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Neue Helden aus dem Netz

Bunt, schrill, reich: Das sind die Stars der YouTube-Generation. Für Fans sind sie Vorbilder, für Werbemacher eine Goldgrube. Wieso fasziniert YouTube Kinder auf der ganzen Welt? Und: Wer sind Österreichs angesagteste YouTuber?

Helden aus dem Netz

Vicky und Sarina sitzen in einem hell erleuchteten Zimmer. Die beiden Mädchen sind in weiches Pastellrosa und -blau gehüllt und begrüßen ihre Fans mit einem Lachen in die Kamera. Im Hintergrund springt ein kleiner Hund auf das Plüschsofa. Ihre Videos, in denen die beiden Freundinnen lustige Sammelleidenschaften kommentieren, Rubbellose öffnen, oder 100 Schichten Nagellack auftragen, haben bis zu zwei Millionen Aufrufe. Sie sind YouTube-Stars und damit die neuen Helden der Kinder. Bei der Onlineplattform geht es weniger darum, möglichst professionelle Videos zu produzieren, sondern vielmehr um Authentizität.

Echte Menschen, in denen die Kinder sich wiedererkennen. Sie lassen ihre Fans nicht nur an glücklichen Momenten teilhaben,
sondern erzählen auch von Problemen und spielen Seelsorger. Wo man früher gemeinsam vor dem TV saß, sieht man heute zum Beispiel bei „Let’s Plays“ anderen dabei zu, wie sie zocken. Die YouTuber kommentieren nebenher ihre Spielerfahrung oder erzählen beiläufig Anekdoten aus dem Alltag.
„Ich schaue mir Gaming-, Comedy- und Musikvideos an“, erklärt Oskar (12). Sein Freund Theo (11) sieht sich zudem gern Reportagen und Challenges an, manchmal durchstöbern die beiden aber auch nur „Trends“. Hier sammelt YouTube alles, was gerade besonders beliebt ist. Am Tag verbringen sie ein bis zwei Stunden auf YouTube, so ist es mit den Eltern abgesprochen. „Ich muss dann aber auch mal was Vernünftiges machen, lesen oder so“, erzählt Oskar, Theo hat neben den Pfadfindern, Nachmittagsbetreuung und Kochen auch nicht immer viel Zeit, Videos zu schauen. Früher hat Theo noch häufig den Kanal des deutschen YouTube-Stars Julien Bam besucht, heute tut er das aber eher selten: „Er hat seine Videos geändert und macht sie jetzt professioneller. Ich fand sie aber früher besser. Da hat er fast täglich Videos gemacht, die auch viel lustiger waren.“

Österreichischen YouTube-Kanälen folgt Oskar allerdings selten. Er sucht eher gezielt nach einem besonderen Spiel, das ihn interessiert. „Ich schaue auch ab und zu englischsprachige Videos von amerikanischen YouTubern, dann suche ich aber eher nach dem Spiel und nicht nach einer Person.“ YouTube ist vor allem international, und so können auch fremdsprachige Videos problemlos abgerufen werden. Viele Österreicher machen sich das zu Nutzen und nehmen ihre Videos in englischer Sprache auf, zum Beispiel Survival Lilly, die Überlebenstipps und -trainings zeigt.

Direkter Kontakt zu den Fans

Videos können positiv oder negativ bewertet werden, und die Zuschauer können Kommentare posten. Das Besondere: Die Stars können auf die Kommentare antworten, den Kommentar liken oder in folgenden Videos aufgreifen. Man hat das Gefühl, mit der Person am Bildschirm das Leben zu teilen, sie zu kennen, und man weiß stets was sie tut, was sie mag und wie es ihr geht. Waren die Stars von früher höchstens als Poster aus der Bravo im Kinderzimmer vertreten, findet hier eine direkte Kommunikation statt – scheinbar ohne Umwege und auf Augenhöhe. Es ist die Fanpost 2.0.

Stars werden Idole und geben Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ihre eigene Identität auszubilden. Neben Familie und Freunden werden irgendwann die Stars auf YouTube, im Fernsehen und im Radio zum Vorbild. Musiker haben dabei nach wie vor einen besonders großen Einfluss, und viele YouTuber nehmen allein oder mit befreundeten Stars eigene Songs auf. Sie bleiben auch längst nicht mehr nur hinter dem Bildschirm von Smartphone, Tablet und Laptop. Festivals und Veranstaltungen bringen die Fans nah an die Menschen heran, die sie so gut aus den Videos kennen. Kreischenden Fans, die man überall sieht, wo sie auftreten, kannte man schon bei den Beatles und Boygroups aus den 90ern.

Geschlechterrollen und strafbare Pranks

Für Buben und Mädchen ist gleichermaßen ein riesen Angebot an Beauty- und Entertainment-Inhalten abgedeckt, und gerade Gamingvideos sprechen beide gleichermaßen an. Trotzdem wird häufig ein sehr festgefahrenes Bild davon vermittelt, wie Buben und Mädchen sein sollen. Videos wie „Was Männer an Frauen mögen“, in denen Kochkünste gelobt werden, oder „10 Dinge, die an Mädchen nerven“ vermitteln nicht nur ein rückständiges Frauenbild im YouTube-Land, sondern machen meist deutlich, dass
Männer eben ihr genaues Gegenteil sein sollen – und auf gar keinen Fall schwul. Obwohl sexistische und homophobe Äußerungen immer wieder auf Kritik stoßen, zeigen die Abrufzahlen, dass es scheinbar viel Nährboden für diese Art von Videos
gibt. Auch Pranks und Hasstiraden in Videos kommen gelegentlich vor. Diese führten berühmte deutsche Stars wie ApoRed, der einen Anschlag vortäuschte, und Julien Bam, der wegen Volksverhetzung angezeigt wurde, bereits vor Gericht.

Die perfekte Werbeplattform

Besonders im Vordergrund steht bei Videos auf allen Kanälen häufig der Konsum. Sogenannte „Hauls“ sind beispielsweise Videos, in denen die Ausbeute eines Shopping-Tages gezeigt wird. Dabei zeigen die jungen Mädchen und Männer ihr neues Gewand oder Produkte einer Drogeriekette. Auch teure Uhren oder Schuhe werden als neues Must-have angepriesen. Die Empfehlungen sind freundschaftlich, und es wird suggeriert, dass man sich mit dem Kauf etwas Gutes tut. Dieser nett gemeinte
Tipp wird mit den Zuschauern geteilt. Dahinter stecken allerdings oft Firmen, die ihre Marke in YouTube-Videos sehen möchten. Sie suchen dabei vor allem nach der idealen Zielgruppe für ihr Produkt. Die richtigen Influencer werden je nach Kampagnenziel des Kunden ausgewählt. Dabei ist es nicht immer entscheidend, ob ein Kanal besonders viele Abonnenten hat. Es zählt vor allem das Engagement der Fans. Die Kommentare werden dafür nach Masse und Qualität ausgewertet.

Wann ein YouTuber Sponsoring für die Produktion eines Videos bekommt, kann man fast nicht sagen, denn nur die wenigsten Videos kennzeichnen Produktplatzierungen. Fast alle verdienen allerdings durch gesponserte Links, Werbeverträge oder einfach kostenlose Produktzusendungen Geld. Vor vielen Videos wird ein kurzer Werbeclip abgespielt, der sich ganz eindeutig als Werbung vom Videoinhalt abhebt. Schwerer zu trennen wird es mit sogenannten Affiliate-Links. Hier preisen die Stars bestimmte Produkte in einem Video an und verlinken diese in der YouTube-Infobox unter dem Video. Dass sie über diese Links für jeden Kauf eine Provision von 1–10 Prozent bekommen, sagen sie meist nicht dazu. Videos, deren gesamte Produktionen von Firmen bezahlt wurden, sind noch schwerer zu enttarnen. Sie enthalten häufig keinen Hinweis auf Werbung, doch die Produkte sind Thema des Videos und sind immer wieder deutlich erkennbar im Bild.

Wie viel Geld man wirklich damit ...

… verdient, bleibt ein wohlgehütetes Geheimnis. Allerdings können nur die Top-YouTuber wirklich von ihrer Tätigkeit leben – das sind in Österreich schätzungsweise 44 Kanäle, die ein monatliches Einkommen von 1.000 bis 2.500 Euro im Monat erwirtschaften sollen. Das Millionengeschäft, auf das viele hoffen, verteilt sich auf nur wenige Personen. In Österreich sind es
schätzungsweise die sechs größten Kanäle, die über 10.000 Euro im Monat verdienen.

Für Kinder ist jedoch der Inhalt eines Videos viel entscheidender als der Fakt, dass dort Werbung gezeigt wird, ohne dass dies kenntlich gemacht wird. Selbst wenn sie die Produktplatzierungen als Werbung erkennen, empfinden sie es nicht als störend. „Ich glaube schon, dass die Produkte so für die Zuseher interessanter werden“, schätzt Oskar das Kaufinteresse der Fans ein. Ihn und Theo stört es allerdings nicht, wenn Videos Werbung enthalten. YouTube ist längst kein Phänomen mehr, sondern eine Geldmaschine. Gleichzeitig ist die Plattform für jeden offen, der Ideen hat und seine Kreativität ausleben möchte. Man muss mit Konzept und cleveren Ideen die Fans für sich gewinnen, um aus dem Überangebot herauszustechen. Das geht auch mit Amateur-Equipment. Für die Kinder sind es die neuen Popstars mit Vorbildfunktion und Unterhaltungswert. Und in Freundschaftsbüchern ist immer öfter zu lesen: „Berufswunsch: YouTuber“. 

Liste der 5wichtigsten österreichischen Topkanäle

Red Bull (6,9 Mio Abonnenten)
Mit fast sieben Millionen Abonnenten ist der Kanal des Getränkeriesen der erfolgreichste heimische YouTube-Kanal. Hier geht es vor allem um Extremsport, ungewöhnliche Perspektiven und gefährlich Überdimensionales.

NOVRITSCH (2,8 Mio Abonnenten)
Der Oberösterreicher Christoph Neuwirth hat sein Hobby zum Beruf gemacht und ist als Scharfschütze auf sogenannten „Airsoft“-Spielfeldern zu finden. Seine Erlebnisse veröffentlicht er auf seinem YouTube-Kanal.

KsFreakWhatElse (knapp 2,2 Mio Abonnenten)
Musikvideos, Mashups, Fitness und Unterhaltung wie „Wahrheit oder dicht“ haben dem Oberösterreicher in kurzer Zeit zu Internetruhm verholfen. Zwischendurch betont er auch immer wieder sein Ziel – 3 Millionen Abonnenten für seinen Kanal.

ViktoriaSarina (1,2 Mio Abonnenten)
Der Kanal der beiden Grazerinnen erstrahlt in allen Farben des Regenbogens und widmet sich vor allem den Themen Trends, Life Hacks, DIY, Shopping und Beauty. Sie richten sich vor allem an Hundeliebhaberinnen und Einhorn-Fans.

KrappiWhatElse (1,1 Mio Abonnenten)
Als guter Freund von KSFreak feiert auch Manuel Krappinger alias KrappiWhatElse auf seinem Kanal alle möglichen Spielarten der Unterhaltung. Klicks bringen vor allem die Challenges.

Die bekanntesten YouTuber aus Deutschland

DAGI BEE
Fast vier Millionen Abonnenten lassen sich von der deutschen und mittlerweile 23 Jahre alten YouTuberin Dagi Bee nicht nur darüber aufklären, welcher Concealer der derzeit beste am Markt ist und welcher Lippenstift am längsten hält, sondern sind auch dabei, wenn sich Dagi ihr Brautkleid aussucht oder ihren Urlaub auf den Malediven genießt. Stets darum bemüht, das Image des Mädchens von nebenan aufrechtzuerhalten, wurde sie nicht nur mit ihren Beauty-Tutorials, sondern auch mit Videos wie „Probleme jedes Mädchens“ schnell zum Internetstar und für viele Mädchen auch zur Idealvorstellung der besten Freundin.

JULIEN BAM
4,5 Millionen Abonnenten nehmen Julien Bam seine teilweise raue und mit zahlreichen Kraftausdrücken durchzogene Sprache offensichtlich nicht übel. Eigentlich Breakdancer, kam der 28-Jährige anfangs mit Tanz-Videos zu Klicks. Er erweiterte sein Themenspektrum jedoch rasch und entschloss sich, seine Community unter anderem auch mit Life Hacks und sogenannten „Typisch-Videos“ zu unterhalten. 2016 ging er mit seinem Hang zur Provokation etwas zu weit und wurde mit einer Anspielung auf das Konzentrationslager Auschwitz im Zuge des großen Lokführerstreiks in Deutschland zu einer Geld- und einer Bewährungsstrafe verurteilt.

UNGE/UNGESPIELT
Simon Unge wurde vor allem mit sogenannten „Let’s Plays“ – also Videos, die ihn beim Spielen eines Computerspiels zeigen –bekannt. Wegen eines Streits mit dem deutschen Multichannel-Netzwerk Mediakraft drehte Unge seinen 2,3 Millionen Abonnenten schweren Kanal „Ungespielt“ kurzfristig ab und eröffnete den Kanal „Unge“. Es dauerte jedoch nicht lange, bis der YouTuber wieder Videos und Vlogs auf seinem Hauptkanal veröffentlichte. In letzter Zeit konzentrierte er sich auch auf sogenannte Reaction-Videos, in denen zu sehen ist, wie der 27-Jährige auf YouTube-Kollegen und andere Dinge aus seinem Umfeld reagiert.

 

Von YouTube-Stars und Instagram-Heldinnen

Pia Römer, Digitalexpertin bei UPC

Mal ehrlich: Sagen Ihnen die YouTube Video Days etwas? Ich war 2016 mal da. In Köln war das. Beruflich. Sie fragen sich jetzt vielleicht: Was soll das sein? Ein Event, bei dem Katzenvideos gezeigt werden? Oh nein, da liegen Sie total daneben. Die YouTube Video Days sind der größte Influencer-Event in Europa. Tausende Teenies (und teilweise auch noch jüngere Kiddies) verbringen dort ihre Zeit mit dem Bejubeln ihrer YouTube-Helden, sammeln sich in kreischenden Fanhorden und wünschen sich nichts sehnlicher als ein Selfie mit ihrem Star. Klingt eigentlich wie das typische Szenario bei einem Popkonzert, richtig?
Stimmt, jedoch mit dem Unterschied, dass die Stars oftmals kaum älter als deren Fans sind, das Bad in der Fanmenge noch genießen und nach ihren Auftritten in der Halle frei rumlaufen. Stars zu Anfassen sozusagen.
Auch in Österreich gibt es mittlerweile ähnliche Events. Instagram-Stars, Bands und Gamer touren auch hier bereits durchs Land. Wenn Ihnen Ihre Tochter oder Ihr Sohn von den Lieblings-Influencern erzählt (Kennen Sie schon die „Lochis“?), dann wissen Sie nun, worum es da geht. Wirklich ein Megaerlebnis für ihre Kinder! Noch ein Tipp. Glauben Sie mir, wenn ich sage: Das sind keine Eltern-Events. Hier spielen Sie besser Taxi und warten zu Hause. Ich denke, Sie werden es mir danken, wenn Sie später die Videos am Handy Ihrer Kinder präsentiert bekommen 😉

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