Bildung

Lehrer*in im 2. Anlauf

Über Umwege in die Schule: Der Weg in die Pädagogik muss kein gerader sein. „familiii“ hat mit drei Personen gesprochen, die sich ihren Traumjob als Lehrer*innen erst später verwirklicht haben.

Der Lehrermangel in Österreich hat sich verschärft. Obwohl im vergangenen Schuljahr 121.851 Lehrer an den heimischen Schulen tätig waren, wurden im Herbst 2022 dennoch 8.600 Stellen ausgeschrieben. Einzelne Regionen und Fächer sind primär betroffen. Besonders schwer zu besetzen sind Stellen an Mittelschulen und klassenführende Stellen an Volksschulen sowie die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und Informatik, außerdem Bewegung und Sport. Als „Herausforderung für das Bildungsmanagement“ bezeichnete der zuständige Minister Martin Polaschek die derzeitige Situation. Die Gründe für den Mangel sind vielfältig: Viele Lehrer*innen treten aktuell bzw. in naher Zukunft ihre Pension an, weniger neue Lehrer*innen wollen Vollzeitstellen annehmen, zudem dauert die reguläre Ausbildung mittlerweile länger.

Job mit viel Herz
Umso größere Bedeutung kommt jenen Spätberufenen zu, die erst im zweiten Bildungsweg in der Pädagogik Fuß gefasst haben. „Ganz kitschig gesagt, wollte ich einfach etwas mit jungen Menschen und mit viel Herz arbeiten“, erzählt Harald Mesmer. Der 35-Jährige studierte Publizistik und Germanistik und arbeitete zuerst als Redakteur und Lektor. Sein Wunsch, Pädagoge zu werden, bestand seit seiner Jugend, aber er hatte nicht die Möglichkeit dazu – zumindest nicht sofort. Das Kolleg für Erwachsenenbildung ermöglichte ihm schlussendlich den beruflichen Neuanfang. „Das erste Jahr noch vom Arbeitsamt mitfinanziert, ab dem zweiten Jahr berufsbegleitend und auch mit Bezahlung“, erinnert sich der Lehrer an seine zweite Ausbildung. Mittlerweile hat Mesmer Erfahrungen gesammelt, da er bereits einige Jahre in seinem neuen Beruf tätig ist. Seine bisherige Bilanz: „Es waren sehr viele positive Momente dabei, aber auch einiges an Verantwortung, die vorher doch nicht so ganz klar war. Der Beruf ist aber sehr abwechslungsreich, kein Tag ist wie der andere und er macht tatsächlich viel Freude.“ Die Personalsituation bezeichnet Harald Mesmer ebenso als herausfordernd, da nicht jedes Kind genug Aufmerksamkeit bekomme und die Lehrer*innen oft nicht auf die alle Kinder eingehen können. „Vor allem gibt es immer mehr Kinder mit ganz besonderen Bedürfnissen, die viel mehr an Zuwendung und Zeit benötigen würden“, resümiert Mesmer. Dennoch sieht Mesmer vor allem Vorteile: Die Kinder geben viel zurück und als Lehrer*in könne man sehen, wie sie sich weiterentwickeln. Auch der Einfluss der eigenen pädagogischen Arbeit sei spürbar. Sein Bild des Berufes hat sich auf jeden Fall verändert: Davor habe er nicht gedacht, wie verantwortungsvoll der Job tatsächlich sei und wie viel administrative Arbeit ebenso anfalle. Zudem stehen Lehrer*innen unter der Beobachtung vieler und müssen mit Kritik von verschiedenen Seiten umgehen, auch die Bezahlung sollte – etwa für den hohen Energieaufwand – besser sein. Sein Rat an alle, die ebenso erst später ihren Weg in die Pädagogik finden: „Sich einfach den Beruf mal in der Praxis anschauen. Er ist nicht für jeden etwas und man muss schon mit ganzem Herzen und viel Motivation dabei sein, sonst wird es schwierig länger in diesem Berufsfeld zu arbeiten.“

Intensive Arbeit
Die Studien der Meteorologie und Geophysik absolvierte wiederum Roman Sandner, danach war er als Meteorologe und später in der Anlagentechnik tätig. Seine damaligen Jobs haben den heute 42-Jährigen jedoch nicht zu 100 % erfüllt – also begann für ihn die Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung. „Da ich während meines Studiums schon an einem Nachhilfeinstitut gearbeitet habe, wusste ich, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen sehr viel Spaß macht. Und was gibt es Sinnvolleres als die Ausbildung der nächsten Generationen?“, erinnert er sich. Somit wagte auch Roman Sandner den Schritt in die Pädagogik. In den ersten fünf Jahren musste er einen Hochschullehrgang sowie eine bestimmte Anzahl an Fortbildungen absolvieren. Über sein bisheriges Dasein als Lehrer berichtet er: „Ich unterrichte heuer das zweite Schuljahr. Das erste Jahr war sehr herausfordernd. Die Stundenvorbereitungen sind sehr aufwendig. Man wird aber mit der Zeit effektiver.“ Auch er empfiehlt Neueinsteigern den Berufswechsel, „wenn man wirklich gerne mit Jugendlichen zu tun hat.“ Der Lehrer erzählt weiters: „Die Arbeit ist sehr intensiv und macht Spaß, wenn die Voraussetzungen stimmen.“ Mit seinem heutigen Wissen würde er sich jedoch „im ersten Jahr nicht ein volle Lehrverpflichtung ‚antun‘“. Dennoch hat sich für ihn
das Bild des Berufes nicht sonderlich geändert: „Um ehrlich zu sein, habe ich es mir in etwa so vorgestellt. Dass das Berufsbild nicht mehr mit jenem Bild vergleichbar ist, welches vor 30 Jahren vorherrschte, war mir schon bewusst.“

Lehrerin aus vollster Überzeugung
Auch Lehrerin Angelika Heiling- Meltsch hat erst über Umwege in die Pädagogik gefunden: Die 42-Jährige absolvierte zuerst ein Studium der Ernährungswissenschaften an der Universität Wien sowie ein Doktorat der Technischen Chemie an der TU Wien. Danach machte sie in der Lebensmittelbranche Karriere – etwa bei Güssinger Mineralwasser oder im REWE-Konzern bei der Biomarke Ja! Natürlich. Doch 2011 änderte sich ihr Leben, ihre Tochter kam auf die Welt. Der Lebensmittelpunkt der Familie verlagerte sich von Wien zurück ins Burgenland. Der Wunsch, Lehrerin zu werden, war immer da gewesen. Nun wurde er stärker. Angelika Heiling-Meltsch: „Schon vor meiner Matura wollte ich immer Lehrerin werden. Leider wurde uns damals suggeriert, diesen Beruf nicht zu ergreifen, da wir schlichtweg keine Jobs bekommen würden, weil es zur damaligen Zeit einen Lehrerüberschuss gab.“ Trotz ihres beruflichen Erfolgs sei sie immer der Ansicht gewesen, erst als Lehrerin beruflich angekommen zu sein, erzählt sie. Da während ihrer Karenzzeit Pädagogen im naturwissenschaftlichen Bereich gesucht wurden, bewarb sie sich 2012 bei der Bildungsdirektion Burgenland und trat bereits im Schuljahr 2012/2013 in den Schuldienst ein. „Um neben meiner fachlichen auch die pädagogische Kompetenz zu erlangen, besuchte ich an der PH Eisenstadt den zweijährigen Lehrgang Ingenieurspädagogik, welcher speziell an Quereinsteiger aus der Wirtschaft gerichtet war.“ Mittlerweile ist sie das elfte Jahr als Lehrerin tätig und sagt: „Ich bereue es keine Sekunde, diesen Schritt aus der Wirtschaft in die Schule gemacht zu haben.“ Die ersten Jahre beschreibt sie als „sehr herausfordernd“. Das Leben als Jungfamilie sowie der neue Job mussten miteinander verbunden werden. „Ich saß oft bis weit nach Mitternacht an meinen Vorbereitungen und nach wenigen Stunden Schlaf läutete schon wieder der Wecker“, erinnert sie sich. „Ich bin Lehrerin aus vollster Überzeugung und freue mich jeden Tag auf meine Klassen. Ich bin sehr froh, dass ich 2012 diesen Schritt gewagt habe und bin davon überzeugt, dass es für mich keinen besseren und schöneren Beruf gibt.“

So gelingt der Quereinstieg in die Pädagogik

Nicht immer muss der Einstieg in den Job als Lehrer*in im ersten Bildungsweg geschehen. Für Quereinsteiger*innen gibt es diese Möglichkeiten:

1. Unterricht in einem allgemeinbildenden Fach
Ein fachlich geeignetes Studium an einer Uni bzw. FH auf Bachelor- Niveau ist Voraussetzung, ebenso eine nach dem Studium liegende, fachlich geeignete Berufspraxis von mindestens drei Jahren. Zudem braucht es ein Eignungsfeststellungsverfahren. Wer bereits ab dem Schuljahr 2023/2024 unterrichten möchte, für den gibt es die Möglichkeit zum Quereinstieg in die Sekundarstufe Allgemeinbildung. Dafür müssen sich die Bewerber*innen zuerst online im Portal „Get your teacher“ registrieren. Wer die formalen Anforderungen erfüllt, wird zu einem Online-Assessment und danach gegebenenfalls zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Bei erfolgreichem Abschluss des dreistufigen Eignungsfeststellungsverfahren erhält man ein Zertifikat der Zertifizierungskommission Quereinstieg (ZKQ). Danach kann man sich als Lehrer*in bewerben, muss aber innerhalb von fünf Jahren den Hochschullehrgang Quereinstieg an einer öffentlichen oder privaten PH absolvieren.

2. Unterricht in Fachbereichen der Berufsbildung
Für die Fachtheorie in den Fachbereichen der Berufsbildung besteht die Möglichkeit zum Quereinstieg durch facheinschlägige Studien oder ergänzende Studien. Dies ist an folgenden Pädagogischen Hochschulen möglich: PH Steiermark, PH OÖ, PH Tirol, PH NÖ und PH Wien.

3. Volksschule oder Sonderschule
Hier muss ein reguläres Lehramtsstudium absolviert werden, das ist auch berufsbegleitend möglich.

LINKS
Quereinstieg – Informationen des Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung: https://www.bmbwf. gv.at/Themen/schule/fpp/ausb/quereinstieg.html Online-Bewerbung als Lehrer: https://bewerbung.bildung.gv.at/#/jobs

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