Ernährung

Bäh, das mag ich nicht!

Was Kinder essen, und vor allem das, was sie nicht essen, ist in vielen Familien ein leidiges Thema. Warum zählt Gemüse eher nicht zu den Lieblingsspeisen der Kids? Und was hilft im Umgang mit den sogenannten "little picky eaters"?

 

„Salat schmeckt mir nicht“. Zucchini mag ich nicht! „Ich will weiße Nudeln mit nichts drauf“. Oder: „Kann ich ein weißes, weiches Brot haben?“
Eltern rollen mit den Augen, wenn Sie Sätze wie diese hören. Ginge es nach den meisten Kindern,  würden sie wohl von Montag bis Sonntag am  liebsten Marmelade-Palatschinken und Schnitzel mit Pommes essen. Fallweise Toast, Pizza oder  Nudeln. Ohne viel drauf versteht sich. Sowas wie  Gemüse schon gar nicht. Kein Wunder, dass ablehnende „Bähs“ und sonstige Widerstände am Esstisch gerade im mitunter hektischen Familienalltag  oft in den Wahnsinn treiben. Schließlich wollen Erwachsene, dass der Nachwuchs möglichst abwechslungsreich und ausgewogen isst, um sich gesund zu entwickeln. Das auch als „Picky Eating“ bezeichnete Essverhalten von Kindern meint im Grunde das wählerische Herauspicken von Dingen, die den Kleinen munden sowie der skeptische Blick auf vieles, was landläufig als gesund gilt. Neu ist dieses Verhalten keineswegs. Nahezu alle Erwachsenen können sich wohl gut daran erinnern, dass sie als Kind gar so einiges nicht mochten. Auch daran, dass sich so manche Abneigung mit der Zeit gelegt hat. Und das ist laut Expert:innen auch die gute Nachricht im Umgang mit wählerischen Kleinessern. „Die meisten Antipathien lösen sich mit der Zeit“, versichert auch Ernährungswissenschafterin Astrid Stephan. Und nicht nur das. Wir sollten immer im Kopf haben, dass Kinder uns keinesfalls ärgern oder provozieren wollen, wenn sie bestimmtes Essen ablehnen. „Dass die meisten Kleinkinder Gemüse & Co ablehnen, hat schlichtwegs mit der Geschichte der Menschheitsentwicklung zu tun“, weiß Stephan. So lehnen Kinder zum Beispiel viele Gemüsesorten mit kräftigen Farbtönen instinktiv ab, weil manche von ihnen für unsere Vorfahren, die sich großteils von Pflanzen aus der Natur ernährt haben, giftig sein konnten. Was Eltern laut Astrid Stephan oft ebenso wenig bewusst ist: „Für Kinder gelten in Sachen Nahrungsaufnahme andere Maßstäbe als bei den Erwachsenen“.

Während die Großen im Schnitt deutlich weniger Kohlehydrate und daher umso mehr Gemüse essen sollten, bestehen die Hauptkomponenten von Kindermahlzeiten nun mal aus möglichst sättigenden Kohlehydraten sowie auch aus Fleisch. Gemüse wiederum sollte als unerlässliche Beilage stets mit auf den Teller. „All dieses Wissen kann uns helfen, das wählerische Essen unserer Kinder etwas gelassener und geduldiger zu betrachten“, meint Astrid Stephan. Man solle jedenfalls nicht aufgeben, bestimmte Lebensmittel immer wieder anzubieten, weil sozusagen irgendwann schon der „Knopf aufgeht“. Gerichte, auf die sich alle einigen können, dürfen ruhig öfters auf den Speiseplan. Von strikten Verboten oder auch der Tabuisierung typischer Kindergerichte wie Pommes oder süßen Palatschinken hält Stephan hingegen nichts. Ebenso von dogmatischen Reden à la „wenn du nicht isst, kriegst du gar nichts mehr“ oder „wenn du nicht aufisst, wird das Wetter schlecht“. Solche Ansagen hätten nämlich meistens den Effekt, dass das Kind erst recht „dicht“ mache und das Esserlebnis am Ende für alle zur Qual werde.

 

 

WIE wichtiger als WAS

Apropos: Nahrungsaufnahme sollte immer mit positiven Gefühlen verbunden sein. Insofern ist auch Ernährungsexpertin Astrid Stephan davon überzeugt, dass sich eine stimmige Tischkultur sowie individuell festgelegte Rituale positiv auf ein gesundes Essverhalten auswirken. „Regeln und Rituale geben für ein Kind den Raum vor, in dem sie sich sicher und frei entfalten kann. Rituale können ein gemeinsam gedeckter Tisch, ein Tischgebet oder auch Raum für die Erzählung der Erlebnisse des Tages sein“. Außerdem müssten die Tischregeln von allen Familienmitgliedern gemeinsam beschlossen und auch eingehalten werden. Expert:innen sind sich darüber einig, dass jedwede Ablenkung, wie Fernsehen, Handy oder sonstige Lektüre bei den Mahlzeiten absolut Tabu ist. Neben Gelassenheit und Geduld im Umgang mit dem Essensthema sollten Eltern verinnerlichen, dass bei Kindern ohnedies oft weniger das WAS, sondern mehr das WIE im Vordergrund steht. Also wie sich die Esssituation gestaltet, wie das Essen dargeboten oder auch zubereitet wird. Manchmal kann es hilfreich sein, die Abfolge der Lebensmittel zu verändern oder auch einfach nur ihre Präsentation auf dem Teller zu variieren. „Das schmeckt ein bisschen wie Gurken“ oder „schau, das schmeckt ähnlich wie die Flocken beim Frühstück, die du gerne isst“. Vergleiche zu bereits bekannten und beliebten Lebensmitteln sind oft sinnvoll, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren. Einiges an Spielraum gäbe es laut Astrid Stephan auch bei den Texturen oder Kombinationen von Speisen: „Vielen Kindern schmeckt Kürbis zum Beispiel eher als Suppe und nicht als gewürfeltes Gemüse. Manches Gemüse schmeckt den Kindern püriert oder als Auflauf verarbeitet besser, manches nur roh“. Hier gelte: Einfach ausprobieren und die Kinder nach Möglichkeit auch beim Kochen und Zubereiten mithelfen lassen. „Ich empfehle in dem Zusammenhang auch einmal den Besuch eines gemüse- oder obstverarbeitenden Betriebes, damit die Kinder sozusagen die Wege unseres Essen kennenlernen. Auch daheim selber Paradeiser oder Kresse zu ziehen, ist für die Kinder eine große Bereicherung“, empfiehlt Stephan.

 

 

Vollwertig essen – aber wie?

Bunt und abwechslungsreich wie die Vielfalt heimischer Gemüse- und Obstsorten sollte im Übrigen auch unser Speiseplan sein. Eine ausgewogene Ernährung für die ganze Familie bestehe laut Astrid Stephan jedenfalls aus sättigenden Getreideprodukten, vor allem in Vollkornform, saisonal erhältlichem Gemüse, Hülsenfrüchten, magerem Fleisch, Geflügel und Fisch, Milchprodukten, sowie hochwertigen Ölen und möglichst regionalem Obst. Da war doch noch was, oder? Richtig. Der nicht nur bei den Kleinen so beliebte Zucker – ob als Süßigkeit oder Mehlspeise – sollte nur in Maßen genossen werden. Als kleine Nachspeise nach den Hauptmahlzeiten zum Beispiel. Und weil Kinder aus physiologischer Sicht mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt brauchen, machen kleine Jausen durchaus Sinn. Gemeint sind damit laut Stephan allerdings nicht fettreiche Snacks oder Schokoriegel für zwischendurch, sondern zum Beispiel geschnittenes Obst und Gemüse, Vollkornbrot mit Schinken oder Käse. Was das Trinken betrifft, warnt die Ernähgrungsexpertin: „Finger weg von allen zuckerhaltigen Getränken!“ Wasser ist schließlich der beste Durstlöscher für Groß und Klein.

 

Ernährungswissenschaftlerin Astrid Stephan erklärt, was kindliche Essensskepsis mit der Menschheitsentwicklung zu tun hat, dass typische Kindergerichte kein Tabu sein sollten und sich die meisten Antipathien irgendwann legen.

 

Woher kommt denn die Vorliebe der meisten Kinder für Süßes?
Der erste Geschmackseindruck, mit dem wir in Berührung kommen, ist süß. Nämlich über das Fruchtwasser im Mutterleib, das süßlich schmeckt. Das Gehirn des Fötus speichert dieses Süße als eines der ersten Sinn- bzw. Geschmackserlebnisse ab. Schwangere können den Geschmack des Fruchtwassers jedoch mit einer möglichst diversen Ernährung beeinflussen. Nährstoffreiches Essen während der Schwangerschaft ist daher nicht nur für die gesunde Entwicklung des Fötus wichtig, sondern beeinflusst auch nachweislich die Geschmacksentwicklung des Kindes.

 

Wird Gemüse dann deshalb oft abgelehnt, weil es eher nicht süß schmeckt?
Zum Teil ja. Allerdings gibt es dafür eine andere entwicklungstechnisch relevante Ursache: Gerade Gemüse mit seinen oft grünen Farben wird von Kleinkindern instinktiv abgelehnt, weil es giftig oder ungenießbar sein könnte – was bei unseren Vorfahren, die sich von dem ernährt haben, was die freie Natur zu bieten hatte, durchaus der Fall sein konnte. Süßlich schmeckende Muttermilch hingegen, die zum Großteil aus Fett und Milchzucker besteht, speicherten Babys immer schon als „sichere“ Nahrung ab. Die Akzeptanz von bitter oder sauer muss hingegen erst erlernt werden.

 

Wie können wir den Kindern Gemüse & Co denn schmackhaft machen?
Eines dürfen wir nicht vergessen: Gemüse muss bzw. soll im Kleinkindalter noch keine Sättigungsfunktion haben. Die Hauptkomponenten von Kindermahlzeiten bestehen möglichst aus sättigenden Kohlehydraten und auch aus Fleisch. Gemüse und Salate sollten jedoch von Anfang an als Beilage zu den Hauptspeisen angeboten werden. Babys und kleineren Kindern sollte man unbedingt die Möglichkeit geben, das Essen mit allen Sinnen zu erfassen: also mit Augen, Zunge und auch den Händen! Für ältere Kinder sollte Rohkost als Jause immer verfügbar sein, gerade knackige Gemüsesorten wie Karotten, Kohlrabi oder Gurken sind bei Kindern beliebt. Es muss ihnen natürlich entsprechend dargeboten werden – alleine würden sie zunächst oft wohl eher zur Kekspackung greifen.

 

„Der Grundstein für späteres Essverhalten wird in der Kindheit gelegt!“

Astrid Stephan ist promovierte Ernährungswissenschafterin und Mutter von drei Kindern.

Zitatzeichen

 

Weil viele Kinder am liebsten Schnitzel, Pommes oder Palatschinken essen, haben Eltern oft aus Frust aufgegeben, gesündere Alternativen anzubieten…

Es ist nun mal Aufgabe der Eltern, den Kindern gesundes Essen immer wieder schmackhaft zu machen und den Widerstand dagegen auch auszuhalten. Schließlich wird der Grundstein für das spätere Ernährungsverhalten bereits in der Kindheit gelegt. Ich rate zu Kompromissen, statt typische „Kindergerichte“ komplett zu tabuisieren. So finde ich Palatschinken in Ordnung, wenn vorher etwa eine Suppe oder ein Salat gegessen wird. Statt Pommes passen vielleicht auch einmal Petersilienerdäpfel oder ein Erdäpfelsalat. Der Kaiserschmarrn auf einer Hütte nach einer Wanderung und das beliebte Schnitzel im Wirtshaus sind sowieso eher die Ausnahme als die Regel.

Oft heißt es, man soll für „Extrawürste“ keinesfalls extra kochen. Wie sehen Sie das?

Meine Empfehlung lautet: dran bleiben was Gemüse & Co betrifft, immer wieder verschiedene Alternativen anbieten und Kinder zumindest zum Kosten animieren. Denn die gute Nachricht ist: Die meisten Antipathien lösen sich mit der Zeit auf. Schmeckt etwas 15 Mal nicht, taugt es den Kindern vielleicht ab dem 16. Mal. Nahrungsaufnahme sollte immer mit einer positiven Atmosphäre und mit positiven Gefühlen verbunden sein. Ich rate deshalb dringend von Verboten ab. Diese haben nämlich meistens den Effekt, dass das Kind erst recht „dicht“ macht und das Esserlebnis zur Qual wird. Für Kinder extra kochen würde ich nicht. Schmeckt das Familienessen ganz und gar nicht, tut es auch einmal ein Butterbrot.

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