Bildung

Keine Angst vor dem Fünfer

Noten oder keine Noten ist egal, wenn die eigentlichen Probleme nicht gelöst werden.

Keine Angst vor dem Zeugnis

Mit dem Semesterzeugnis bekommen einige Schüler in Österreich wieder ein Nicht genügend – einen Fünfer. Kein Grund zur Sorge, dieser lässt sich ausbessern und muss nicht überbewertet werden.

Das österreichische Schulsystem und die meisten Gespräche über Schule und Lernen beschäftigen sich viel zu sehr mit dem, was Kinder nicht können, anstatt zu sehen, worin Kinder gut sind, und sie dort zu fördern.“ Katha Häckel-Schinkinger ist Mutter von vier Kindern und bringt ihren Hauptkritikpunkt am heimischen Schulsystem in vielen Diskussionen und Gesprächen klar zum Ausdruck. Und genau so sieht sie es auch, wenn einer ihrer Söhne einen Fünfer heimbringt: Sie nimmt Noten bei ihren Kindern nicht allzu wichtig, unterstützt sie dabei, die Schule möglichst ohne größere Probleme durchzustehen, und möchte sie dort fördern, wo sie ihre Begabungen haben. Dabei erinnert sie sich daran, wie wissbegierig sie selbst als Kind und Jugendliche war, an ihren Ehrgeiz auch im Sport und daran, dass ihr das Lernen in der Schule leicht fiel. Etwas, dass sie von ihren Kindern so nicht sagen will.

Katha ist Directrice im Habibi & Hawara und wohnt mit ihrem Mann, den drei Söhnen aus ihrer ersten Ehe und der jungen Tochter in einer Dachgeschosswohnung im 15. Bezirk. Ihr Ältester, Leon, wiederholt gerade die 6. Klasse in einem Gymnasium im 1. Bezirk, die Zwillinge Ferdinand und Julius besuchen das Gymnasium Schmelz in der 3. Klasse. Eine Schule, die Katha generell lobt und schätzt: Sie unterstreicht das Engagement vieler Lehrer, die vielen Möglichkeiten zu sportlicher Betätigung und die Bemühungen der Schule, auch abseits des Lernstoffs den Schülern Dinge mitzugeben: Es gibt viele Programme, die das soziale Miteinander stärken oder in Konfliktsituationen Unterstützung bieten.

Gemeinsames Lernen

Bei unserem Besuch zeigt sich der bewegte Alltag in der Familie – und die zentrale Rolle des großen Tisches. Hier wird nicht nur gegessen, sondern auch gemeinsam gelernt. Immer wieder nehmen alle drei Söhne daran unter der Woche am späten Nachmittag Platz, lernen gleichzeitig und auch gemeinsam, helfen sich gegenseitig. Und auch Katha und zeitweise ihr Mann, Stefan, nehmen daran teil. Das gemeinsame Lernen ist für sie Teil, des Familienalltags. Vereinzelt nehmen sie auch externe Nachhilfe in Anspruch, aber eher dann, wenn ein Kind es nicht schafft, selbst zu lernen, und so wenigstens einmal die Woche mit jemand anderem lernt.

Was tun bei einem Fünfer im Zeugnis?

Individueller Umgang

Kinder sind verschieden, brauchen unterschiedliche Unterstützung und gehen auch mit Noten allgemein und Fünfern im Speziellen unterschiedlich um. Leon ist 16 und erzählt vom Sommer, in dem er sich auf seine beiden Nachprüfungen vorbereiten wollte: „Ich habe mir wirklich vorgenommen, zu lernen, es war aber dann nicht so, und je weiter die Zeit fortschritt, desto weniger habe ich tatsächlich gemacht.“ Er ist zur Nachprüfung nach dem Sommer angetreten, hat sie aber nicht geschafft. „Ich hatte in Mathe schriftlich einen Vierer und mündlich einen Fünfer, da wusste ich, dass es eh keinen Sinn mehr hat.“ In der Wiederholung der 6. Klasse sieht der groß gewachsene Bursche keinen Nachteil: „Bei uns in der Schule wiederholen viele, und es ist normal. So habe ich wenigstens mehr Zeit mit einem Kollegen, die ich genieße.“ Er hat weiterhin vor, die Matura zu machen und danach zu studieren: „Wahrscheinlich Philosophie, manchmal denke ich auch an Jus, aber das mache ich wohl eher doch nicht.“ Ferdinand und Julius, beide zwölf, nehmen schlechte Noten und Fünfer nicht ganz so leicht. „Das ist kein angenehmes Gefühl“ meint etwa Ferdinand, „schon mehr Verzweiflung als Angst – ich habe keine Lust auf Stress und viel Lernen.“ Sie erzählen beide, wie der Stress und das negative Gefühl eher aus ihnen selbst kommen –  es sind nicht die Eltern, die sie unter Druck setzen. Trotzdem kennen sie die Situation, wenn man den Eltern eine negative Note nicht zeigen will: „Es hilft nichts“, weiß Julius, „und je länger man es nicht sagt, desto schlimmer wird es.“ Für derlei Aktionen haben Kinder dank einem elektronischen Klassenbuch, in das Eltern Einblick haben, aber immer weniger Möglichkeiten.

Der Wunsch: Endlich Reformen!

Katha ist keine Mutter, die generell gegen Lehrer schimpft, ganz im Gegenteil. Viel eher wünscht sie sich längst angefangene Reformen, die immer wieder zurückgenommen werden, neue Schulmodelle, die Gesamtschule oder auch mehr Ganztagsschulen. Sie wünscht sich generell eine bessere Aufteilung von Lern- und Freizeit. Die vielen Feiertage und Ferien machen nicht nur berufstätigen Eltern die Betreuung schwer – und das ganz besonders, wenn Kinder in verschiedenen Schulen verschiedene autonome Tage frei haben. Sie machen für sie auch die Zeit, die Kinder tatsächlich in der Schule Unterricht haben, kürzer und unterbrechen diese häufig. Es braucht Freizeit und Ferien, um das Hirn auszulüften und auch andere Gedanken zu bringen. Diese sind aber, so Katha, ungünstig verteilt: „Ich halte eine großflächige Reform dieses Zustands, den wir seit den 1970er-Jahren haben, für wünschenswert – ich erwarte nun aber von dieser Regierung eher das Schlimmste. Es ist ein Drama, dass verschiedene Schulsysteme abgeblasen werden.“

Das System hinkt Lebensrealitäten hinterher und bereitet Kinder nicht auf die Berufe vor, von denen wir heute noch nicht wissen, dass unsere Kinder sie einmal haben werden. Es werden die falschen Dinge beigebracht: „Leon soll mit 16 vorwissenschaftliche Arbeiten abliefern, es hat ihm aber niemand beigebracht, zu recherchieren oder zu unterscheiden, was relevante Informationen sind.“ Katha nimmt nicht nur die negativen Noten ihrer Kinder eher locker, sondern sieht insofern auch die Diskussion um Schulnoten allgemein für eine Nebelgranate: „Noten oder keine Noten ist egal, wenn die eigentlichen Probleme nicht gelöst werden.“ Sie will ihre Kinder in den Dingen bestärken, die sie interessieren. Bei Ferdinand und Julius sind das Referate und das Sprechen vor anderen Leuten, bei Leon ist es politische Bildung.

Es geht ihr darum, dass die Kinder nicht durch die Schule den Spaß am Lernen verlieren, denn: „Die Kinder sind die Zukunft, und nicht wir.“

6 Tipps zum Umgang mit einem Fünfer im Zeugnis
6 Tipps zum Umgang mit einem Fünfer im Zeugnis

Tipps bei einem Fünfer im Halbjahreszeugnis

  • Nicht überreagieren, Hilfe anbieten: Schüler tun sich oft schwer, über Misserfolge mit den Eltern zu reden. Diese sollten nicht überreagieren, sondern Hilfe anbieten und ihre Rolle als Vertrauensperson einnehmen. Herausforderungen meistern sich gemeinsam einfacher.
  • Kopf auslüften: Auch wer einen Fünfer hat, sollte zu Beginn der Ferien erst einmal wirklich Urlaub machen, den Kopf frei bekommen und abschalten, um sich dann wieder aufs Lernen konzentrieren zu können. Allerdings auch nicht zu spät damit anfangen.
  • Individuelle Methode: Jeder Mensch lernt anders. Eltern können sich gemeinsam mit dem Kind oder für das Kind nach individuell passenden Lernmethoden umsehen und diese gemeinsam mit dem Kind auswählen.
  • Ein Lernplan hilft: Freizeit und Lernphasen lassen sich – auch mit Beratung – gemeinsam einteilen und festschreiben. So ein Plan hilft allen Beteiligten, sich an ausgemachtes zu halten, und zeigt, dass auch Freizeit und Spaß nicht zu kurz kommen.
  • Externe Hilfe: Externe Nachhilfe kann helfen, schneller zu Erfolgen zu kommen, um im zweiten Semesteer mit dem neuen Stoff nicht den Anschluss zu verlieren. Manchmal ist diese Motivation von außen auch gut, um einen gewissen Schlendrian zu überwinden.
  • Noten sind nicht alles: Ein Zeugnis und eine Note zeigen nur, was das Kind nicht kann. Sie zeigen nicht die vielen Interessen des Kindes, was das Kind das Jahr über beschäftigt hat und wie es sich in der Klassengemeinschaft tut.

 

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