Page 11 - 2110_Elternheft
P. 11

BILDUNG



 Ungleiche Kindheit -




 ungleiche Chancen?   Bildungschancen tatsächlich „vererbt“? Und welchen Einfluss



                 Welche Rolle spielt das Elternhaus für die Bildung? Werden



                     kann die Schule überhaupt noch nehmen? Ein kleiner
               Einblick in das große Thema Bildungschancen in Österreich.


                                                       Text: Eva Maria Wagner


                   Hat Papa die Hauptschule abgeschlossen oder   dass hierzulande die Leistungen der Schüler
                   ein Studium? In welchem Beruf arbeitet Mama   stärker vom sozioökonomischen Hintergrund
                   und wie viel Geld steht der Familie zur Verfü-  abhängig sind als im OECD Schnitt.
                   gung? Wie viele Bücher gibt es im Haushalt
                   und ist ein Computer verfügbar? Diese und   Chancengleichheit: Eine Utopie?
                   zahlreiche andere Kriterien werden herange-  Dazu muss man sagen, dass Kinder aus
                   zogen um ein kompliziertes Thema in Zahlen   benachteiligten Familien nirgendwo wirklich
                   zu packen und um ein Bild davon zu bekom-   gleiche Chancen haben. Es gibt kein Land,
                   men, wie es um die Chancen für Bildung je   in dem der soziale Hintergrund nicht über
                   nach familiärer Prägung steht. Eines haben   den Bildungserfolg mitentscheidet. Per Defi-
                   die Kriterien gemein: Für das Kind sind     nition würde eine wirkliche Chancengleich-
                   sie zufällig, weil sie hineingeboren werden   heit allerdings bedeuten, dass bei gegebenen
                   in bestimmte Verhältnisse. Es soll erwähnt   Begabungen keine Differenzen nach Herkunft
                   werden, dass nichts absolut verallgemeinerbar   auftreten. Bei gleichen individuellen Voraus-
                   ist und es immer Gegenbeispiele in die eine   setzungen sollte demnach weder der sozio-
                   oder in die andere Richtung gibt.           ökonomische oder ethnische Hintergrund
                   Dennoch, die Zahlen sprechen eine sehr deut-  noch die Bildungsnähe der Eltern die Chance
                   liche Sprache: Bildungschancen werden in    auf höhere Bildungsabschlüsse beeinflussen.
                   Österreich nach wie vor zu einem großen Teil   Ein hehres Ziel. Denn wo setzt die Ungleich-
                   vererbt. In zahlreichen Studien zum Thema   heit ein und wie kann sie abgefedert oder
                   Bildungsvererbung zeigt sich, dass Kinder   behoben werden?
 Das Streben nach der   von Eltern mit einem höheren Bildungs-
 Verwirklichung der   stand viel häufiger ebenfalls einen höheren   Der Einfluss der ersten Jahre
 Persönlichkeit und   Bildungsabschluss erhalten, als Kinder aus   Man könnte meinen, dass sich die unter-
 der Potentiale ist ein   bildungsfernen Haushalten. Das unterstreicht   schiedlichen Bildungsniveaus mit dem Über-
 menschliches Grund-   ein Bericht der Statistik Austria zur „Verer-  tritt vom Kindergarten in die Volksschule
 bedürfnis. Doch die   bung von Bildungschancen“ aus dem Jahr   erstmals zeigen und sich in der weiteren
 Chancen darauf sind   2018. Demnach hätten zwar immer weniger   Schullaufbahn jedoch anpassen ließen. Der
 ungleich verteilt.
                   Personen Eltern mit nur einem Pflichtschulab-  Schluss daraus würde lauten, dass die Schu-
                   schluss, allerdings erreichten nur 7 % der 25-   len hauptverantwortlich für die Bildungs-
                   bis 44-Jährigen einen Hochschulabschluss,   biographie der Kinder sind und demnach in
                   deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss   der Lage sein müssten, den sozialen Aufstieg   →
                   haben. In derselben Gruppe erreichten 57 %
                   einen Hochschulabschluss, die selbst aus einer
                   Akademikerfamilie stammen.
                   Und die Studie „Chancengleichheit in der
                   Bildung“, der Organisation für wirtschaftliche
    Foto: Shutterstock  Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
                   zeigt, dass die Ungleichheit der Bildungschan-
                   cen in Österreich im internationalen Vergleich
                   besonders stark ausgeprägt ist. Das heisst,
   6   7   8   9   10   11   12   13   14   15   16