Bildung

Ich gründe eine Schule

Sie beschreiten neue Bildungspfade und möchten ihren Schülern nachhaltiges Wissen vermitteln. Schulen und Lernzentren, die von engagierten Frauen und Männern gegründet wurden und ihre Konzepte im familiii-Porträt.

Töpfern und Theaterspielen, tägliche Turnstunden, Sprachreisen, bei denen man auf einem Bauernhof arbeitet, am selben Ort lernen an dem auch Mama und Papa arbeiten – Dinge, die wohl nur an wenigen Regelschulen zu finden sind. Aus genau diesem Grund haben sie sich dazu entschieden, neue Wege im Bildungsbereich zu gehen – Frauen und Männer, die eine Schule gegründet haben.

Bildung ohne Frontalunterricht

Jeder zehnte österreichische Schüler – in Wien jeder fünfte – besucht eine Privatschule. Die Bandbreite der dahinterstehenden Organisationen und Personen ist ebenso groß wie die der Philosophien. Sie reicht von kirchlichen Organisationen bis zu engagierten Eltern, von katholisch geprägten bis hin zu alternativen Denkmodellen. Was alle vereint: Sie möchten aufzeigen, wie Bildung ohne Frontalunterricht funktionieren kann.

Arbeiten auf dem Bauernhof

Auch auf der Wiener w@alz, einer privaten Schule mit Öffentlichkeitsrecht für Jugendliche von 14 bis 19 Jahren, verfolgt man diesen Weg. Im Jahr 2000, von Renate Chorherr, einst Lehrerin in einer Waldorfschule, gegründet, orientiert sich der Unterricht am Lehrplan eines Oberstufenrealgymnasiums mit Bildnerischem Gestalten und Werkerziehung. Im Zentrum der Wissensvermittlung steht das konkrete Tun. Neben regelmäßigem Theaterspielen und Kunstunterricht finden in vielen Gegenständen Projekte im In- und Ausland statt: Die Teenager werden im Englisch-Unterricht nach Cornwall geschickt, um Praktika in Kindergärten zu machen, arbeiten bei Sozialprojekten in einem südafrikanischen Township oder in Spanien bei Wind und Wetter auf dem Feld. Renate Chorherr: „Die Erfahrungen im Ausland spielen eine wichtige Rolle. Man lernt zwar eine Fremdsprache im Unterricht, das kann aber nie den direkten Kontakt im Land selber ersetzen. Nur so kann man die Unterschiede der Kulturen erfahren und Toleranz lernen.“

Die Schulleiterin betont, dass ihr wichtig ist, dass den jungen Menschen mitgegeben wird, wie sie sich positiv mit ihren Talenten in eine Gemeinschaft einbringen können, Dinge zu hinterfragen und lösungsorientiert zu denken und zu handeln.

Individueller Unterricht

Auch die Begegnung auf Augenhöhe ist an der w@lz ein zentrales Element. Mit den Unterrichtenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist man ebenso per du wie mit der Schulleiterin. Fünfer werden nicht verteilt: Wenn Jugendliche nicht weiterkommen, bekommen sie individuelle Unterstützung. „Dieses starre Notensystem ist auch das, was ich der Regelschule vorwerfe. Man muss stützen und nicht immer nur beurteilen. Wenn die Jugendlichen nach der klassischen Regelschule zu uns kommen“, berichtet Renate Chorherr, „erleben sie so etwas wie einen positiven Kulturschock. Sie werden gefragt, wie es ihnen geht – und, wenn Bedarf besteht, wird ihnen geholfen, ihre Situationen zu ändern oder wie sie damit umgehen können, wenn sie nicht zu ändern ist.“ Eine weitere Besonderheit an der Schule: In den ersten Monaten gibt es keinen Unterricht, sondern Projekte im Wald oder Praktika bei Handwerksbetrieben.

Sprachenvielfalt

Ebenso auf ein kreatives Programm, abseits klassischer Lehrpläne, setzt man an der International School Krems (ISK): Der Unterricht findet bilingual in Deutsch und Englisch in Fächern wie Mathematik, Sachunterricht und Sport statt – 70 Prozent werden gemeinsam mit englischen Native Speakern abgehalten. Beatrix Konicek, Konzeptgeberin und Gründungsgeschäftsführerin: „Ich habe lange an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule gearbeitet und hatte die Vision, dass Schule heutzutage anders sein muss als das, was wir aus dem Regelschulwesen kennen.“ Die Basis der Schule, mit derzeit 82 Kindern in vier Klassen, sind christlich-katholische Werte, wobei Kinder jeder Herkunft, Religion und Konfession aufgenommen werden, da Toleranz und Miteinander zentrale Werte sind, wie die Mitgründerin sagt. Dabei steht das einzelne Kind mit seinen individuellen Fähigkeiten, Talenten und Begabungen im Mittelpunkt und der Unterricht fördert kreative Potenziale. Bianca Brantner, pädagogische Geschäftsführerin, ergänzt, dass an ihrer Schule die individuelle Betreuung eine Besonderheit darstellt: „Die Kinder haben eine enge Bindung zur Schule und zum Lehrpersonal, weil sie den ganzen Tag zusammen sind. Hinzu kommen eine tägliche Turnstunde und ein großes Angebot an Freizeitmöglichkeiten. Wir möchten die Kinder darauf vorbereiten, dass es auch andere Wege gibt, zu lernen und selbstständig Antworten auf Fragen zu finden.“

Neue Unterstufe

Der Unterricht, der an der ISK im Rahmen einer Ganztagsschule stattfindet, wird mit der Freizeit gemischt – auch der spielerische Umgang mit Technik sowie digitale Grundbildung gehören dazu. Für Herbst 2021 hat man an der ISK große Pläne, wie Bianca Brantner sagt: „Wir werden im September in Stift Göttweig mit einer Junior High, einer Unterstufenschule, starten, in die wir bis zu 22 Kinder aufnehmen.“

Lernen mit Mama und Papa

Im Lernprojekt Colearning Wien wiederum verbindet man Homeschooling und Homeoffice: Eltern arbeiten im selben Gebäude, in dem ihre Kinder, 12 im Alter von fünf bis 14 Jahren, lernen. „Wir wollten einen Ort haben“, sagen die Mitglieder des Colearning-Teams, „an dem wir arbeiten und unsere Kinder lernen können. Sie eignen sich ihr Wissen selbstbestimmt an und werden von uns unterstützt, bekommen jedoch keine Noten.“ Im Zentrum: der Erwerb von Kompetenzen in Selbstwirksamkeit, Selbstmanagement, Herzensbildung und Gemeinschaftssinn. Am Ende des Schuljahres wird eine externe Prüfung abgelegt, denn die Kinder sind zum häuslichen Unterricht von der Schule abgemeldet.

Selber Wissen aneignen

Für Florence Holzner ist der größte Unterschied zu den meisten Schulen, dass bei Colearning viel mehr Erwachsene vor Ort sind. Dabei wird mit der Managementmethode Scrum gearbeitet, bei der zu Jahresbeginn ein Ziel festgelegt und agil darauf reagiert wird, wie es erreicht werden kann. „Denn nicht jeder“, so Holzner, „lernt gleich. Wenn die Kinder aus der Regelschule zu uns kommen, brauchen sie mindestens ein Jahr um zu lernen, wie sie sich selber Wissen aneignen können. Wir laden regelmäßig Experten ein, die den Kindern Inhalte vermitteln. Es finden sich auch Eltern, die sich in einem Bereich engagieren – von Japanisch bis Filme drehen.“ Was alle Schulen, die sich abseits klassischer Pfade bewegen, gemein haben: die enge Bindung der Jugendlichen zur Schule, auch nach dem Ende der Schulzeit. Absolventinnen und Absolventen der w@lz etwa treffen sich ab und an mit ihren ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern. Einer der Schüler des ersten Jahrganges hat seinen Weg zurückgefunden: er arbeitet mittlerweile als Lehrer an seiner ehemaligen Schule.

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