Signal, Instagram, TikTok, Zoom, X, Facebook oder wie sie alle heißen: Soziale Medien und digitale Messenger-Applikationen ermöglichen einen unglaublich facettenreichen Kommunikationszugang zu einer Vielzahl von Menschen. Längst hat die Digitalisierung auch Einzug in Kindergärten und Schulen gehalten, wo zahlreiche Kommunika-tions-Apps Gang und Gäbe sind. „Edu-flow“, „Schoolfox“, „Schoolupdate“ und „Webunitis“ sind gängige Apps, die für die Schulen zum Teil auch seitens des Bildungsministeriums empfohlen werden. „Eduflow* bezieht Eltern und Schüler beiderseits ein, „SchoolFox“ ist ein digitaler Assistent für Lehrpersonen und wird oft zur Kommunikation mit den Eltern, aber auch mit den Schülern, verwendet. Ähnlich funktioniert „School-update“ das wie die anderen Apps auch Tools wie Kalender und Umfragen bietet. Diese Apps sind in der Regel kostenlos, datenschutz-konform und bieten deshalb eine gute Alternative zu beispielsweise Whatsapp, das im Schulkontext nicht verwendet werden darf, weil die Daten dort nicht EU-rechtskonform geschützt sind. Neben solchen Apps, die für die Kommunikation zwischen Eltern, Lehrpersonen und der Schülerschaft gedacht sind, schießen Lern- oder Übungs-Apps nur so wie Schwammerln aus dem Boden.

Anton, Quizlet, Kahoot! oder Quickmath – eine Mathe-App hier, ein Online-Vokabeltrainer oder Sprach-Kurs da, eine Lern-Plattform dort. Auch wenn die digitalen Medien vielfach Lernen und Kommunikation erleichtern sollen, können die unterschiedlichen Kommunkations-Tools sowie die App-Vielfalt für Eltern schnell einmal auch zur Herausforderung werden.

 

 

Sorge vor Info-Überflutung

„Mit dem Schuleintritt meiner Tochter musste ich mich erst damit anfreunden, dass ich eine Reihe von Apps installie- ren musste, die für die Kommunika- tion mit der Schule und fürs Lernen gebraucht werden. Unsere Lehrerin ist sehr kommunikationsfreudig und manchmal frage ich mich schon, ob ich als Mutter tatsächlich diese ganzen Updates über verschiedene Unterrichtsinhalte brauche!“, gibt Andrea Berger, Mutter zweier Mädchen im Volksschulalter, zu Bedenken. Mit der schier endlosen schulischen Kommunikationsspirale hadert gewissermaßen auch Michael Klinger, dessen Sohn ein Gymnasium besucht, während die Tochter noch in der Volksschule ist: „Mein Posteingang wird ständig mit „wichtigen“ Mitteilungen von jeder Schule geflutet. Ich erhalte mindes- tens drei wöchentliche Newsletter sowie allgemeine Infos und Ankündigungen, die per SMS und per E-Mail verschickt werden, damit man sie ja nicht verpasst. Obwohl ich es schätze, auf dem Laufenden gehalten zu werden, komme ich ehrlich gesagt oft gar nicht nach, die endlosen Aktualisierungen durchzulesen. Gerade im beruflichen Alltag ist es gar nicht so leicht, den Überblick zu bewahren, zumal bei uns auch noch die Online-Portale und Chats der Sport- und Elternvereine zu checken sind. Freilich erleichtere die digitale Kommunikation vieles und Klinger betont, er wolle keinesfalls gegen die Digitalisierung wettern. „Aber zwischen all den Messages und Push-Benachrichtungen sehne ich mich tatsächlich manchmal nach einem ausgedruckten Schulbrief oder Infozettel, den ich mir wo hinheften kann“, gesteht der alleinerziehende Zweifach-Vater.

Eltern als verlängerter Arm der Schule

Der Trend zur vermehrten Einbindung der Eltern hat auch in Kindergärten vermehrt Einzug gehalten. So sollen innovative Eltern-Apps Updates über den Kindergarten-Alltag liefern: Mama und Papa wissen dann zum Beispiel, was die Kinder gegessen haben, mit wem sie gespielt oder ob sie am Klo waren. Manche dieser Apps liefern zusätzlich interaktive Lernhäppchen zu allgemeinen Erziehungs-, Bildungs- und Entwicklungsthemen, die für Eltern von Kindergartenkindern interessant sein können. Angesichts solcher Angebote stellt sich grundsätzlich auch die Frage, in welchem Ausmaß Eltern überhaupt in Sachen Schule oder Kindergarten am Laufenden gehalten werden sollen. Müssen oder wollen Mütter und Väter von heute wirklich wissen, ob im Sachkunde-Unterricht in der Volksschule gerade der Fuchs oder die Schildkröte durchgemacht wird? Welche Lernwörter bis zum nächsten Deutschtest geübt werden sollen und dass übermorgen der Zahlenraum bis 100 erarbeitet wird? Studien aus der Bildungsforschung haben ergeben, dass Lehrpersonen die digital unter- stützte Kommunikation jedenfalls als effektive Möglichkeit erachten, die Elternbeteiligung zu erhöhen. Es gilt als erwiesen, dass Eltern sich gegenwärtig stärker verantwortlich für den Lernerfolg ihrer Kinder fühlen. Das habe laut Forschung viel mit dem Performance-Drang unserer Zeit zu tun sowie einer weit verbreiteten Sorge, dass die eigenen Kinder ohne gezielten Eltern-Support zurück bleiben. Dieses verstärkte Involviertsein wiederum impliziere einen regen und regelmäßigen Austausch zwischen Schule und Elternhaus. „Schulen gehen tatsächlich immer öfter davon aus, dass Eltern sozusagen ihr verlängerter Arm sind mit der Konsequenz, dass Eltern sich vermehrt in die Pflicht genommen sehen“, weiß Bildungsexperte Andreas Reinke.

 

 

Worüber sollen Eltern eigentlich Bescheid wissen?

In unserer von Smartphone und Internet geprägten Zeit werden sich die Allerwenigsten gegen digitalisierte Mitteilungshefte und Terminkalender aussprechen. Und Fakt ist: Keine Schule kommt ohne Benachrichtigungen für Eltern aus, weil es letztendlich Aufgabe von Erziehungsberechtigten ist, Kindern dabei zu helfen, Struktur in den Schulalltag zu bekommen. Eltern müssen darüber Bescheid wissen, wann die Kinder einen Ausflug machen, über geänderte Unterrichtszeiten, Geldbeiträge, Gesprächstermine oder auch benötigtes Lernmaterial informiert werden. Einer Entwicklung in Richtung Newsletter-Kultur und Kontroll-Wahn stehen jedoch immer mehr Eltern auch skeptsch gegenüber. Wie so oft, macht wohl auch hier die Dosis das Gift. „Die Eltern bekommen von mir jeden Freitag eine Nachricht, in der ich in knappen Sätze berichte, worüber wir uns in der kommenden Woche im Unterricht beschäftigen. Außerdem enthält diese Mitteilung wichtige Informationen zu Organisatorischem“, erklärt Volksschullehrerin Beate Rieder ihren, wie sie selbst sagt, eher pragmatischen Zugang zur Mitteilungs-Praxis. Alles Übrige werde in der Klasse besprochen und die Kinder müssten sich zusehens selber ihre To-Do’s merken. Selbstständigkeit und Selbstorganisation werden laut Prognosen der Bildungsforschung ohnedies verstärkt von Nöten sein. Mit Verweis auf gesellschaftliche Modernisierungsprozesse sei anzunehmen, dass sich das Verhältnis zwischen Familie und Schule nämlich verändern werde. Die zunehmende Erwerbstätgkeit von Müttern sowie die Pluralisierung von Familien- und Berufslagen etwa werden wieder mehr Distanz zwischen Familie und dem Themenkomplex Schule erfordern. Angebote wie etwa das Modell der Ganztagsschule weiter ausgebaut werden. Außerdem betonen Expert:innen, dass Kinder ab einem betimmten Alter sowieso lernen sollten, sich zusehens selbst zu Organisieren. Papa und Mama können wahrscheinlich damit leben, dass am Handy nicht aufpoppt, dass morgen Mathe-Prüfung ist.

Forum

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Insgesamt 0 Beiträge

Wir setzen Cookies auf dieser Website ein, um Zugriffe darauf zu analysieren, Ihre bevorzugten Einstellungen zu speichern und Ihre Nutzererfahrung zu optimieren. weitere Informationen

The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Close