Erziehung

Eltern für immer

Nach der Trennung ihrer Eltern bekommen Kinder meistens ein zweites Zuhause, manche auch eine zusätzliche Familie mit Stiefeltern, Geschwistern & Co. Wie empfinden Trennungskinder eigentlich das ständige Hin und Her und die oft neuen Familienkonstellationen? Und wie bleibt man als getrenntes Paar ein gutes Eltern-Team?

Es ist Freitag Nachmittag. Marcel schiebt seinen Dino-Trolley aus dem Kinderzimmer. Mama geht mit ihm noch kurz die Checkliste durch: Lieblingskuscheltier, das neue Lego, Fußballgewand und auch die Schulsachen für Montag sind dabei. An diesem Wochenende ist der Achtjährige bei seinem Papa, der am anderen Ende des Ortes wohnt. „Ich finde es cool, zwei Kinderzimmer zu haben und insgesamt habe ich seither vielleicht auch ein bisschen mehr Spielzeug“, schmunzelt Marcel. Mit seither meint der Bub die Trennung seiner Eltern vor rund drei Jahren. Dass er die Situation mit den getrennten Eltern und dem Hin- und Herpendeln zwischen den zwei Haushalten inzwischen auch recht cool findet, hat viel damit zu tun, dass der ärgste Schmerz wegen der Trennung inzwischen überwunden ist. Und damit, dass Marcels Eltern im Zuge der Trennung immer geschaut haben, dass seine Bedürfnisse nicht auf der Strecke bleiben und er auch die Möglichkeit hat, bei Entscheidungen mitzugestalten. „Wir haben von Anfang an offen mit unserem Sohn über die Trennung gesprochen und zusammen ausgemacht, wann er bei wem sein kann und wer von uns beiden für was zuständig ist“, erzählt Marcels Mutter Barbara. Und auch Papa Stefan bestätigt: „Marcel soll immer das Gefühl haben, dass sein Papa und seine Mama weiterhin verlässlich für ihn da sind“. Marcel sei am Anfang sehr traurig gewesen und die Kommunikation zwischen Stefan und Barbara nicht immer einfach. „Da war halt ganz viel Schmerz und auch Wut und wir mussten uns beide Marcel zuliebe immer wieder voll zusammenreißen“, sagt Stefan. Am liebsten hätten beide in der Zeit nichts mehr miteinander zu tun haben wollen.

Eltern-Verhalten sorgt für Wohlbefinden der Kinder
Sind Kinder da, kann man nicht einfach Aufnimmer-Wiedersehen sagen. Auch wenn sich mit der Zeit wieder so etwas wie Normalität in der neuen Konstellation einstellt: Für Kinder ist eine Trennung schlimm, weil die Situation einen riesigen Verlust bedeutet und die Welt, wie sie sie bisher kannten, ins Wanken gerät. Die Unsicherheit darüber, was nach der Trennung womöglich alles auf sie zukommt, macht ganz klar Angst. Die allermeisten Kinder wünschen sich laut Statistik immer, dass die Eltern zusammenbleiben – unabhängig von der Familiensituation und oft auch lange nach einer Trennung oder Scheidung. Dieser Wunsch sei laut Birgit Koller-Modry vollkommen normal und auch logisch, weil das Kind zu beiden Elternteilen eine besondere Verbindung hat. „Genau diese Verbundenheit gilt es bei einer Paartrennung mit Kindern zu erhalten. Eine Trennung kann nämlich dann gut gelingen, wenn die Kämpfe und Streitigkeiten ad Acta gelegt sind und die Eltern den Fokus darauf legen, was sie eben weiterhin verbindet – nämlich das Elternsein“, sagt die Familientherapeutin. Studien zeigen, dass Trennungskinder nicht automatisch unglücklich oder sonst wie „geschädigt“ seien. In der Regel haben Kinder eine Trennung nach zwei bis drei Jahren verarbeitet – abhängig freilich vom Reifegrad des Kindes.

Patchwork – nicht nur bunt und lustig
Komplizierter ist es, wenn aus den ursprünglichen zwei Familien eine neue wird. Patchwork hört sich nach einem lustig zusammengewürfelten Haufen Menschen an, wo sich alle lieb haben. Das vielfach idealisiert dargestellte Happy-Peppy-Flair gibt es in solchen Familien allerdings selten. Schließlich sind die Herausforderungen besonders groß, weil die Beziehungsgeflechte noch komplexer sind: Eltern- und Paarrolle sind nie identisch. Ex-Partner mischen freilich immer mit. Je mehr Kinder und Beteiligte, umso mehr Absprachen und Planung braucht es. Kein Wunder, dass es laut Forschung sogar bis zu sieben Jahre dauern kann, bis jeder in einer Patchwork-Konstellation seine Rolle gefunden hat. „Für mich war es am Anfang komisch, dass meine Mama einen anderen Mann lieb hat. Und dann war halt auch komisch, dass an den Wochenenden manchmal auch die Amelie bei uns gewohnt hat“, erzählt der 11-Jährige Felix. Amelie ist die gleichaltrige Tochter von Felix Stiefvater. Eine wirkliche Spielkameradin ist sie für Felix nicht. Wie eine Schwester schon gar nicht. Die zwei-jährige Lotta hingegen schon. Sie ist das Kind, das Felix Mama gemeinsam mit ihrem neuen Partner hat. „An den Tagen, an denen ich zu meinem Papa bin, war ich oft ein bisschen eifersüchtig auf die Lotta. Aber sie ist halt noch klein und braucht natürlich viel die Mama“, sagt Felix. Im seinem Zimmer in der neuen Wohnung, die Mama mit ihrem Stiefvater gemietet hat, fühle er sich inzwischen am wohlsten. „Da sind alle meine Sachen, mein Schreibtisch und auch mein E-Schlagzeug. Zum Glück vertragen sich alle ganz gut und meine Eltern sind beide immer für mich da. Obwohl ich schon oft noch traurig darüber bin, dass sie getrennt sind“, gesteht der Bub. Dass sich am Ende alle gut verstehen, ist keine Selbstverständlichkeit.

Wie Trennungskinder glücklich werden

Gelingt es dem getrennten Paar, nach der Trennung oder Scheidung ein kooperatives Elternmodell zu praktizieren, stehen die Chancen für eine „glückliche“ Trennung gut. „Ein Miteinander statt Gegeneinander gelingt, wenn die Eltern sich weiter als erziehungspflichtig sehen und nicht als jemand, der ein Recht auf das Kind hat“, sagt Koller-Modry. Also die Paarebene hinter sich lassen, aber als Eltern verbunden bleiben, in dem der jeweilige Elternteil seiner Aufgabe als Vermittler zum anderen nachkommt. Soll heißen: Wie gut es einem Elternteil gelingt, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil. Laut Statistik gelingt dies den allermeisten Paaren mit der Zeit. Die Forschung spricht von lediglich 5 Prozent hochstrittiger getrennter Eltern. „Ein Kind hat ein Recht auf beide Eltern und zwar als stabile Persönlichkeiten, die zu jedem Zeitpunkt die Verantwortung dafür tragen, dass das Kind nicht in Gewissens- oder Loyalitätskonflikte gerät“, so Koller-Modry. Kinder lieben nun mal bedingungslos. Und zwar beide Elternteile. Vollkommen egal, ob der Papa „ein Volltrottel“ oder die Mama fremdgegangen ist. Neben den oftmals typischen Loyalitätskonflikten solle man irgendwelche Versprechungen vermeiden, die man nicht einhalten kann. Außerdem müsse man sich dessen bewusst sein, dass die Entwicklung der Kinder trotz Trennung ihren weiteren natürlichen Lauf nimmt.

Die Pubertät verändert die Eltern-Bindung
„Ganz oft wird übersehen, dass zum Trennungsprozess auch noch der natürliche Loslösungsprozess der Kinder von den Eltern kommt, etwa wenn das Kind in die Pubertät kommt und automatisch auf Distanz zu den Eltern geht“. Will das Kind also plötzlich nicht mehr mit der Mama am Sofa kuscheln, obwohl gerade Mama-Wochenende ist, dürfe man das keinesfalls persönlich nehmen. Das „ideale“ Alter für eine Trennung gibt es übrigens laut Experten nicht. Als Faustregel gilt: Je jünger das Kind, desto öfter braucht es für die Bindungsstärkung den Kontakt zu beiden Elternteilen.

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