Bildung

Ey, alles nice? – Experten-Interview

"Sprache ist immer ein kreatives Spiel": Philipp Ikrath, Jugendforscher, im Gespräch mit Redakteurin Daniela Jasch.

Der Jugendforscher Philipp Ikrath über Gemeinsamkeiten aller Jugendslangs, mileubedingte Einflüsse und das leidige Gejammer über den Sprachverfall.

Philipp Ikrath, Jugendforscher

Welche allgemeinen Charakteristiken von Jugendsprache lassen sich festmachen?
Ikrath: Es gibt einen Trend hin zur Vereinfachung, zu besonders bildhaften Ausdrücken und zu einem Außerkraftsetzen der Konventionen der Grammatik. Was sich außerdemquer durch alle Schichten zieht, ist die Verwendung von Sprachspielen sowie Ironie. Letztere ist ein relativ neues Phänomen. Und zwar nicht im Sinne von klassisch ironisch, also etwas nicht ernst Nehmen. Die Ironie der jungen Heranwachsenden ist eher als Reaktion auf eine undogmatische Welt zu verstehen, die kein abschließendes Vokabular zur Verfügung hat. Alles andere also als eine gleichgültige Haltung: Die Ironie bedeutet ein klares sich Einlassen auf die Welt, die so klar nicht mehr zu sein scheint.

Wie beurteilen Sie die oft hörbare Kritik an der Jugendsprache, sie sei für den Verfall der deutschen Sprache verantwortlich?
Ikrath: Das leidige Gejammer über den Sprachverfall ist genau wie das über den vermeintlichen Werteverfall der jungen Generation Teil der jahrhundertealten, konservativen Jugendkritik. Derzufolge war ja nicht nur die Sprache früher besser, sondern einfach alles.

Die Ironie ist eine Reaktion auf eine undogmatische Welt.

Philipp Ikrath, Jugendforscher, www.jugendkultur.at, www.jugendkultur forschung.de

Zitatzeichen

Viele Eltern und Pädagogen sind besorgt. Wozu raten Sie?
Ikrath: Zu mehr Gelassenheit. Sprache ist immer lebendig und als kreatives Spiel mit unseren sprachlichen Fähigkeiten zu betrachten. Egal, wie Sprache gemixt wird: Das Ziel ist erfolgreiche Kommunikation und Identifikation. Jugendliche sprechen ja nicht absichtlich unverständlich. Statt zu werten, fragen Sie lieber nach, wenn etwas unklar ist. Versuchen Sie nicht, den Jugend-Slang zu imitieren. Das wirkt meistens eher peinlich.

Welche Rolle spielen bildungs- bzw. schichtspezifische Jargons für das Deutsche?
Ikrath: Durch verschiedene Migrationsunterschiede gibt es natürlich entsprechende Einflüsse aus den jeweiligen fremden Muttersprachen. So werden zum Beispiel im Deutschen häufig Pronomen oder Artikel weggelassen, weil es in der jeweiligen Fremdsprache gar keine gibt. Jugendliche können in der Regel sehr gut zwischen Jargon und der deutschen Hochsprache switchen. Das geht klarerweise nur, wenn Deutsch als Muttersprache tatsächlich beherrscht wird. In der Sprache manifestieren sich insofern soziale Ungleichheiten, wobei das kein sprachliches, sondern ein strukturelles Problem ist.

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