Bildung

Ey, alles nice?

Ganz viel Englisch, dafür kaum Grammatik. Vereinfachungen hier, verspielte Andeutungen dort. Der Slang der Jugend ist für Große oft kaum verständlich. Sprachverfall oder einfach der ganz normale Wahnsinn halbwüchsiger Interaktionen?

Sage mir, wie du redest, und ich sage dir, wer du bist! Wir Eltern ahnen ja im Prinzip, dass die Lieblingsfloskeln unserer Teenager Aufschluss darüber geben, welche Interessen sie haben, welche Persönlichkeitstypen sie sind und mit welchen Leuten sie sich umgeben. Nur was das Verstehen des deutsch-englischen Kauderwelschs betrifft, stoßen wir häufig an die Grenzen unserer Imaginationskräfte. Schaut man ihnen nämlich zu Hause im Wohnzimmer beim Chatten über die Schulter oder hört ihnen in den Öffis beim Reden zu, kann es einem schon mal selber die Sprache verschlagen, und wir sehen nur noch Fragezeichen: Was ist bloß passiert mit den süß plappernden Kleinkindern und den eifrig parlierenden Grundschülern, die sich am Familientisch noch so bemüht haben, die Erlebnisse des Tages in möglichst langen, komplizierten Sätzen vorzubringen?

chill mal!

Aus dem amerikanischen Slang (vom engl. Wort „to chill“, also abkühlen) bedeutet es „abhängen“ und „sich entspannen“.

nice!

Wenn etwas gefällig ist und man etwas gut findet, auch bewundernd (aus dem Engl. „nice“, also „nett“, „hübsch“ ).

kappa

Kommt aus der Internetsprache, insbesondere aus der Streaming-Platt form „Twitch“ und kennzeichnet einen doppeldeutigen Satz.

Du Opfer!

Jemand ist voll peinlich und somit absolut bemitleidenswert.

Die EINE Jugendsprache gibt es nicht

Reden junge Leute, wimmelt es nur so vor knappen Andeutungen, Metaphern und Anspielungen, die offensichtlich nur innerhalb der jeweiligen Clique verstanden werden. Schon mal was von Grammatik gehört? Konventionen sind doch dazu da, um sie zu brechen. Artikel und Pronomen? Kann man eigentlich eh weglassen. Anglizismen? Funktionieren doch auch eingedeutscht super. Und was ist mit den Normen der deutschen Hochsprache? Die woll’n uns doch nur dissen, Digga!

Unsere Teenager wachsen in einer schnelllebigen, digital geprägten Welt heran, in der YouTube und Video-on-Demand boomen. Influencer, YouTuber und Vlogger sind die neuen Stars. Kein Wunder also, dass sich die Sprache der jungen Leute danach richtet. Netzsprache, Einflüsse aus Musik und Fremdsprachen – die Jugendsprache von heute ist ein vielfältiger Mix. „Die Einflüsse kommen großteils aus Bereichen der Popkultur. Serien und Filme zum Beispiel werden von den Jugendlichen vorwiegend im Original konsumiert. Das erklärt zum Teil den vermehrten Einsatz von Füllwörtern aus dem Englischen“, erklärt der Jugendforscher Philipp Ikrath. Eine Jugendsprache im Allgemeinen gibt es aber nicht. Darüber sind sich Sprachwissenschaftler und Experten einig. Viel zu unterschiedlich sind die jeweiligen Ausprägungen: regionale, aber auch milieuspezifische. Gleiche Begriffe können an verschiedenen Orten andere Bedeutungen haben oder anders interpretiert werden. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht man davon, dass es mehrere Jugendsprachen mit unterschiedlichen Gruppenstilen gibt. „Jemand, der in ein Döblinger Privatgymnasium geht, spricht anders als ein Teenager einer öffentlichen Schule im 10. Wiener Bezirk“, so Ikrath. Noch dazu ändern sich die Jargons wahnsinnig schnell. „So sind Abkürzungen wie LOL oder YOLO etwa inzwischen schon wieder out.“

Hey, der spoilert!

Aus dem Englischen „to spoil“ („verderben“) bedeutet so viel wie „jemanden/etwas verraten“.

ich schwöre!

Kommt aus der Kiezsprache (also multiethnisch geprägt), oft im Zusammenhang mit dem arabischen „Wallah“, also bei Gott schwören.

Du hast mich gedisst!

Stammt vom englischen Wort „disrespect“, eigentlich Gangster-Slang und bedeutet so viel wie „jemanden beleidigen“.

Was geht, Digga!

Aus dem deutschen Rap stammend, Synonym für „Alter“ (Kumpel).

Sprachverfall oder kreatives Spiel?

Das Phänomen der Jugendsprache ist im Grunde nichts Neues. Bereits im 19. Jahrhundert etwa bildete sich in den Kreisen der damaligen Studenten ein eigener Jargon heraus. Später, in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, machten die sogenannten „Halbstarken“ von sich reden, fesche „Hähne“ haben ihre neuen „Flammen“ ordentlich „angebraten“, die wiederum im Mini richtig „fetzig“ aussahen. In den 80er-Jahren war selten „alles paletti“, oder man lag miteinander „im Clinch“. Jugendsprache war immer schon eigen. Ein bisschen Imponiergehabe. Latent vulgär und derb, wahrscheinlich weit mehr, als es die Jugendlichen eigentlich sind. Und in ihrer Eigentümlichkeit ein wichtiges Mittel, um sich klar von den Erwachsenen abzugrenzen, ihre Gruppenzugehörigkeit zu definieren und mit Gleichaltrigen zu identifizieren.

Viele verwendete Floskeln oder Wörter verschwinden mit der Zeit wieder oder stabilisieren sich. Beste Beispiele dafür sind etwa „geil“ oder „cool“ – die kommen aus den Achtzigerjahren und sind inzwischen voll in die Umgangssprache integriert. Dennoch empfinden nicht nur Kulturpessimisten und Hardcore-Verfechter der legitimen deutschen Sprache angesichts der Sprachbasteleien der Teenager Unbehagen. Manche Eltern und Pädagogen orten gar generellen Sprachverfall und fragen sich, wie viel Verformung überhaupt zumutbar ist. „Dass Sprache sich verändert, ist keine Frage der Zumutbarkeit, sondern eines der Grundprinzipien von Sprache generell“, sagt Arne Ziegler, Germanist an der Universität Graz. Sprache ändert sich demnach ständig. Das häufige Vorurteil vieler Erwachsener, dass Jugendsprache keine Regeln habe und das allgemeine Sprachniveau sinke, könne durch Studien nicht belegt werden. Gerade Jugendliche entwickeln erstaunlich kreative Codes und Zeichen, um sich untereinander zu verständigen.

Die meisten Jugendlichen wissen auch, welche Ausdrucksform an welchem Ort angemessen sind. In Deutschaufsätzen vermisst man jedenfalls bis auf weiteres Zwinkersmileys. Und „ich schwöre, ich bin voll die Maschine“ schreibt wohl kein Jugendlicher in ein Motivationsschreiben für eine Bewerbung. Ebenso entgegen der vielfach verbreiteten Annahme gebe es derzeit laut Ziegler unter Jugendlichen in informeller Kommunikation eine starke Tendenz hin zum standardnahen Sprachgebrauch. Die Volksschulmädchen, die wir also speziell im urbanen Raum in astreinem Bundesdeutsch miteinander reden hören, sind vermutlich keine Austauschschülerinnen aus Hannover oder Mannheim. Welche Auswirkungen dieser Trend auf Dialekte und urösterreichische Begriffe hat, bleibt noch abzuwarten.

Du Noob!

Abgewandelte Kurzform vom englischen Wort „Newbie“, was mit „Anfänger“ übersetzt werden kann. Eher abwertend.

LOL, YOLO

Abkürzungen aus der Chatsprache wie „laugh out loud“ („laut auflachen“) und „You only live once“ („du lebst nur einmal“) sind teilweise wieder out.

Alte, chillt mal!

Auch wenn das „mal chillen“ schon wieder out ist, tun Eltern laut Experten gut daran, die Sprache ihrer Kinder entspannter zu sehen. Es ist erwiesen, dass Jugendliche im Übergang zum Erwachsenenalter aus der Phase der sprachlichen Dramatisierung herauswachsen. Bis dahin gilt es, eine sprachliche Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Gemeint ist weniger ein peinliches Imitieren des Slang-Vokabulars. Auch das berühmte „Lexikon der Jugendsprache“ ist hierbei wenig hilfreich. Hat Langenscheidt es erst einmal gedruckt, kursieren längst neue Modewörter. Es reicht, wenn wir uns mit unseren Kids einfach unterhalten. In ganz normaler, authentischer Sprache.

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