Bildung

Europa für Anfänger – und Fortgeschrittene

Andere Länder, anderes Selbstbewusstsein: Studien bestätigen, dass es der Persönlichkeitsentwicklung zuträglich ist, Zeit zur Bildung im Ausland zu verbringen. Wie Schulprojekte der EU den Horizont von Kindern, Jugendlichen und Lehrpersonal erweitern.

Lasagne auf griechische Art zubereiten und eine Schnitzeljagd in Frankreich – auf Französisch „jeu de piste“ genannt: Samuel Oberlehner, Schüler an der Mittelschule St. Agatha, und Lukas Sommerauer, Schüler am BORG Deutschlandsberg, konnten während ihrer Erasmus+ Aufenthalte viel Neues entdecken und ihren Horizont erweitern. Beide berichten begeistert. Sie haben gelernt, was sich im klassischen Unterricht nicht einfach so vermitteln lässt: das echte Leben.

Das Programm Erasmus+ mag vielen nur als Uni-Austauschprogramm bekannt sein, das Studierenden Aufenthalte in anderen EU-Ländern ermöglicht. Es beteiligen sich jedoch auch viele Schulen. Denn das EU-Programm fördert ganz allgemein länderübergreifende Bildung und unterstützt dabei auch schulische Kooperationsprojekte – sowohl für Jugendliche als auch für das Lehrpersonal. Den Namen Erasmus+ gibt es zwar erst seit 2014, internationalen Austausch gibt es aber schon seit Jahrzehnten. Die mit dem Programm betraute Agentur, Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung, kurz: OeAD, besteht bereits seit mehr als 60 Jahren. Die OeAD fungiert als gemeinnützige Schnitt- stelle für Bildungsangebote für alle Lebensphasen.

Erasmus+ – eine Erfolgsgeschichte

Finanziert wird Erasmus+ durch die Beiträge der EU-Mitgliedsländer. Für Österreich stehen für die laufende Projektperiode (2021 bis 2027) 683 Millionen Euro zur Verfügung. Bis Ende der Projektperiode werden insgesamt 240.000 Personen aus Österreich teilgenommen haben; 34.300 Personen pro Jahr, verteilt auf die Bereiche Hochschule, Schulbildung, Berufsbildung und Erwachsenenbildung. Jedes einzelne Erasmus+ Projekt muss direkt in Brüssel eingereicht werden. Nicht nur Samuel Oberlehner und Lukas Sommerauer hatten Glück. Denn Österreich blickt bislang auf eine besondere Erfolgsquote zurück: 35 Prozent aller eingereichten Projekte wurden im langjährigen Schnitt genehmigt (EU-weit: knapp über 20%). Die Ziele von Erasmus+ sind langfristige: Das Programm möchte etwa lebenslanges Lernen anregen, den sozialen Zusammenhalt fördern sowie zur Stärkung der europäischen Identität beitragen. Auch Schulen ermöglicht es engagierte Projektarbeit. Und: Erasmus+ richtet sich nicht nur an allgemeine bzw. berufsbildende höhere Schulen, sondern ebenso an Berufs-, Volks- und Mittelschulen.

Brücken bauen – europaweit

Schon einige Jahre ist die oberösterreichische Mittelschule St. Agatha gemeinsam mit Partnerschulen aus Spanien, Polen, Slowenien, Deutschland und Schweden im Rahmen der Erasmus+-Vernetzung aktiv. 2021 wurde man für das Projekt „Building Bridges“ auch ausgezeichnet, wie Projektkoordinator Niels Vandeputte erzählt. Als einzige oberösterreichische und eine von insgesamt nur drei öster- reichischen Schulen wurde die MS St. Agatha mit dem europäischen Innovationspreis ausgezeichnet: dem European Innovative Teaching Award. „Durch gemeinsame Aktivitäten und durch gegenseitige Besuche wurden Freundschaften geschlossen und grenzüberschreitendes Denken gefördert“, erzählt Vandeputte. „Wir ermutigen Schülerinnen und Schüler unserer ländlichen Mittelschule über den Tellerrand zu blicken und gemeinsam mit Gleichaltrigen verschiedenster Länder an Projekten zu arbeiten. Der Höhepunkt ist dann der Besuch unserer Partnerschulen, wobei jeweils drei bis fünf Kinder bei Gastfamilien übernachten.“ Aktuell gibt es wieder einen Austausch mit Schulen aus den Niederlanden, Spanien und Griechenland. Kurz nach Schulbeginn, im Oktober 2022, wird St. Agatha ihre Pforten für Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal der jeweiligen Partnerschulen öffnen. Im Jahr 2023 soll der erste Teil des neuen Projektes abgeschlossen sein – mit einem Besuch in den Niederlanden und später in Spanien. Da wie dort im Mittelpunkt und Thema: Umwelt und Nachhaltigkeit.

Freundschaften schließen — etwa in Südfrankreich

Auch das steirische BORG Deutsch- landsberg bietet die Möglichkeit, im Rahmen des Erasmus+-Projekts andere Länder kennenzulernen. „Unsere Französischschüler und -schülerinnen haben die Möglichkeit, am individuellen Austausch ‚Échange scolaire Johanna Dohnal – Simone Veil‘ zwischen der Steiermark und Südfrankreich teilzunehmen“, sagt Lehrerin Karin Stiegler. Die gemeinsame Anreise sowie ein mehrtätiger Kultur- und Sprachkurs in Nizza werden von Erasmus+ finanziert. „Danach verbringen alle vier Wochen in einer französischen Gastfamilie und besuchen dort mit ihrem Austauschpartner die Schule, bevor dieser auf Gegenbesuch nach Österreich kommt“, so Stiegler. Klare Vorteile eines Auslandsaufenthalts sieht sie darin, dass ihre Schüler und Schülerinnen im Beisein von Native Speakern mehr Motivation aufweisen, eine Fremdsprache zu erlernen; sie erhielten Einblicke in andere Schulsysteme, ins Alltagsleben, in die Politik – und das aus erster Hand. Besonders freut es die Lehrerin zu sehen, wenn Kontakte weiterbestehen und sich langjährige Freundschaften ergeben.

Griechische Lasagne und französische Schnitzeljagd

Viele Schüler und Schülerinnen kommen dank Erasmus+ mit neuen Erkenntnissen zurück nach Hause. Schüler Samuel erinnert sich an die gemeinsame Zeit seiner Klasse auf Kreta: „An einem Tag während unseres Aufenthalts war in der gesamten Schule kein Unterricht, weil ein großes Schulfest stattgefunden hat. Wir wurden durch die Schule geführt, wir haben den spannenden Technikraum begutachtet, lernten einen griechischen Tanz, machten Lasagne – aber nicht die italienische Variante, die wir kennen, sondern es ist ein Art Nudelteig, den wir mit Käse gegessen haben – und haben an einem Sportwettbewerb teilgenommen. Zum Schluss haben wir die Lasagne gegessen und es hat einen großen Tanz in der Aula gegeben. Eine richtig spannende Erfahrung.“

Lukas wiederum durfte mit seiner Klasse nach Nizza – inklusive Gesang, Spielen und Schnitzeljagd: „Bereits auf dem Weg nach Nizza haben wir gemeinsam auf Französisch gesungen, um uns spielerisch auf die sprachliche Herausforderung vorzubereiten. In Nizza angekommen, haben wir dann ans Singen angeschlossen und einander mit Spielen kennengelernt und Französisch gelernt. Ein Highlight war der Sprachkurs und ein Besuch im Centre Universitaire Méditerranéen und wir haben am Nachmittag dann die Stadt im Zuge einer jeu de piste (Schnitzeljagd) entdeckt“, schwärmt der Schüler. „In Wahrheit war diese Woche wirklich ein Dauerhoch: Gutes Essen, kompetente Lehrpersonen, viel Spaß, Sonne, tolle Kolleginnen und Kollegen und eine wunderschöne Stadt.“

Selbstbewusst nach dem Aufenthalt

Die Wissenschaft sieht Auslandsaufenthalte für junge Menschen eindeutig positiv, denn sie fördern nicht nur Kompetenzen und erweitern den Horizont, sondern stärken auch das Selbstbewusstsein. Das hat eine gemeinsame Studie der Universitäten Münster, Utrecht, Kiel, Berlin und Mainz ergeben: Nach einem Jahr im Ausland sahen sich die Befragten selbst in einem besseren Licht als ihre daheimgebliebenen Mitschüler. Und Psycholog*innen der Friedrich-Schiller-Universität Jena fanden in einer Studie heraus, wie Jugendliche nach einem Auslandsaufenthalt zurückkommen: aufgeschlossener, selbstsicherer und reifer.

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