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BILDUNG
Ungleiche Kindheit -
ungleiche Chancen? Bildungschancen tatsächlich „vererbt“? Und welchen Einfluss
Welche Rolle spielt das Elternhaus für die Bildung? Werden
kann die Schule überhaupt noch nehmen? Ein kleiner
Einblick in das große Thema Bildungschancen in Österreich.
Text: Eva Maria Wagner
Hat Papa die Hauptschule abgeschlossen oder dass hierzulande die Leistungen der Schüler
ein Studium? In welchem Beruf arbeitet Mama stärker vom sozioökonomischen Hintergrund
und wie viel Geld steht der Familie zur Verfü- abhängig sind als im OECD Schnitt.
gung? Wie viele Bücher gibt es im Haushalt
und ist ein Computer verfügbar? Diese und Chancengleichheit: Eine Utopie?
zahlreiche andere Kriterien werden herange- Dazu muss man sagen, dass Kinder aus
zogen um ein kompliziertes Thema in Zahlen benachteiligten Familien nirgendwo wirklich
zu packen und um ein Bild davon zu bekom- gleiche Chancen haben. Es gibt kein Land,
men, wie es um die Chancen für Bildung je in dem der soziale Hintergrund nicht über
nach familiärer Prägung steht. Eines haben den Bildungserfolg mitentscheidet. Per Defi-
die Kriterien gemein: Für das Kind sind nition würde eine wirkliche Chancengleich-
sie zufällig, weil sie hineingeboren werden heit allerdings bedeuten, dass bei gegebenen
in bestimmte Verhältnisse. Es soll erwähnt Begabungen keine Differenzen nach Herkunft
werden, dass nichts absolut verallgemeinerbar auftreten. Bei gleichen individuellen Voraus-
ist und es immer Gegenbeispiele in die eine setzungen sollte demnach weder der sozio-
oder in die andere Richtung gibt. ökonomische oder ethnische Hintergrund
Dennoch, die Zahlen sprechen eine sehr deut- noch die Bildungsnähe der Eltern die Chance
liche Sprache: Bildungschancen werden in auf höhere Bildungsabschlüsse beeinflussen.
Österreich nach wie vor zu einem großen Teil Ein hehres Ziel. Denn wo setzt die Ungleich-
vererbt. In zahlreichen Studien zum Thema heit ein und wie kann sie abgefedert oder
Bildungsvererbung zeigt sich, dass Kinder behoben werden?
Das Streben nach der von Eltern mit einem höheren Bildungs-
Verwirklichung der stand viel häufiger ebenfalls einen höheren Der Einfluss der ersten Jahre
Persönlichkeit und Bildungsabschluss erhalten, als Kinder aus Man könnte meinen, dass sich die unter-
der Potentiale ist ein bildungsfernen Haushalten. Das unterstreicht schiedlichen Bildungsniveaus mit dem Über-
menschliches Grund- ein Bericht der Statistik Austria zur „Verer- tritt vom Kindergarten in die Volksschule
bedürfnis. Doch die bung von Bildungschancen“ aus dem Jahr erstmals zeigen und sich in der weiteren
Chancen darauf sind 2018. Demnach hätten zwar immer weniger Schullaufbahn jedoch anpassen ließen. Der
ungleich verteilt.
Personen Eltern mit nur einem Pflichtschulab- Schluss daraus würde lauten, dass die Schu-
schluss, allerdings erreichten nur 7 % der 25- len hauptverantwortlich für die Bildungs-
bis 44-Jährigen einen Hochschulabschluss, biographie der Kinder sind und demnach in
deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss der Lage sein müssten, den sozialen Aufstieg →
haben. In derselben Gruppe erreichten 57 %
einen Hochschulabschluss, die selbst aus einer
Akademikerfamilie stammen.
Und die Studie „Chancengleichheit in der
Bildung“, der Organisation für wirtschaftliche
Foto: Shutterstock Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
zeigt, dass die Ungleichheit der Bildungschan-
cen in Österreich im internationalen Vergleich
besonders stark ausgeprägt ist. Das heisst,