Mehr Klasse in der Klasse?
In den Medien wurde zuletzt viel über Kleiderordnungen an Schulen gesprochen. Wie sinnvoll sind Kleidervorschriften oder gar Schulunformen an öffentlichen Schulen?
Bauchnabel bedecken. Ausschnitt über dem Brustansatz. Hose nicht kürzer als eine Handbreit von der Schrittgrenze entfernt. Keine Kappen und Hauben im Unterricht. So steht es neuerdings in der Hausordnung im Gymnasium Stockerau im Bezirk Korneuburg in Niederösterreich. An der Mittelschule St. Ursula in Klagenfurt in Kärnten wurde den Eltern zum Schulbeginn ein Schreiben übermittelt, in dem mitgeteilt wurde, dass Tops mit Spaghetti-Trägern, Leggings, bauchfreie Shirts und Hotpants im Klassenzimmer unterwünscht seien. An einer Salzburger Schule wurde in einem Schreiben der Direktion eingefordert, dass Schulkinder sich „adäquat zu kleiden“ hätten. Erst im Mai preschte die FPÖ vor und forderte ein Jogginghosen-Verbot an allen öffentlichen Schulen Wiens. An mehreren Schulen sind sichtlich wieder einmal Diskussionen entbrannt über „freizügige“ oder „unpassende“ Kleidung. Kurzum: über Sinn oder Unsinn von Kleidervorschriften und Verboten an öffentlichen Schulen.
Ausdruck von Persönlichkeit oder Provokation?
Diejenigen, die Kleidervorschriften begrüßen, halten es für angemessen, dass die Schule als Bildungseinrichtung vorschreibt, was Schüler:innen anziehen. Häufiges Pro-Argument ist der Vergleich mit dem Berufsleben. Schule sei nun mal so etwas wie Arbeit für Kinder und Jugendliche und entsprechend hätten zu legere Freizeitlooks dort nichts verloren. Soll heißen: Schüler:innen sollten lernen, sich im Unterricht „angemessen“ zu kleiden und zwar so, dass es einen deutlichen Unterschied gäbe zum Gewand, das man beispielsweise für die Party am Wochenende oder im Skaterpark trägt. Häufig liegt der Fokus bei der Contra-Argumentation auf der Kleidung von Mädchen und jungen Frauen. Das viel zitierte bauchfreie T-Shirt aka Crop-Top scheint dabei inzwischen schon so etwas wie ein Symbol für in der Schule zur Schau getragene Weiblichkeit zu sein. Gegner:innen von Kleidungsvorschriften wehren sich vehement gegen den Vorwurf der Provokation, weil damit ein beliebtes Narrativ bedient werde, nämlich dass Frauen quasi selbst schuld seien, wenn sie von Burschen oder Männern belästigt werden, weil man diese dazu quasi aufgefordert hätte. Diejenigen, die gegen Kleidervorschriften sind, verweisen oft darauf, dass Verbote und Vorschriften ohnedies schwierig seien. Weil Geschmäcker nun mal sehr verschieden und Begriffe wie „adäquat“ oder „angemessen“ allgemein schwer zu definieren seien. Stattdessen solle Kindern beigebracht werde, auf die inneren Werte zu achten und dass es in der Schule und auch später im Beruf darauf ankomme, was man kann und weniger, was man an hat. Außerdem müssten junge Leute sich in diesem Alter nun mal ausprobieren und da gehe es auch darum, sich in Sachen Kleider von der Elterngeneration abzugrenzen. Generell plädieren viele dafür, dass das ganze Thema im Unterricht stärker zu besprechen sei. Indem zum Beispiel gesellschaftliche Kleidernormen thematisiert werden, aber auch Aspekte wie Schönheitsideale, Sexualisierung oder Verhüllung zur Sprache kommen.
Schuluniform – die Lösung aller Kleiderprobleme?
In der ganzen Debatte kocht immer wieder auch die Idee der Einführung von allgemeinen Schuluniformen hoch, wie sie in so manchen privaten Einrichtungen durchaus Gang und Gebe wären. Befürworter einer einheitlichen Kleidung für alle meinen, dass Markenklamotten durch Schuluniformen kein Thema mehr wäre, es so insgesamt weniger Kleider-Mobbing gäbe und soziale Unterschiede zumindest nicht durch die Kleidung erkennbar wären. Schuluniformen seien in Summe günstiger und würden das Verbindende einer Klassengemeinschaft unterstreichen. Gegenstimmen behaupten indes, dass die Uniformen ein gesellschaftlicher Rückschritt wären, weil das Einheitsgewand letztlich eine Zwangsverordnung sei und niemand mehr seine individuelle Persönlichkeit über seinen Stil ausdrücken könne.
Was Eltern zu Kleidervorschriften sagen:
Janina S. (44), Mutter einer 13-Jährigen
Ich bin gegen Kleiderordnungen bzw. Verbote. Das Gerede von züchtiger Kleidung nervt mich sehr, denn mir scheint, als müssten gerade Mädchen im 21. Jahrhundert wieder anfangen, sich zu verhüllen, damit Männer nicht belästigt werden. Dass es in der warmen Zeit etwas mehr Haut zu sehen gibt, ist ebenso normal wie die Tatsache, dass Teenies – egal ob Bursche oder Mädchen – nun mal Grenzen ausloten. Die Wahl der Kleidung ist eine persönliche Entscheidung und gerade in dem Alter ein wichtiges Mittel zur Selbstfindung.
Christian M. (54), Mutter von zwei Töchtern, 17 und 14
Grundsätzlich bin ich gegen Verordnungen oder Verbote. Meine Mädchen sollen anziehen, womit sie sich wohl fühlen. Sie wissen aber auch von kleinauf, dass es für verschiedene Anlässe unterschiedliches Gewand gibt. So haben sie ja auch mitbekommen, dass sich die Businesskleidung fürs Büro von den Kleidern unterscheidet, die meine Frau und
ich anziehen, wenn wir uns für eine Party herrichten. Ich finde, sie haben da von alleine ein recht gutes Gespür dafür entwickelt, sich Anlässen entsprechend zu kleiden – in der Schule beispielsweise etwas formeller als in der Freizeit.
Elisa R. (51), Mutter einer 14- und einer 16-jährigen Tochter
Vielleicht bin ich in meiner Ansicht ein bisschen konservativ: Ich bin zwar gegen Kleiderverordnungen an Schulen, aber ich finde schon, dass es ein gewisses Übereinkommen darüber geben sollte, was als zu freizügig bzw. zu leger erachtet wird. Im Grunde hat das etwas mit Erziehung oder auch mit dem Vorleben zu tun. Die Kinder kriegen ja von klein auf mit, in welchen Situationen – ob Beruf oder Schule – es etwas anzüglicher hergeht. Meine Mädchen stehen auf bequeme, eher sportlichere Sachen und durften immer anziehen, was sie wollten. Bauchfrei zum Beispiel finden beide nicht so cool.
Gabriel K. (45), Vater eines 14-Jährigen
Die Diskussion darüber, was geht und was nicht, ist halt immer schwierig, weil es immer im Auge des Betrachters liegt, was als angemessen oder zu freizügig gilt. Problematisch ist für mich auch, wenn es wegen der Kleidung seitens der Schule bestimmte Konsequenzen für das Kind gibt. Und niemand, wirklich niemand ist schuld an einem sexuellen Übergriff, nur weil man etwas bestimmtes an hat. Wir dürfen nicht vergessen, dass es in dem Alter besonders darum geht, cool und sexy rüber zu kommen und ums Sichausprobieren. Ich persönlich kann übrigens der Idee der Schuluniform durchaus etwas abgewinnen. Dann könnten wir uns den ganzen Markenwahn – und damit auch viel Geld sparen 🙂
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