Nachhaltigkeit

Diskussionsrunde: Was machen Sie persönlich für den Klimaschutz?

Die jungen Klimaaktivisten Lena, Elisabeth und Hiroyuki diskutierten mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler über Erderwärmung, Energiesparen und lahme Klimapolitik.

Hiroyuki: „Wie soll der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl in Österreich bis 2030 funktionieren?“
Leonore Gewessler: Auf dem Weg aus der Krise investieren wir viel Geld für den Klimaschutz. Zwei Drittel von 6 Milliarden Euro an Hilfsgeldern sind klimawirksam, 1,5 Milliarden davon gehen direkt in den Klimaschutz, etwa für technische Investitionen von Unternehmen, die auf erneuerbare Energieträger umsteigen. Kein Geld gibt es aber für die Weiternutzung von fossilen Energieträgern. Und wir planen eine Photovoltaikoffensive. In Österreich gibt es rund eine Million freier Dachflächen, also sehr viel Platz für Photovoltaikanlagen. Deren Ausbau wollen wir gezielt in den kommenden Jahren fördern, sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen.

Elisabeth: Was machen Sie eigentlich persönlich, um Energie zu sparen?
In Wien benutze ich für Fahrten vorwiegend das Fahrrad, die öffentlichen Verkehrsmittel oder gehe zu Fuß. Dienstreisen innerhalb Österreichs erledige ich vor allem mit der Bahn. Wenn möglich fahre ich auch zu EU-Sitzungen in Brüssel mit dem Nachtzug. Und wir haben ein E-Auto in der Familie, mit dem ich hin und wieder unterwegs bin.

 

„Wird es in Zukunft keine Unterstützung der öffentlichen Hand für fossile Großprojekte mehr geben?“
Hiroyuki Shima, 15
Schüler am Oberstufenrealgymnasium Nonntal in Salzburg

Hiroyuki: Wird es in Zukunft keine Unterstützung der öffentlichen Hand für fossile Großprojekte, etwa die 3. Piste am Flughafen Schwechat oder die Mönchsberggarage in Salzburg, geben?
Der Bund wird in klimafreundliche Infrastruktur investieren. Im Straßenbau geht es um den Erhalt bestehender Projekte, ein Ausbau ist aber vor allem im Bahnverkehr geplant. Hier investieren wir in den nächsten sechs Jahren 17,5 Milliarden Euro. Viele Projekte, etwa die Garage im Mönchsberg, sind aber Länder- oder Gemeindeangelegenheiten. Hier versuchen wir auch gemeinsam mit den Landeshauptleuten und Bürgermeistern nachhaltige Verkehrsprojekte umzusetzen. Denn das diese sinnvoll sind, ist unbestritten. Und durch Corona haben sich die Rahmenbedingungen für den Flugverkehr dramatisch geändert. So werden durch Videokonferenzen auch in Zukunft viele Geschäftsflüge entfallen. Da wird es wohl nicht so schnell Bedarf für eine 3. Piste geben.

Lena: Wie wollen Sie den öffentlichen Verkehr für die Österreicher/innen attraktiver machen?
Ein gutes Angebot schafft Nachfrage. Das zeigt sich etwa in Vorarlberg ganz deutlich. Dort gibt es ein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmittel, Carsharing mit E-Autos, Leih-E-Rädern und auch den Willen, durch die Raumplanung Verkehr zu vermeiden, etwa indem man in den Ortschaften auch zu Fuß einkaufen gehen kann. Und auch Wien zeigt mit dem 365-Euro-Jahresticket für die öffentlichen Verkehrsmittel, wie ein attraktiver Preis auch die Nachfrage deutlich steigern kann.

 

„Wie wollen Sie den öffentlichen Verkehr für den Großteil der Österreicher/innen attraktiver machen?“
Lena Müller, 14
Schülerin am Musischen Gymnasium in Salzburg

Lena: Kommt das 1-2-3-Ticket jetzt wirklich 2021?
Das 1-2-3-Ticket ist das zentrale Anliegen, mit dem ich meinen Job in der Regierung begonnen habe. Seit 14 Jahren gibt es in Österreich den Plan, ein bundesweites Ticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel einzuführen. 2021 kommt das jetzt wirklich. Wir wollen noch im 1. Halbjahr mit dem österreichweiten Ticket für 1.095 Euro starten. Das sind um gerechnet nur 3 Euro pro Tag für ganz Österreich. Das haben wir für nächstes Jahr fix im Budget. Die Stufen 1 – nur ein Bundesland – und 2 – zwei Bundesländer, eine Region – sollen bis Jahresende 2021 folgen.

Elisabeth: Welche Zukunft sehen Sie für die Autos, Elektromobilität oder doch Wasserstoff?
Die Reise geht hier eindeutig in Richtung E-Mobilität. Denn die Ökobilanz ist bei E-Autos wesentlich klimafreundlichr als beim Wasserstoff, auch wenn man die derzeit noch sehr unbefriedigende Situation bei der Batterie-Herstellung mit einberechnet. Es wird sich aber auch bei den Batterien in den nächsten Jahren sehr viel verändern. Da wird die Herstellung weg vom Lithium hin zu umweltfreundlicheren Elementen, etwa Kohlenstoff, gehen. Und die fünf Millionen Diesel- oder Benzinautos, die derzeit auf Österreichs Straßen fahren, verschwinden ja nicht auf einmal. Da wird es einen langfristigen Übergang geben müssen. Wir achten darauf, dass der Schadstoffausstoss bei Verbrennungsmotoren laufend gesenkt wird.

Lena: Wird es also den geplanten Autobahnausbau um 20 Milliarden Euro nicht geben?
Wir werden nach wie vor Geld für den Erhalt und die Verbesserung der Sicherheit bei Autobahnen und Schnellstrassen investieren müssen. Die E-Autos müssen ja auch wo fahren. Allerdings haben wir im Mobilitätsmasterplan für Österreich festgelegt, dass wir ab 2040 klimaneutral sein wollen. Das betrifft auch den Güterverkehr. Das schaffen wir nur durch einen Ausbau der Bahninfrastruktur. Neue Autobahnen sind da nicht erste Priorität.

 

„Ein gutes Angebot an öffentlichen und nachhaltigen Verkehrslösungen schafft Nachfrage. Das zeigen die entsprechenden Initiativen in Vorarlberg oder Wien ganz deutlich.“
Leonore Gewessler
Bundesministerin für Klimaschutz

Hiroyuki: Wird es in Österreich eine ökosoziale Steuerreform geben?
Klimapolitik ist immer auch Sozialpolitik. Wir wollen klimaschädliches Verhalten teurer und klimafreundliches Leben billiger machen. Das setzen wir bei den Steuern schrittweise ab 2021 um. Also CO2-emittierendes Verhalten wird stärker besteuert werden.

Elisabeth: Müsste dann nicht Ökostrom viel biller sein als Strom aus fossilen Quellen?
Ökostrom ist in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern in der EU schon heute nicht teurer als Strom aus fossilen Kraftwerken. Wir befinden uns aber in einer Energiewende. In Zukunft wird Strom nicht nur in großen Kraftwerken produziert, sondern dezentral von vielen Erzeugern, etwa durch Photovoltaik. Die versorgen dann mit Sonnenstrom von ihren Dächern auch die Haushalte der näheren Umgebung. Da wird es andere Tarifmodelle geben. Stromerzeuger und Verbraucher werden neue Beziehungen zueinander eingehen. So werden sich vielleicht Nachbarn an einer Solaranlage am Dach eines Privathauses beteiligen und Gratisstrom für ihr Investment bekommen. Es wird Energiegemeinschaften geben, die größere Anlagen gemeinsam finanzieren. Da wäre für mich etwa vorstellbar, dass die meist großen Dachflächen von Freiwilligen Feuerwehren so für Gemeinschaftskraftwerke genutzt werden können. In Zukunft werden viel mehr Menschen an der Stromerzeugung beteiligt sein. Dadurch entstehen auch ganz neue Geschäftsmodelle und Strompreise.

 

„Müsste die Mülltrennung in Österreich nicht viel besser als heute funktionieren, wenn der Plastikmüll reduziert werden soll?“
Elisabeth Rossipal, 13
Schülerin am BG Krottenbachgasse in Wien

Elisabeth: Wie wollen Sie den Plastikmüll reduzieren?
Wir müssen etwa die Recyclingquoten von PET-Flaschen in Österreich erhöhen. Dafür habe ich das Plastikpfand vorgeschlagen, worüber wir gerade in der Regierung verhandeln. Dazu brauchen wir neue Regeln für den Einsatz von Mikroplastik, etwa in Kosmetika, Waschmittel, aber auch über Kunstfasern in unserer Kleidung. Ganz wichtig ist mir hier der Einsatz von Mehrwegsystemen bei Getränken. Und jeder von uns kann durch sein persönliches Einkaufsverhalten viel dazu beitragen, Plastik zu reduzieren, etwa bei Verpackungen.

Elisabeth: Müsste nicht auch die Mülltrennung in Österreich verbessert werden?
Wir haben in Österreich ein gut ausgebautes Müllsammelsystem, aber wir müssen noch viel besser werden. Beim Plastik verwerten wir erst 25 Prozent der verwendeten Kunststoffe. Das müssen wir in den kommenden Jahren dringend auf 50 Prozent steigern. Derzeit sammeln wir jährlich in den Nationalparks 2 Tonnen Plastikmüll ein. Das zeigt, wie problematisch die Situation da wirklich ist.

Lena: Sollte die Politik nicht langlebige und reparaturfähige Produkte zugunsten von Wegwerfprodukten unterstützen?
Wir müssen weg von unserer derzeitigen Wegwerfgesellschaft hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Das wird nur durch gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene funktionieren. Ich bin dafür, dass die Konsumenten ein Recht auf Reparatur haben. Die Produkte müssen also reparaturfähig sein und zwar zu Preisen, die deutlich unter einem Neukauf liegen. Reparieren gehört auch gefördert, etwa durch günstigere Steuern auf Reparaturdienstleistungen. Die Langlebigkeit von Produkten lässt sich zum Beispiel durch längere Garantiezeiträume regeln.

Hiryuki: Wie wollen Sie in der Bevölkerung eine Denkwende zugunsten der Nachhaltigkeit erreichen?
Wir müssen beim Erklären einfach besser werden. Wenn wir 2040 in Österreich wirklich klimaneutral leben wollen, dann geht das nur, wenn alle Bevölkerungsgruppen mitmachen. Klimaschutz ist ja etwas, das unseren Alltag verbessert. Wenn in Salzburg die Schwarzstraße oder in Wien der Gürtel nicht mehr völlig überlastete Staustrecken sind, sondern verkehrsberuhigte Straßen mit Bäumen und breiten Gehsteigen, wo die Leute spazieren gehen können, dann macht das das Leben für uns alle besser. Klimaschutz ist nicht nur eine Technikfrage. Klimaschutz ist auch die Frage, wie wir alle in Zukunft leben wollen. Klimaschutz bedeutet auch eine deutliche Steigerung der Lebensqualität für alle. Das müssen wir den Menschen gut erklären. 

Die Generation #fridaysforfuture diskutierte mit Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler.

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