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„Frauen fühlen sich oft für andere verantwortlich und ignorieren ihre Bedürfnisse“

Barbara Sandner, Psychotherapeutin in Wien und Pressbaum, über das Problem, dass viele Frauen mit dem „Nein“-Sagen und dem Selbstwertgefühl haben.

Warum fällt es Frauen schwer „nein“ zu sagen?

Viele Frauen waren bis in die 1980iger Jahre wirtschaftlich von ihren Männern abhängig. Bis 1977 konnten Frauen kein eigenes Bankkonto eröffnen und mussten ihre Männer um Erlaubnis fragen, um überhaupt arbeiten zu dürfen. „Nein“ sagen musste man sich also erst einmal leisten können. Die Vergewaltigung in der Ehe war übrigens erst ab 1989 (!) strafbar. Bis dahin durften verheiratete Frauen nicht über ihren Körper bestimmen. Das Idealbild einer Frau war auch die fleißige Hausfrau, die still und unentgeltlich ihre Arbeit verrichtet und ihre Bedürfnisse weit hinter die der Familie stellt. In meiner Kindheit gab es unter uns Mädchen noch Poesiealben mit Sprüchen. Von einem war ich damals offensichtlich so nachhaltig irritiert, dass ich ihn heute noch weiß: Sei wie das Veilchen im Moose, still, sittsam und rein. Nicht wie die stolze Rose, die stets bewundert will sein. Ich kann mich hingegen an keinen Spruch erinnern, in dem wir als Mädchen ermutigt wurden, laut und selbstbewusst unsere Meinung zu sagen oder Grenzen zu setzen. „Nein“ sagen, wurde nicht als positives Verhalten gewertet. Frauen fühlen sich auch nach wie vor verantwortlich für das reibungslose Zusammenleben innerhalb der Familie und stellen ihre Bedürfnisse oft hinten an. Dadurch sind sie sehr gefährdet, in ein Burnout hineinzurutschen.

Gibt es Situationen in denen es für Frauen besonders schwierig ist, „nein“ zu sagen – Beruf, Partnerschaft oder Kinder?

Laut Statistik zeigt sich vor allem im beruflichen Umfeld der größte Unterschied im „Nein-Sagen“ zwischen Männern und Frauen. Während Männer ihren sozialen Status über eine klare und stabile Rangordnung definieren, versuchen Frauen durch besonders soziales Verhalten ihren Wert in der Gruppe herzustellen. Auch wird „männliches“ Verhalten, was ein klares „Nein“ beinhalten würde, bei Frauen durch ihr Umfeld viel schlechter bewertet – der Begriff „Karrierefrau“ hat immer noch einen negativen Beigeschmack. Deshalb erfordert es viel Mut und Selbstbewusstsein sich durchzusetzen, und um die eigenen  Karriere zu kämpfen. Auch bei den Freundinnen und Kindern fällt es Frauen schwerer als Männern „nein“ zu sagen, interessanterweise aber nicht bei den Eltern und in der Partnerschaft.

Manche Frauen spüren ihre Bedürfnisse gar nicht. Warum ist das so?

Um die eigenen Bedürfnisse spüren zu können, müssen sie irgendwann einmal wahrgenommen und bestätigt worden sein. Idealerweise passiert das in der Kindheit durch die Eltern oder nahestehenden Erwachsenne. Wenn diese aber selbst Probleme damit hatten, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und zu artikulieren, können sie diese „Sprache“ auch nur unzureichend an ihre Kinder kommunizieren. Mädchen orientieren sich dabei meistens an ihren Müttern, die ja gelernt haben, Bedürfnisse anderer über ihre eigenen zu stellen und das auch unbewusst eher von den Töchtern als von den Söhnen erwarten. Verhaltensweisen verändern sich meist nicht nach einer Generation, aber zum Glück gibt es inzwischen genug Möglichkeiten, sich helfen zu lassen.

Wie kann eine Frau lernen, mehr zu ihren eigenen Bedürfnissen zu stehen?

Sie sollte sich als ihre eigene beste Freundin fragen: „Tut mir diese oder jene Situation gut, fühle ich mich wohl dabei? Ist eine bestimmte Begegnung bereichernd oder nicht? Was sind meine Befürchtungen, wenn ich jetzt ,Nein’ sage, und was ist der Preis dafür, wenn ich es nicht tue? Verurteile ich mich selbst, wenn ich etwas ,falsch’ mache oder bin ich liebevoll mit mir?“ Die eigenen Grenzen wahrzunehmen und sie zu respektieren, ist ein Akt der Selbstfürsorge und steigert auch das Selbstbewusstsein. Oft ist es sinnvoll, sich mit einem Coaching oder einer Psychotherapie unterstützen zu lassen. Für manche Frauen ist dieser geborgenen Raum oft das erste Mal, dass sie sich voll und ganz angenommen fühlen. Ich denke, dass es gerade für Eltern von Mädchen nach wie vor wichtig ist, sie immer wieder zu bestärken, zu sich zu stehen und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche ernst zu nehmen.

„Sagen Sie nein – das ist völlig in Ordnung!“

Mag. Barbara Sandner

Psychotherapeutin

www.barbara-sandner.at

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